Witten. So hohe Mieten lassen sich in Witten nicht erzielen, ärgert sich ein Besitzer über den Bescheid zur Grundsteuer. Was ist dran an der Kritik?

So ganz wollte Hans-Michael Kapler seinen Augen nicht trauen, als er Post vom Finanzamt bekam. Doch er hatte richtig gelesen und hat nun erhebliche Zweifel an den hohen Werten, die der Grundsteuerbescheid enthält. Mit seinem Problem steht er nicht allein, wie eine Nachfrage bei Haus & Grund zeigt.

Der 66-Jährige vermietet acht Wohnungen in der Innenstadt. Für die drei kleineren, weniger als 60 Quadratmeter groß, habe das Finanzamt einen Mietwert von 8,13 Euro pro Quadratmeter ermittelt, sagt der Besitzer. Für die fünf größeren Wohnungen komme die Behörde auf 6,29 Euro. „Solche Einnahmen lassen sich aber überhaupt nicht erzielen“, sagt der Eigentümer. Dabei hat er vor allem den aktuellen Mietspiegel im Blick.

Wittener Finanzamt verweist auf die rechtlichen Grundlagen

Hausbesitzer Hans Michael Kapler zieht die Berechnungsgrundlage für die Mieten in Zweifel.
Hausbesitzer Hans Michael Kapler zieht die Berechnungsgrundlage für die Mieten in Zweifel. © Kapler

Danach ist der durchschnittliche Quadratmeterwert für die Wohnungen deutlich geringer. In dem einen Fall seien es 5,51 Euro (kleinere Wohnungen), in dem anderen 5,23 Euro (größere Wohnungen). „Ausschlaggebend sind unter anderem Alter, Standard und Größe.“ Bei den drei kleineren Wohnungen liege das Finanzamt sogar fast zwei Euro über dem Höchstpreis, den der Mietspiegel zulasse, der betrage nämlich 6,41 Euro.

Hausbesitzer Hans-Michael Kapler, der mit seinen Mieten rund zehn Prozent unter dem Mietspiegel bleibt, hat längst Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Zu dem konkreten Fall äußert sich Finanzamtsleiterin Daniela Zuschlag aus Datenschutzgründen nicht. Sie betont aber, dass sich das Amt nur an die rechtlichen Vorgaben halte.

Um den Wert eines Hauses für die „neue Grundsteuer“ zu ermitteln, so Zuschlag, sei das Bewertungsgesetz ausschlaggebend. Die jeweilige Nettokaltmiete errechne sich nach verschiedenen Kriterien: Gebäudetyp (Eigentum oder Mietwohnung), Wohnflächengruppe und Alter.

Damit handele das Finanzamt auch vollkommen korrekt, sagt Andreas Noje, Geschäftsführer von Haus & Grund Ruhr, dem zahlreiche Ortsverbände angehören, darunter auch der aus Witten. Aus Sicht des Verbandes hat der Gesetzgeber die Weichen falsch gestellt.

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Haus & Grund bemängelt Fehler im Gesetz

Nicht berücksichtigt würden Merkmale, die den Wert eines Hauses ganz entscheidend beeinflussen, betont Noje. Keine Beachtung finde etwa die Lage eines Gebäudes, ob es nun an einer vielbefahrenen Straße oder mitten im Grünen steht.

Ausgangspunkt für die Grundsteuer

Die Grundsteuerbescheide, die das Finanzamt verschickt, enthalten Werte, die die Stadt künftig bei der Berechnung der Grundsteuer zugrunde legt.

Bei den Hauseigentümern besteht nun die Sorge, dass hohe Werte für ein Gebäude auch entsprechend hohe Abgaben nach sich ziehen.

Genau so folgenschwer sei die Einteilung der Wohnungen in nur drei Größenkategorien: unter 60 Quadratmeter, von 60 bis 100 und über 100 Quadratmeter. Da würden Wohnungen über einen Kamm geschoren, die aber doch im Wert erhebliche Unterschiede aufweisen, so der Geschäftsführer von Haus & Grund. Das führe eben auch im Fall von Hans-Michael Kapler zu fragwürdigen Ergebnissen.

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„Bekanntlich lassen sich mit kleineren Wohnungen deutlich höhere Quadratmeterpreise als mit größeren erzielen. Wenn dann Durchschnittswerte (vom Finanzamt, Anm. d. Red.) gebildet werden, sind die natürlich höher, als wenn man die größeren Wohnungen nur für sich betrachten würde“, sagt Andreas Noje.

Verband bereitet Musterverfahren vor

Beschwerden wie die des Hattingers, der die Immobilien in Witten vermietet, gibt es nach Angaben des Eigentümerverbandes zuhauf. Zahlreiche Hausbesitzer auch aus anderen Ortsverbänden seien mit den Bescheiden ihrer Finanzämter unzufrieden.

Auf Bundesebene bereitet Haus & Grund mehrere Musterverfahren vor. „Wir sind der festen Überzeugung, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist“, erklärt Noje. Der Verband wolle Klage erheben. Wenn die Eigentümer, mit denen der Verband vor Gericht ziehen will, die ablehnenden Bescheide zu ihren Widersprüchen erhalte, sei es soweit.