Witten. Schauspieler Jochen Nickel hat mit großen Regisseuren gedreht. Und ist bodenständig geblieben. In Witten besucht er gerade seine Eltern.

  • Schauspieler Jochen Nickel (Schindlers Liste, Tatort) ist in Witten aufgewachsen und lebt heute in Berlin
  • Die Eltern des 58-Jährigen sind in Bommern zuhause, wo er gerade zu Besuch ist
  • Gerade stand Nickel für einen neuen Rosamunde-Pilcher-Film vor der Kamera

Ein großer Garten mit Teich, nebenan grasende Schafe. Hier ist es herrlich grün und herrlich still. Treffen mit Schauspieler Jochen Nickel bei seinen Eltern in Bommern, die der Wahl-Berliner regelmäßig besucht. Wäre es nach Nickels Vater Gerd gegangen, hätte der Sohn einst sein Tiefbau-Unternehmen übernommen. Doch der hatte andere Pläne und wurde deutschlandweit bekannt durch seine Rollen als Unteroffizier Manfred Rohleder („Rollo“) in Joseph Vilsmaiers Film Stalingrad und als SS-Hauptscharführer in Steven Spielbergs Hollywood-Streifen Schindlers Liste. Vor wenigen Wochen hat der gebürtige Wittener für einen neuen Rosamunde-Pilcher-Film in Cornwall vor der Kamera gestanden.

Sie sind gut beschäftigt.
Jochen Nickel:Im letzten Jahr war es ruhig. Aber in diesem Jahr habe ich schöne Projekte. Ich bin in verschiedenen Genres unterwegs und finde das auch sehr spannend. Im Pilcher-Film, der gerade fertig geschnitten ist, spiele ich einen Fischer. Der Arbeitstitel heißt: „Wenn Fische lächeln“. Cornwall ist ein Traum! In der nächsten Woche fahre ich zum Bodensee, dort drehe ich etwas für die Krimi-Serie „Wasserpolizei Bodensee“ (ARD). Es geht um zerstrittene Brüder, ich bin ein Obstbauer.

Jemand hat einmal geschrieben, Sie seien der bekannteste Schauspieler Deutschlands in den Nebenrollen.
(schmunzelt) Ich fühle mich in diesen Rollen sehr wohl. Ich habe nichts dagegen, auch mal eine Hauptrolle zu spielen. Das kommt ja auch immer mal vor. Was ich einmal gerne spielen würde, wäre Van Gogh. Viele sagten, ich hätte mit ihm Ähnlichkeit.

Jochen Nickel in Berlin zusammen mit seiner Freundin, Architektin Camila Préve.
Jochen Nickel in Berlin zusammen mit seiner Freundin, Architektin Camila Préve. © Imago

Sie haben mit sehr erfolgreichen Regisseuren zusammengearbeitet wie Adolf Winkelmann bei Nordkurve, mit Doris Dörrie bei Happy birthday, Türke und Joseph Vilsmaier bei Schlafes Bruder. Sie waren oft im Tatort und anderen Krimis zu sehen. Eine klassische Ausbildung als Schauspieler haben Sie nicht?
Genau. Ich bin gelernter Straßenbauer, habe im Betrieb meines Vaters gearbeitet. Während meiner Bundeswehrzeit in Wuppertal-Ronsdorf habe ich an einem Theaterworkshop in der Wittener Werkstadt teilgenommen. Das hat mir sehr viel Freude gemacht. Wir traten auf Kleinkunstbühnen im Ruhrgebiet auf, sind rumgetingelt. Nach der Bundeswehrzeit kam Joe Bausch (Tatort-Gerichtsmediziner Dr. Joseph Roth), den ich kannte, auf mich zu und sagte: Komm doch zu uns zum Theaterpathologischen Institut (ein Ensemble). Mit denen habe ich vier Jahre Theater gespielt. Wir haben damals die Bühne selbst gebaut, die Stücke selbst gemacht. Da konnte man experimentieren. Mein Vater war nicht begeistert, dass ich kurz vor meiner Meisterprüfung hingeworfen habe. Ich bin nach München gegangen, habe dort auch Fahrer-Jobs gemacht. Dann ging es los mit Kurzfilmen an der Münchner Filmhochschule. Das war mein Filmstart.

1989 standen Sie für die zweite Staffel von Roland Emmerichs Fernsehserie Rote Erde vor der Kamera.

