Witten. Bei einer besonderen Projektwoche am Berufskolleg Witten geht es um die ideale Schule. Vier junge Menschen erklären, welche Ideen sie haben.
Am Berufskolleg Witten ist in dieser Woche ordentlich Trubel. Statt Unterricht steht ein „Schul-Hackathon“ auf dem Stundenplan. In dieser besonderen Projektwoche setzen sich die rund 2500 jungen Menschen mit ihren Vorstellungen einer idealen Schule auseinander. Sie planen und diskutieren, sie malen und basteln. Da geht es um Möbel und Pflanzen ebenso wie um Digitalisierung. Vier von ihnen fassen für uns zusammen, was gut ist und woran es hakt.
Die Kaffeebar steht sonst nicht im Foyer, ist aber in diesen Tagen der Renner. Auch das Sofa und die Liegestühle sind hier normalerweise nicht zu finden. Doch das Thema Raumgestaltung nimmt einen ganz wichtigen Platz bei den Schülerinnen und Schülern ein. „Wenn die Schule aussieht wie ein Gefängnis, würde man nicht gerne hinkommen“, sagt Aysenur Kizilkaya (27). Davon ist das Berufskolleg zwar weit entfernt, schließlich wird es gerade komplett renoviert. Trotzdem sei noch viel Luft nach oben.
Wittener Schüler wünschen sich neue Caféteria und Schulgarten
„Die Räume brauchen Leben“, sagt Kevin Aufermann. Der 23-Jährige lernt gerade mal seit August am Berufskolleg und ist seit zwei Wochen Schülersprecher. Auch seine Stellvertreterin Ginda Suliman (20) und Sarah Empen (30) wissen die Möglichkeiten, die die Projektwoche bietet, zu schätzen. „Wir übernehmen viel Verantwortung damit, unsere Ideen einbringen zu können“, sagt Ginda, die am liebsten gleich noch eine Woche dranhängen würde.
Gewinner beim Preisausschreiben
Das Wort „Hackathon“ setzt sich aus den Wörtern „hacken“ und „Marathon“ zusammen und stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung. Ein Schul-Hackathon ist eine Projektwoche, in der die Schülerinnen und Schüler ein bestimmtes Thema unter die Lupe nehmen und versuchen, gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln.
Die Schule hat sich bei der Initiative „Zukunft mitgemacht“ beworben. Dazu gehören das Deutsche Kinderhilfswerk, Rossmann sowie Procter & Gamble. Sie haben den Hackathon in Form eines Preisausschreibens angeboten. Am Ende zählte das Berufskolleg zu den 20 Gewinnern.
Auf Neulinge würde das riesige Berufskolleg erstmal einen chaotischen Eindruck machen, sagt Sarah. Ihr selbst gefallen die verschiedenen Möglichkeiten, sich auf dem Schulhof aufhalten zu können – bei Regen auch unter einem Dach. Doch einig sind sich die vier: Flure und Räume müssen schöner werden. Einige Projektgruppen zeigen, was möglich wäre.
Digitalisierung spielt große Rolle
Bunte Farbe statt weißer Wände, bequemere Stühle, besseres Licht. Auch Pflanzen würden sich die jungen Leute wünschen. Einige gestalten gerade aus Kartons eine neue Caféteria, in der sie sich veganes und warmes Essen wünschen. Eine andere Gruppe hat in liebevoller Kleinarbeit einen Schulgarten kreiert – mit Gemüsebeeten für den Hauswirtschaftsbereich, aber auch mit Insektenhotels, Regentonne und Bio-Komposter.
Digitalisierung spielt eine große Rolle. „Viele Räume sind schon mit Whiteboards ausgestattet“, erzählt Aysenur. Jeder kann mit der digitalen Schul-App von Zuhause aus auf alles zugreifen. So erfahren sie schon früh, ob etwa Unterricht ausfällt, können aber auch eigene Fehlzeiten kontrollieren. Eine große Tafel im Foyer zeigt sämtliche Änderungen an – ähnlich der Anzeige am Flughafen.
Das Ziel: iPad für alle
Leider lasse die WLAN-Struktur zu wünschen übrig, kritisiert Kevin: „Ich laufe durch die Schule und habe kein WhatsApp.“ Als Kreisschule teile man sich ein Netz mit Schwelm. In Witten jedoch fehlen entsprechende Leitungen. Dabei sollen auch am Berufskolleg alle ein iPad bekommen.
Die Vier loben die Lehrer für ihre Unterrichtsgestaltung und das Angebot der Schule, das eine Vielzahl an Möglichkeiten biete. Aysenur und Sarah schwärmen beispielsweise vom Abendunterricht, in dem sie ihre Qualifikation fürs spätere Studium erwerben können. Sarah: „Dafür braucht es motivierte Lehrkräfte, die bereit sind, abends zu kommen.“ Sie habe schon mehrere Schulen durchlaufen: „Da herrschte überall ein anderes Klima. Hier kann man die Lehrkräfte jederzeit ansprechen.“
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Kevin würde sich mehr übergreifendes Arbeiten der drei Bereiche Wirtschaft und Verwaltung, Gesundheit und Soziales sowie Technik wünschen – so wie jetzt in der Projektwoche. „Wir sind primär für uns in unseren Bubbles. Man kriegt höchstens in den Pausen was von den anderen mit.“ Auch die Kooperation mit Wittener Vereinen sei ausbaufähig.
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Zu schaffen macht dem Berufskolleg, wie vielen anderen Schulen, der Personalmangel. AGs könnten nicht angeboten werden. In den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch fallen gerade 40 Stunden pro Woche aus – wie eine Lehrerin anmerkt.
Ein ganz anderes Thema: Bushaltestellen. „Die fehlen an der Schule.“ Auch die Parkplatzsituation sei eine Katastrophe. Doch das nur am Rande. Wichtig sei die Möglichkeit, die der Hackathon bietet: aktiv am Schulleben mitzuwirken, also selbst etwas für sich und andere zu tun. Kevins weitreichendes Fazit: „Wird die Schule attraktiver, dann wird auch die Leistung der Schüler besser und wir stehen im Ländervergleich wieder besser da.“
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Er hofft, dass die Politik in Stadt und Land sich dies zu Herzen nimmt. Das Berufskolleg selbst hat sich jedenfalls fest vorgenommen, viele Ergebnisse der Projektwoche im Alltag langfristig umzusetzen. Weil das Geld kostet, sind Sponsoren gerne gesehen. Sie haben – etwa in Form von Verpflegungskisten, Bastelmaterial und der Kaffeebar – auch schon beim Hackathon für Wohlfühlatmosphäre gesorgt.