Witten. Einer jungen Wittenerin liegt das Thema Demenz sehr am Herzen. Sie möchte Betroffene mit ihrer Forschung unterstützen. Dafür benötigt sie Hilfe.

Wie sich Menschen mit Demenz in der Ruhrstadt orientieren – diese Frage möchte Saskia Kuliga mit ihrer Forschung beantworten. Sie arbeitet am Standort Witten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) an der Stockumer Straße in Annen. Für ihr Projekt sucht die promovierte Psychologin nun von Demenz Betroffene, die ihre eigene Perspektive schildern. Denn es gehe bei diesem Ansatz um Forschung „auf Augenhöhe“.

Ein Jahr lang möchte Kuliga, die im Ruhrgebiet aufgewachsen ist und nach beruflichen Aufenthalten in aller Welt wieder in Witten lebt, sich alle ein bis zwei Wochen etwa eine Stunde oder nach Vereinbarung mit den Menschen treffen. „Das kann in der Gruppe sein, aber auch einzeln, wenn sich jemand nicht in die Gruppe traut“, sagt die Wissenschaftlerin. Sie könne sich auch vorstellen, einfach spazieren zu gehen. Schließlich soll es um räumliche Orientierung und die Frage gehen: „Was gibt Ihnen Sicherheit, sich unterwegs allein zurechtzufinden?“

Wittenerin möchte Menschen mit Demenz das Leben erleichtern

Bei der Runde um den Block könnten die Betroffenen – gesucht werden Männer und Frauen in frühen Phasen der Erkrankung – dann gleich auf ihre Schwierigkeiten hinweisen. Menschen mit Demenz, das weiß Saskia Kuliga auch aus Erfahrung, kommen häufig außerhalb der eigenen Wohnung nicht mehr klar und trauen sich deshalb kaum noch vor die Tür. Obwohl sie vielleicht ihr ganzes Leben dort verbracht haben, wissen sie zum Beispiel plötzlich nicht mehr: Geht es rechts oder links in die Innenstadt? Und wo liegt eigentlich Hattingen?

Ihnen diese Situation zu erleichtern, ist Ziel des Forschungsprojekts. Lösungen könnten etwa andere oder neue Schilder sein. „Bei Demenz ändert sich die Wahrnehmung. Kontraste sind wichtig. Vielleicht ist aber auch nur die Schrift zu klein oder es fehlen wichtige Informationen“, zählt Kuliga auf. Doch es gehe nicht bloß um die richtige Beschilderung. Möglich wäre auch, dass sich Betroffene nur in Begleitung sicher fühlen. Entsprechende Erkenntnisse könnten aber auch die Situation in Pflegeeinrichtungen verbessern.

Forschungsergebnisse könnten Stadtplanern helfen

Auf jeden Fall soll, was letztlich dabei herauskommt, nicht in der Schublade verstauben. „Wir forschen gemeinsam auf Augenhöhe und gelangen darüber zu Erkenntnissen. Diese arbeite ich auf und publiziere die Ergebnisse.“ Stadtplaner beispielsweise könnten diese dann nutzen, um den städtischen Raum demenzfreundlicher zu gestalten. Kuliga: „Unser Ziel ist es, langfristig etwas für Menschen mit Demenz zu erreichen. Für die nächste Generation wird das viel bringen.“

Infoveranstaltung

Der Standort Witten unter der Leitung von Prof. Dr. Martina Roes ist eine von zehn bundesweiten Niederlassungen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Es gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und arbeitet eng mit der Uni Witten/Herdecke zusammen. Das Projekt wird gefördert von der Stiftung „Deutsche Demenzhilfe“.

Eine Infoveranstaltung dazu findet am Mittwoch, 28. September, um 10.30 Uhr in der Stadtbibliothek (Husemannstraße 12) statt.

Menschen mit Demenz, aber auch deren Angehörige, können spontan vorbeikommen oder sich anmelden: 02302 926 245 oder

Damit das klappt, ist die junge Wissenschaftlerin auf den unmittelbaren Kontakt zu Menschen mit Demenz angewiesen. Jedoch sei es schwierig, an diese heranzukommen. Sie habe bereits Flyer ausgelegt und die entsprechenden Netzwerke kontaktiert. Doch die Hürde, sich zu melden und mitzumachen, sei offenbar einfach zu hoch.

„Demenz ist immer noch ein Tabu-Thema“, sagt Saskia Kuliga. Doch in den letzten beiden Jahren habe man herausgefunden: Es bringt so viel, die betroffenen Menschen in die Forschung einzubinden. „Sie können viel darüber erzählen, wie sie ihren Alltag wahrnehmen.“ International, so Kuliga, werde schon entsprechend gearbeitet. Ihr selbst sei dies ein Herzensanliegen. „Ich glaube daran, dass die Menschen selbst am besten wissen, wie sie mit Demenz leben. Das will ich verstehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Ich bin mir sicher, sie haben viel zu erzählen.“