Jochen Nickel (re.) im Film Stalingrad (1993) als Unteroffizier Manfred Rohleder (re.).
Jochen Nickel (re.) im Film Stalingrad (1993) als Unteroffizier Manfred Rohleder (re.). © Imago /United Archives

Ja. Da mussten ja Leute aus dem Ruhrgebiet mitmachen. Und dann ging es in wenigen Jahren richtig los – mit Schindlers Liste, mit Stalingrad (beides 1993). Joseph Vilsmaier bat mich für Stalingrad zu einer Kostümprobe. Da musste ich eine Uniform anziehen. Er guckte mich an und sagte: Das passt doch. Du spielst den Rohleder, den Rollo. Dann kam aber nichts. Ich war wochenlang völlig aufgeregt. Nach rund zwei Monaten habe ich wieder etwas von ihm gehört. Vilsmaier hat zwischendurch für den Film Geld aufgetrieben. Stalingrad zeigt den puren Schrecken und das Grauen des Krieges. Es gibt da keine Helden. Mit der Rolle habe ich mich sehr auseinandergesetzt.

Wie war die Zusammenarbeit mit Hollywood-Regisseur Steven Spielberg bei Schindlers Liste? Sie haben im Film einen SS-Hauptscharführer gespielt.
Das war ein besonderes Erlebnis. Steven Spielberg ist ein Regisseur, an dem sich viele ein Beispiel nehmen können. Weil er auf Augenhöhe mit den Leuten gearbeitet hat. Er sieht in einem nicht die Nummer oder das Material. Spielberg ist ein Weltstar, der Mensch ist. Er steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Ich war sehr beeindruckt von seiner Arbeitsweise. Er weiß: Ich mache den Film nicht alleine. Ich war im Film als SS-Hauptscharführer der „Schäferhund“ von SS-Offizier Amon Göth, erklärte ihm das Ghetto.

Gerade haben Sie für die künftige TV-Serie Capelli Code gedreht, die 2018 fertig sein soll. Worum geht es da?
Das ist eine Entführungsgeschichte. Ich war zum Dreh im Wallis, wir haben in den Bergdörfern gedreht. Ich spiele den Vater der vermissten Marie, der ein religiöser Fanatiker ist. Im Oktober und November geht es in Berlin weiter. Dabei werde ich Klaus-Maria Brandauer kennenlernen. Das Geld für dieses Filmprojekt wurde übrigens über Investoren zusammengetragen. Was toll ist: Da ist so viel Begeisterung seitens der Produktion, die so eine Lust hat, den Film zu machen. Auch die Schauspieler sind begeistert. Auf welchem Sender das zu sehen sein wird, ist aber noch nicht klar.

Achtsamkeit, sagt Jochen Nickel, sei ihm sehr wichtig. Der 58-Jährige meditiert, macht Yoga, unterrichtet dies auch und ernährt sich vegan.
Achtsamkeit, sagt Jochen Nickel, sei ihm sehr wichtig. Der 58-Jährige meditiert, macht Yoga, unterrichtet dies auch und ernährt sich vegan. © Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Sie sind in Witten aufgewachsen, haben auf der Otto-Schott-Realschule die Mittlere Reife gemacht.
Ja, später habe ich auch in Hamburg und München gelebt und elf Jahre auf Mallorca in Palma. Jetzt lebe ich ja in Berlin, aber ich bin immer noch in Witten gemeldet. Früher bin ich gerne ins Klimbim gegangen. Was da im Wiesenviertel alles entstanden ist, ist großartig und spannend. Ich hoffe, dass das dort auch so weitergeht. Es gibt ja sogar einen Unverpackt-Laden. In meinem Berliner Kiez finde ich den nicht.

Sie machen täglich Yoga und meditieren, leben vegan. Warum?
Ich möchte Dinge bewusst tun, bewusst in den Tag gehen. Ich habe einen BBC-Bericht über Massentierhaltung gesehen und mich spontan bei einem Tatort-Dreh entschieden: Ab heute kein Fleisch mehr! Ich koche leidenschaftlich gerne und probiere viel in der veganen Küche aus, aber alles einfach, simpel. Das ist ein Abenteuer. Ich mag auch gerne Rohkost. Yoga mache ich seit acht Jahren. Ich möche geistig und körperlich in Bewegung sein.