Witten. Kitas in Witten leiden unter Personalmangel – auch wegen Corona. In einer ist die Situation besonders dramatisch. Einen Lichtblick gibt es.

Das System Kita stehe vor einem Kollaps, warnte unlängst der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung. Ursache sei laut einer Umfrage unter Kita-Leitungen der „katastrophale Personalmangel“. Ganz so dramatisch sei die Situation in Witten nicht, sagen Stadt und Awo EN, die Träger von jeweils acht Kitas in der Ruhrstadt sind. Beide bewerten die Lage aber durchaus als „brenzlig“. Corona habe diese Situation zusätzlich verschärft.

„Es wird noch heftiger, wenn ab 2026 das Recht auf einen OGS-Platz kommt und noch mehr Fachkräfte nötig sind“, schätzt Mareike Lindemann, stellvertretende Leiterin der städtischen Kita Erlenschule in Annen. In der Einrichtung mit ihren 105 Kindern sei aktuell eine Fachkraftstelle unbesetzt. Man könne dies auffangen, weil andere aus dem Team ihre Stundenzahl vorübergehend aufgestockt hätten.

Stadt Witten: Situation in Kita Vormholz „kritisch“

An der Kita Vormholz in Witten ist die Personallage laut Stadt Witten aktuell besonders schwierig.
An der Kita Vormholz in Witten ist die Personallage laut Stadt Witten aktuell besonders schwierig. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Richtig kritisch sieht es dagegen seit einigen Wochen in der städtischen Kita Vormholz aus. Zwei Erzieherinnen sind schwanger, dazu gibt es Infizierte. „Wir mussten dort Gruppen zusammenlegen und sogar eine Notgruppe einrichten“, erklärt Heiko Müller, beim Jugendamt für die Kitas zuständig. Die Eltern liefen Sturm. Gerade erst habe ein Gespräch zwischen Träger, Kita-Leitung und Elternbeirat stattgefunden.

Auch in anderen Kindergärten häuften sich die Krankheitsausfälle, gerade wegen Corona und Fehlzeiten, die wiederum aus der monatelangen Belastungssituation mit stark reduzierter Mitarbeiterzahl resultieren. „Pausenlos und händeringend“, so Müller, sei die Stadt auf der Suche nach Kita-Personal. Sie schalte Dauerausschreibungen, um Abhilfe schaffen zu können.

Stadt Witten stellt fünf neue Erzieherinnen ein

Die gute Nachricht: Die Stadt hat fünf neue Erzieherinnen eingestellt, zwei davon direkt nach der Ausbildung. Sie starten allerdings erst zum neuen Kindergartenjahr im Sommer. In der nächsten Woche sollen zudem Auswahlgespräche mit vier möglichen Ergänzungskräften stattfinden. Auch die Awo EN versuche, Löcher mit Azubis zu stopfen, sagt Heike Wallis-van der Heide, Bereichsleiterin „Kinder und Familie“.

61 Infizierte in acht Kitas

Wie viele Anmeldungen für das neue Kindergartenjahr 2022/23 vorliegen und wie viele Plätze fehlen, kann die Stadt aktuell nicht sagen. Aufgrund des Hackerangriffs seien die Daten noch nicht verfügbar, so Heiko Müller vom Jugendamt.

Allein bei der Kita Erlenstraße stehen 80 Kinder – darunter jedoch auch solche, die noch in anderen Kitas angemeldet sind – auf der Warteliste, sagt das Leitungsteam.

Kreisweit gibt es (Stand 14.4.) größere Corona-Ausbrüche in 23 Kitas sowie Einzelfälle in 28 weiteren Kitas. In Witten sind acht Kitas von Ausbrüchen mit insgesamt 61 Infizierten betroffen. Die Zahl der positiv Getesteten in den betroffenen Kitas schwankt zwischen fünf und 16.

An der Kita Erlenschule bemühen sie sich derweil, den Betrieb weitestgehend aufrechtzuerhalten. „Im Krankheitsfall kommt man lieber einmal zu viel zur Arbeit“, sagt Vize-Leiterin Mareike Lindemann, „weil man weiß, dass es ohnehin schon eng ist.“ Die Pandemie habe auch ihnen zugesetzt. Dreimal musste die Kita schließen. Inzwischen sind alle 27 Mitarbeiterinnen geimpft, geboostert – und genesen. Nur drei blieben bisher von Corona verschont.

Wittener Erzieherinnen wünschen sich kleinere Gruppen

Wenn sie der Pandemie etwas Gutes abgewinnen könne, dann dies: „Als wir geschlossen hatten, haben die Familien gemerkt, was Kita leistet. Wir waren auf einmal systemrelevant“, so Lindemann. Vorher habe es manchmal ein wenig geringschätzig geheißen: Ach, so ein bisschen Kita-Arbeit, sagt Leiterin Sandra Brück-Peters. Doch im Lockdown hätten Eltern gemerkt, dass ihre Kinder nicht ausgelastet sind, dass sie das Miteinander mit Gleichaltrigen brauchen. „Die Kinder kommen nicht nur zum Spielen her. Wir fördern sie auch in ihrer Entwicklung.“

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Wenn sie sich etwas wünschen dürften, wären das „kleinere Gruppen bei gleichem Personal“, ist sich das Leitungsteam einig. Denn Auffälligkeiten würden schon bei Kita-Kindern zunehmen und eigentlich eine intensivere Arbeit erfordern. Eine bessere Bezahlung, vor allem als Anreiz für Berufsanfänger, könne auch nicht schaden. Doch vorerst müssen sie mit Personalengpässen leben. Das Schlimmste daran: „Ich betreue die Kinder dann nur und erziehe sie nicht“, sagt Mareike Lindemann. „Und das macht einen selbst unglücklich.“