Witten. Seit Juni ist die Haltestelle Friedrich-List-Straße in Witten fertig gebaut. Noch immer halten dort keine Bahnen. Das trifft besonders Ältere.

Die Bauarbeiten an der neuen Haltestelle an der Friedrich-List-Straße in Witten sind schon seit Anfang Juni abgeschlossen. Doch noch kann Anwohnerin Elisabeth Ulrich den Straßenbahnen der Bogestra nur hinterherschauen. Denn der barrierefreie neue Stop wird immer noch nicht angefahren. Und die alte Haltestelle ein paar Meter weiter kann die schwer gehbehinderte Rentnerin nicht nutzen.

„Ich finde das behindertenfeindlich, fast diskriminierend“, ärgert sich die 66-Jährige. Schon seit 2020 wartet sie darauf, an ihrer Straßenbahn-Haltestelle problemlos einsteigen zu können. Damals war ein Ausbau der bestehenden Haltestelle angekündigt. Die Klage eines Anwohners habe das aber gestoppt, erinnert sich Elisabeth Ulrich. Sie setzte große Hoffnungen in den Neubau der Haltestelle.

Schwerbehinderte Frau schafft es an der Friedrich-List-Straße nicht mehr in die Bahn

Seit April sei die so gut wie fertig, sagt die Rentnerin. Auf einem Foto aus dieser Zeit fehlt augenscheinlich nur der mittlerweile installierte Fahrradständer. Mehrfach hat die Rentnerin schon bei der Bogestra nachgefragt, wann die Haltestelle freigegeben werde – und wurde immer wieder vertröstet. Auch auf ihre jüngste Anfrage konnte man ihr kein Datum nennen.

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Das Problem: Elisabeth Ulrich, die schwer an Arthrose erkrankt ist und bereits zwei künstliche Kniegelenke hat, schafft es an der ebenerdigen Haltestelle nicht in die neuen Variobahnen der Bogestra. Der Einstieg sei zu hoch. Auch das Ausstiegen sei für sie unmöglich. Denn sie könne ihre Hüfte nicht drehen, habe dabei starke Schmerzen. Da sie beim Gehen auf einen Stock angewiesen ist, hat sie zudem stets nur eine Hand frei, um sich etwa in die Bahn ziehen zu können.

Dieser Einstieg ist für die schwer gehbehinderte Elisabeth Ulrich zu hoch. Die 66-Jährige schafft es deshalb an ihrer alten, ebenerdigen Haltestelle in der Friedrich-List-Straße nicht in die Straßenbahn. Doch auf die ist sie angewiesen, um in die Stadt zu kommen.
Dieser Einstieg ist für die schwer gehbehinderte Elisabeth Ulrich zu hoch. Die 66-Jährige schafft es deshalb an ihrer alten, ebenerdigen Haltestelle in der Friedrich-List-Straße nicht in die Straßenbahn. Doch auf die ist sie angewiesen, um in die Stadt zu kommen. © FUNKE Foto Services | Judith Michaelis

Es bleibt nur der Weg zur nächsten Haltestelle

Also bleibt der Hevenerin nur der Weg zur nächsten Haltestelle. Die ist etwa 650 Meter von ihrem Zuhause entfernt. Sie nutzt dazu meist den sogenannten Fledermausweg. Der ehemalige Trampelpfad verbindet den Wannen mit der Cörmannstraße. So gelangt die Rentnerin zum Haltepunkt „Hardel“. Etwa 200 Meter weiter als bis zur Friedrich-List-Straße sind das. „Für gesunde Menschen ist das vielleicht nicht viel. Aber für mich schon“, sagt die ehemalige Kauffrau für Datenverarbeitung.

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Den Weg schaffe sie nur, weil auf der Strecke zwei Bänke stehen, auf denen sie sich jeweils kurz ausruhen kann. Am Stück sei das für sie nicht mehr machbar. Bis zu 20 Minuten braucht die gehbehinderte Wittenerin bis zu dieser Haltestelle. Besonders im Herbst und Winter ist der unbefestigte Weg aber oft feucht. „Dann rutsche ich mit meinem Stock weg.“ Also müsse sie an regnerischen Tagen am Wannen entlanggehen – ein zusätzlicher Umweg.

Schon der Weg zur Haltestelle ist ein Kraftakt

Zwei- bis dreimal in der Woche fährt Elisabeth Ulrich mit der Bahn in die Stadt, sie ist ihr wichtigstes Fortbewegungsmittel. „Ich muss einfach raus und andere Leute sehen, ich kann nicht nur zuhause sitzen“, sagt die 66-Jährige. So gehe sie etwa regelmäßig zum Reha-Schwimmen in die Parksauna am Saalbau. Sie müsse zudem für Arztbesuche oder kleinere Einkäufe in die Innenstadt. „Ich möchte auch einfach losgehen können, ohne mir Sorgen machen zu machen.“ Doch schon der Weg zur Bahn ist für sie derzeit ein Kraftakt.

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Am Tag zuvor hat Elisabeth Ulrich eine Nachbarin getroffen. Die 81-Jährige ist auf einen Rollator angewiesen. Sie nutze mittlerweile nicht mehr die Straßenbahn und nehme stattdessen ein Taxi in die Stadt. „Aber das“, sagt Elisabeth Ulrich, „kann ich mir nicht leisten.“

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Die neue Haltestelle in der Friedrich-List-Straße wird noch nicht angefahren, weil bei der technischen Abnahme einige Mängel festgestellt wurden. So war etwa ein Geländer zu kurz. Bogestra und Stadt haben gemeinsam die meisten Probleme beseitigen lassen. Doch das Hauptproblem ist die Ampel an der Stelle, an der die Straßenbahn die Straße kreuzt. Zuständig hierfür ist die Stadt.

Weil die Haltestelle auf die andere Seite gewandert sei, müsse die Vorrangschaltung für die Straßenbahn angepasst werden, teilt die Stadt mit. Damit diese die gewünschte „Vorfahrt“ bekomme, zugleich aber auch der andere Verkehr möglichst wenig ausgebremst werde. Die dafür nötige Fachfirma sei derzeit nur schwer zu bekommen. Einen Termin für die Eröffnung kann die Stadt deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen. Das Warten von Anwohnern wie Elisabeth Ulrich geht also erst mal weiter.

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