Witten. Eine Wittenerin (24) will vom Ex-Freund (39) vergewaltigt und misshandelt worden sein. Doch lassen sich diese schweren Vorwürfe auch beweisen?
Die Vorwürfe wiegen schwer. Doch ein wegen Vergewaltigung, Bedrohung und Misshandlung seiner Ex-Freundin (24) angeklagter Mann (39) leugnet alles. Widersprüchliche Aussagen bestimmten am Mittwoch (23.2.) den ersten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht Witten. Im Zeugenstuhl nahm sogar ein Baby auf dem Schoß seiner Mutter Platz.
Der Beschuldigte ist ein Bär von Mann. Auf eine als Zeugin geladene Polizeibeamtin wirkte er „glaubhaft“ und „sehr kooperativ“, als sie ihm eine „Gefährderansprache“ hielt. Seine Ex-Freundin hatte gegen ihn ein Annäherungsverbot erwirkt, gegen das er aber verstieß.
Eine andere Polizistin sagt eher zugunsten der Frau aus, die von diesem Mann vergewaltigt, geschlagen, gewürgt und bedroht worden sein will. Sie habe nicht den Eindruck gehabt, sie erzähle Lügengeschichten, so die Polizeibeamtin. Wenngleich für sie manches „objektiv nicht nachvollziehbar“ gewesen sei, etwa, „dass man sich nach einer Vergewaltigung ins Bett legt“. Oder danach noch Eis essen geht?
Angeklagter und das vermeintliche Opfer aus Witten gingen noch Eis essen
Der Besuch der Eisdiele und dass der Mann mindestens fünf Kugeln, wenn nicht mehr vertilgt hatte, gehörte denn auch zu den wenigen übereinstimmenden Aussagen, die man von den beiden zu hören bekommt. Den 9. April 2021, den Tag der vermeintlichen Vergewaltigung, schildern sie völlig unterschiedlich..
Seinen Angaben zufolge kam es an jenem Tag zu einvernehmlichem Sex in ihrer Wohnung, zweimal. Sie sagt, er sei ihr in die Wohnung und später ins Schlafzimmer gefolgt, wo er ihr die Jogginghose heruntergezogen und sie zum Sex gezwungen habe. Danach hätte er ihr die Hand an den Hals gelegt und gefragt, wie das Kind mit Nachnamen heißen soll, das sie zu jener Zeit von ihm erwartete.
Frau aus Witten: „Er drückte fester und fester zu“
„Dann drückte er fester und fester zu“, sagt die Frau. Später, auf dem Sofa, habe er ihr eine Decke über den Kopf geschlungen und sie festgehalten. „Ich habe keine Luft mehr bekommen.“ Dann habe er sie zu ihre Mutter gefahren und gesagt, er wolle noch Eis essen. „Ich dachte mir, mach den Scheiß mit, dann hab ich meine Ruhe.“
Immer wieder hatten die beiden Streit, auch wegen des Namens des Kindes. Wenn es seinen Nachnamen tragen sollte, wie er es sich wünschte, sollte er sie auch heiraten. Was der Mann aber nicht wollte. Auch Abtreibung war offenbar ein Thema. Dazu kam es aber nicht. Die Frau hat das wenige Monate alte Baby mit ins Gericht gebracht, ein Kind, das der angeklagte Vater an diesem Tag zum ersten Mal sieht. Seit Juni hatte er keinen Kontakt mehr zu der Frau.
Beschuldigter spricht von einvernehmlichem Sex
An jenem 9. April sei man verabredet gewesen, um sich Möbel anzusehen, sagt der Angeklagte. Sie habe auf dem Sofa gelegen, eine Serie geguckt und er habe angefangen, sie zu küssen. So hätten die Dinge ihren Lauf genommen. „Beide wollten das“, sagt sein Anwalt. „Wer vergewaltigt wird, macht keinen Zungenkuss“, sagt der 39-Jährige und greift sich an den Hals.
Warum sie zwecks Beweissicherung nicht sofort zur Polizei gegangen sei, will Richterin Barbara Monstadt wissen. Dann hätte Aussage gegen Aussage gestanden, sagt die Frau. Die „Geschichte“ wurde erst amtlich, als der Angeklagte am 14. April und 6. Juni erneut ihre Wohnung aufsuchte.
Wasserpistole auf den Kopf gehauen?
Er habe an die Tür gehämmert und ihr mehrfach ins Gesicht geschlagen, sagt sie. Er streitet das ab und erzählt von einer Wasserpistole, die sie ihm auf den Kopf gehauen haben soll. „Ich habe mich totgelacht.“ Später ging sie mit einem Messer auf ihn los, was unstrittig ist. Sie war eigenen Aussagen zufolge in Panik, habe um Hilfe geschrien, er hätte ihr den Mund zugehalten.
Das Gericht verliest noch Chatauszüge aus ihrem Handy. Am Tag, als die Frau vergewaltigt worden sein will, schrieb sie gegen 15.30 Uhr einer Bekannten ihres Ex sinngemäß: „Er ist bei mir am Lernen, kennst ihn, er isst mein Eis auf.“ Erst ein paar Tage später erhob sie in den gleichen Chats die schweren Anschuldigungen. Sie müsse ihre Kinder schützen und befürchtete, dass Jugendamt könne sie ihr wegnehmen.
Am 2. März wird die Verhandlung fortgesetzt, dann mit der Befragung jener Bekannten aus dem Chat, die die Frau bitten wollte, dem Mann zu verzeihen.