Witten. Die Corona-Zahlen in den Altenheimen in Witten explodieren. Doch die nackten Zahlen werden der Lage nicht gerecht, sagt ein Leiter.

Die Corona-Zahlen in den Altenheimen explodieren gerade. In Witten ist besonders das Seniorenzentrum Feierabendhäuser am Schwesterpark betroffen. 52 Bewohner und 21 Mitarbeiter sind Stand Dienstag (29.12.) mit dem Virus infiziert. Acht Bewohner sind verstorben. Die nackten Zahlen verweisen auf eine dramatische Lage, doch sie werden der tatsächlichen Situation vor Ort nicht wirklich gerecht, sagt Andreas Vincke. Ein Gespräch mit dem Leiter des Heims.

Herr Vincke, wie reagieren Sie im Haus auf die steigenden Infektionszahlen? 

Andreas Vincke: Die Mitarbeiter arbeiten natürlich alle schon lange nach Vorschrift mit Maske und Schutzkleidung. Seit dem Ausbruch der Pandemie machen wir jeden Montag mit sämtlichen Bewohnern und Mitarbeitern einen PCR-Test. Auf die aktuellen Ergebnisse warten wir gerade. Jeder Angehörige, der einen Bewohner besuchen möchte, muss einen Schnelltest machen. Wenn er negativ ist, kann er den Bewohner in dem Bereich, in dem niemand infiziert ist, besuchen. Dazu muss er durch eine Schleuse. Alles ist genau getrennt.

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Sie halten ihr Haus also trotz der hohen Infektionszahlen offen. Warum?

Die Pflege-, Betreuungs- und Hauswirtschaftskräfte hier geben gerade alles. Aber wir können den Kontakt und die aufmunternden Worte der Angehörigen nicht ersetzen. Es muss möglich sein, dass sie ihre Lieben besuchen, und wir werden alles dafür tun, dass es so bleibt. Das hat was mit Normalität zu tun. Und die ein Stück weit aufrecht erhalten zu können, ist in diesen Zeiten elementar.

Wie viele Besucher kommen denn jetzt ins Haus?

Das ist nicht mit der sonst üblichen Frequenz in den Zeiten vor der Pandemie zu vergleichen. Am ersten Adventswochenende waren es 98. Inzwischen kommen so um die 15 pro Tag. Alle Angehörigen werden regelmäßig per Brief über die Lage informiert. Viele haben ihre Besuche von selbst reduziert. Da besteht ein großes Vertrauen seitens der Familien.

Wäre es eine Option, dass Angehörige einen nicht-infizierten Bewohner aus Sorge vor Ansteckung nach Hause holen, so lange die Situation im Haus kritisch ist?

Das war bei uns überhaupt noch kein Thema. Und es ist auch nicht nötig. Natürlich ist die Lage grenzwertig und schlimm, es sind Menschen gestorben. Aber es gibt zahlreiche Bewohner, die infiziert sind und trotzdem keine Symptome zeigen oder einen milden Verlauf haben. Das ist tatsächlich die Mehrheit. Und es gibt Bewohner, denen es schlecht ging, die inzwischen wieder am Tisch sitzen und lächeln können. Ich weiß das genau, denn ich sehe jeden Bewohner jeden Tag mindestens ein Mal.

Wann rechnen Sie mit den ersten Impfungen?

In infizierten Einrichtungen wird erstmal nicht geimpft, denn ein geschwächter Körper verträgt eine Impfung nicht so gut. Deshalb werden wir zunächst zurückgestellt. 

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Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern?

Natürlich sind wir alle auch mal fertig, kommen psychisch und physisch an unsere Grenzen. Vieles macht uns sprachlos. Wir sind alle nur Menschen. Es gibt Tage, wo's schwieriger ist und viel Redebedarf über die eigenen Grenzen und Schwächen besteht. Kommunikation in der Krise ist alles. Aber die meisten Mitarbeiter sind unglaublich motiviert. Es gab sogar welche, die Urlaub oder frei hatten, und bereit waren, im Notfall einzuspringen.

Was gibt Ihnen Kraft in dieser Zeit?

Der große Rückhalt der Wittener Bürger und das Vertrauen der Angehörigen. Wir bekommen etliche aufmunternde Anrufe, Briefe und Mails. Das schafft neue Energie. Wir stehen das alle gemeinsam durch. Und wir hoffen natürlich, dass es keine weiteren großen Ausbrüche mehr gibt.

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