Witten. Die Corona-Ausbrüche in Kitas erreichen einen neuen Höchststand. Beschäftigte aus Witten schlagen Alarm. Was sie vom Familienminister fordern.

Die Corona-Ausbrüche in den Kitas haben einen neuen Höchststand erreicht. Kreisweit waren am Freitag noch 72 Kindergärten betroffen, auch in Witten. Die Leitungen evangelischer Kitas schrieben jetzt einen Brandbrief an NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP).

Ein Viertel des Personals im Kita-Verbund an Corona erkrankt

Mit scharfen Worten wird das Vorgehen des Ministers kritisiert. „Wir äußern den Verdacht, dass aktuell auf Kosten der Gesundheit der Kinder und der Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eine Durchseuchung stattfindet. Dies geschieht, damit Sie sich nicht den Unmut der Eltern zuziehen, wenn die Tageseinrichtungen offiziell geschlossen werden.“ Aufgrund der hohen Corona-Fallzahlen unter den Kindern und den Beschäftigten lasse sich der Betrieb aber häufig nicht aufrechterhalten. „Dann müssen wir Leitungen die Verantwortung übernehmen und ziehen uns den Unmut der Eltern zu.“

Sorge um Zunahme der personellen Engpässe

Nach Angaben des Kreises sind von den Corona-Ausbrüchen die Evangelische Kita Annen (12 Fälle) und der AWO-Kindergarten an der Kreisstraße (15 Fälle) betroffen.

Der Personalmangel in den Kitas ist derzeit schon massiv, erklärt die Geschäftsführerin des evangelischen Kita-Verbundes. Eine gewisse Entlastung bringe der Einsatz von so genannten Alltagshelferinnen und -helfern mit sich. Aber das Beschäftigungsprogramm sei befristet und laufe Ende Juli aus. Danach besteht die Gefahr weiterer personeller Engpässe.

Allein in dieser Woche blieben vier der 20 evangelischen Einrichtungen im Kita-Verbund Witten-Hattingen geschlossen, sagt Geschäftsführerin Angelika Arend. Dazu gehörten in Witten die Kitas Christuskirche an der Sandstraße und die Kita Brunebecker Straße. Seit Anfang Januar seien mit 75 Beschäftigten rund ein Viertel aller Erzieherinnen und Erzieher im Verbund an Corona erkrankt. Die Zahl der Kinder haben sich mittlerweile auf 120 erhöht. Vermutlich seien es aber noch mehr Kinder, denn einige Eltern informieren „leider weder das Gesundheitsamt noch die Kindergärten über positive Testungen“.

In ihrem Brief an Stamp bemängeln die Kita-Leitungen ferner, dass die aktuell gelieferten Lolli-Tests Ergebnisse nicht zuverlässig anzeigten. „In den meisten Fällen waren die Selbsttests negativ“, während dann der zertifizierte Bürgertest positiv ausgefallen sei. Um aber den Betrieb „einigermaßen regulär aufrechtzuerhalten“, seien brauchbare Tests zwingend erforderlich.

Für Kinder sei der Besuch in der Kita ungemein wichtig, damit sie soziale Kontakte haben. Doch von einem „normalen“ Alltag sei man inzwischen weit entfernt. „Die Fachkräfte sind an ihrer absoluten Belastungsgrenze“, heißt es in dem Schreiben.

Zusätzliche Arbeitsbelastung in der Pandemie

Die Beschäftigten gehörten zu den wenigen Berufsgruppen, die sehr engen Kontakt zu vielen nicht geimpften Personen haben, die zudem keine Maske tragen, sagt Angelika Arend vom ev. Kita-Verbund. Obwohl die Erzieherinnen und Erzieher zu 95 Prozent geboostert seien und Maske tragen, komme es dennoch zu der hohen Zahl an Ansteckungen. „Jede lange Erkrankung, jedes Beschäftigungsverbot gleicht einer Katastrophe“, steht in dem Brief an den Minister. „Die Bedingungen zerren an den Nerven und machen krank. Alle geben ihr Bestes, aber das reicht schon lange nicht mehr.“

Die Kita-Leitungen erinnern daran, dass sie nicht nur die pädagogische Arbeit zu leisten haben, sondern in Corona-Zeiten noch weitere Aufgaben erfüllen müssen. Über neueste Verordnungen informieren, einen guten Kontakt zum Gesundheitsamt herstellen und für aktuelle Hygienekonzepte sorgen – all das gehöre dazu.

Man fühle sich „allein gelassen, abgehangen“ und als sei „unsere Gesundheit nicht wichtig“. Vom Familienminister fordern sie, dass die Arbeit in den Kitas mehr Anerkennung findet. Der übliche Betrieb müsse sichergestellt sein. Sie laden Joachim Stamp „gerne“ ein, um ihm in einer der Kitas die Situation vor Ort zu erläutern. Eine Rückmeldung aus Düsseldorf sei bislang noch nicht erfolgt, sagt Angelika Arend.