Witten. Der Finne Topi Tjukanov hat die Weltkarte der bekanntesten Persönlichkeiten erstellt. 14 Wittener stehen drauf. Doch die Auswahl ist zweifelhaft.
Eine ganz besondere Weltkarte gibt es jetzt im Internet zu entdecken: Der finnische Designer und Karten-Bastler Topi Tjukanov hat eine virtuelle Weltkarte der Promis angefertigt. Der Name des Werks: „Notable People“ – zu deutsch: bemerkenswerte Persönlichkeiten. Die gibt es an nahezu jedem Ort der Welt. Aber wen finden wir in Witten?
Zunächst zum Hintergrund: Topi Tjukanov entwickelte die Karte mit Hilfe von Mapbox, seinem Arbeitgeber, einem amerikanischen Anbieter von benutzerdefinierten Online-Karten, Mitte dieses Jahres. Sein Werk brachte ihm innerhalb kürzester Zeit eine Menge Aufmerksamkeit ein. Die Methode dahinter: Die Bekanntheit einer Person wird auf Grundlage von Informationen aus Wikipedia und Wikidata (Länge der Einträge, durchschnittliche Anzahl der Aufrufe zwischen 2015 und 2018) berechnet. Basis ist eine Studie von Forschern der Universität Paris. Wie sie die Daten genau gesammelt haben, lässt sich mit einem Klick erfahren.
14 Namen aus Witten stehen auf der Weltkarte
Und auch sonst funktioniert diese virtuelle Weltreise per Mausklick. Wer die Adresse der Seite eingibt, sieht zunächst nur einen Globus. Beim Blick auf Europa fallen die Namen Adolf Hitler, Winston Churchill, Leonardo da Vinci, Pablo Picasso und Cristiano Ronaldo ins Auge – Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen also. Aufteilen lassen sie sich in die Kategorien Kultur, Wissenschaft, politische Führer und Sport.
Scrollt man sich in die Karte hinein, kommt Deutschland ins Bild. Eine Vielzahl weiterer Namen taucht auf – Goethe, Merkel, Einstein, Bach und Luther. Zieht man die Karte noch größer, wird es unübersichtlich. Deshalb besser rasch umstellen auf die Städtenamen, das Ruhrgebiet anpeilen und dann Witten weiter vergrößern. Dann erscheinen die Namen der „bemerkenswerten Persönlichkeiten“, die in der Ruhrstadt geboren sind.
Auf den ersten Blick scheinen es neun zu sein: Hermann Müllensiefen, Wilhelm Utermann, Joseph Schmidt-Görg, Friedrich Schmidt, Ernst Nolte, Gustav Knepper, Carl Ludwig Berger, Günter Hellwing und Paul Pleiger. Doch Vorsicht – der Button „All“ täuscht. Er zeigt nicht alle, sondern nur eine Auswahl. In der Rubrik Kultur kommt noch Schauspieler Jochen Nickel dazu, bei Führerschaft Hugo Kraas, Albert Martmöller und Paul Steup und bei Sport tatsächlich endlich eine Frau – Fußballspielerin Alexandra Popp.
Nicht alle Namen sind geläufig
Deren Name wird den meisten vermutlich etwas sagen. Bei einigen der anderen darf man daran zweifeln. Der Industrielle Berger ist in Witten natürlich ein Begriff, die Glas-Dynastie der Familie Müllensiefen auch. Und die anderen? Nolte war Historiker, Schmidt-Görg Musikwissenschaftler, Steub CDU-Politiker, Martmöller Gewerkschafter. Friedrich Schmidt war Widerstandskämpfer in der NS-Zeit – Knepper, Pleiger, Utermann, Hellwing und Kraas gelten laut Wikipedia hingegen als aktive Unterstützer des Nazi-Regimes.
Kann das eine repräsentative Auswahl der namhaften Wittener sein? Die Liste der berühmten Wittener bei Wikipedia umfasst schließlich mehr als 100 Namen. Auch Martina Kliner-Fruck hegt daran großen Zweifel. Die Leiterin des Stadtarchivs hält schon die Methodik der Weltkarte für bedenklich. Einen Wikipedia-Eintrag zum Maßstab zu machen, sei wenig aussagekräftig, meint sie. Denn schließlich würden die Beiträge im beliebten Online-Lexikon meist nicht von Historikern, sondern aus persönlichem Interesse erstellt. „Und über 90 Prozent der Schreiber sind Männer“, sagt sie.
Männlicher Blick auf die Geschichte
Der immer noch überwiegend männliche Blick auf die Geschichte spiegele die fragwürdige Auswahl auf der Weltkarte leider ebenso wider, wie das große Interesse vieler Nutzer an Militärgeschichte und am Nationalsozialismus. „Die Artikel werden einfach oft geklickt.“ Was sie übrigens ziemlich ärgert. Denn die Hobby-Forscher würden „gerne einfach nur Artikel aus Zeitung und Internet zitieren, anstatt sich in den Archiven wirklich zu informieren“.
Wenn es nach Martina Kliner-Fruck ginge, stünden andere Namen auf der Weltkarte. „Wo ist beispielsweise Otto Schott?“, wundert sie sich über das Fehlen des Erfinders des Jenaer Glases. Unter anderem. Auch die Politikerinnen Martha Dönhoff und Rosi Wolfstein-Frölich müssten draufstehen, sagt sie. Und ja, auch Schauspielerin Tanja Wedhorn.
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Wobei: Eigentlich wäre es der Historikerin lieber, wenn nicht der Geburtsort, sondern die Wirkungsstätte eines Menschen Eintrag in die Weltkarte finden würde. „Denn daran kann man die Bindung an eine Stadt viel mehr festmachen.“ Muss die Promi-Weltkarte also umgeschrieben werden? Eigentlich schon. Aber Martina Kliner-Fruck bleibt diplomatisch: „Nun ja – man kann ja mal mit dieser Version anfangen.“