Witten. Gesessen hat er schon oft. Aber offenbar ging es niemals um ein Sexualdelikt. Nun hat hat ihn die eigene Mutter angezeigt – und schwer belastet.
Die Frau im Zeugenstand hört gar nicht mehr auf zu weinen. Schluchzend erzählt sie, was ihr in jener Februarnacht 2021 zugestoßen sein soll. Sie sei wach geworden und ihr Sohn habe auf ihr gelegen. Der Vorwurf wiegt schwer: Vergewaltigung.
„Da lief nie was“, sagt der Beschuldigte (29), der wegen anderer Delikte wie Diebstahl, Schwarzfahren oder Körperverletzung schon vier Jahre gesessen hat. Es ging aber offenbar nie um Sexualstraftaten. Seine modisch gekleidete Mutter (51) hinterlässt das Bild einer verzweifelten Frau, die Medikamente nimmt, die psychische Probleme hat, die trinkt, die manches durcheinanderbringt oder sich nicht erinnern kann. Amtsgerichtsdirektorin Barbara Monstadt schließt eine Begutachtung nicht aus. Es geht wie immer um Glaubwürdigkeit. Denn es steht Aussage gegen Aussage. Auch der Sohn soll eventuell untersucht werden.
Widersprüchliche Angaben zur vermeintlichen Tatzeit in Wittener Wohnung der Mutter
Die Widersprüche fangen schon bei der vermeintlichen Tatzeit an. Der Sohn will mittags um zwei Uhr bei der Mutter aufgetaucht sein, sie spricht von nachts. Er sagt, er habe sie beim Nachbarn abgeholt, mit dem sie getrunken hätte. „Torkelnd“ sei sie dann mit ihm zu ihrer Wohnung gegangen. Nachmittags habe ihr Freund sie dann abgeholt. „Warum sagt Ihre Mutter dann so was?“ will die Richterin wissen. Sie habe ihn schon früher beschuldigt, antwortet der Sohn, zum Beispiel, dass er sie bestohlen hätte.
Die Mutter berichtet von einer Kindheit mit ADHS und Lernbehinderungen, von Therapien, zu denen sie ihren Sohn begleitet hätte, und einer zweiten Ehe, die in die Brüche gegangen sei. Er spricht von Urlauben mit ihr und dem Stiefvater, wo sie jeden Tag getrunken hätte – und vom Missbrauch durch einen früheren Betreuer in einem Heim.
+++Keine Nachrichten aus Witten mehr verpassen: Hier geht’s zu unserem kostenlosen Newsletter+++
Dann fragt die Richterin die Frau, wovon sie in jener Nacht im Februar wach geworden sei. „Als er auf mir gelegen hat und ich ihn runtergeschubst habe“, sagt die 51-Jährige. „Raus!“ habe sie geschrien und sich im Badezimmer eingesperrt. „Er hat noch gesagt, ich hätte es nicht anders verdient, weil ich eine Scheißmutter und Schlampe sei.“ Einen Arzt hat sie später nicht aufgesucht.
Bei der ersten Vernehmung soll die Frau ziemlich alkoholisiert gewesen sein, berichtet eine Ermittlerin im Zeugenstand. Später habe sie aber authentisch gewirkt. „Es fiel ihr schwer, das zu erzählen. Es war ihr alles peinlich.“ Sie wolle aber andere Frauen vor ihrem Sohn schützen, gab sie damals zu Protokoll.
Sohn habe ihr das Gefühl vermittelt, „als wäre ich seine Freundin“
Schluchzend bejaht die Mutter die Frage der Richterin, ob ihr Sohn sie zuvor schon intim berührt habe. Überhaupt habe er sich ihr gegenüber körperlich komisch verhalten, „und mir das Gefühl vermittelt, ich sei seine Freundin“. Ob er auch seine Schwester schon mal angefasst habe? „Er hat auch ihre Nähe immer gesucht. Aber sie wusste anders damit umzugehen“, sagt die Frau.
Sie will an dem möglichen Tattag nicht getrunken haben, bestätigt aber die Einnahme von Medikamenten. Bei dem Nachbarn, mit dem sie früher eine Beziehung gehabt haben soll, sei sie gar nicht gewesen. Er habe sie früher einmal zusammengeschlagen. Wieder Tränen. Die Richterin blickt zum Staatsanwalt. Als wäre sie mit ihrem Latein langsam am Ende. Am 30. November (9 Uhr) sollen der Nachbar und die Schwester des Angeklagten gehört werden.