Witten. Frauen in Witten fühlen sich durch Corona belasteter als Männer. Auch sorgen sie sich mehr um Verwandte und die Zukunft. Woran das liegt.

Wie geht es unseren Leserinnen und Lesern nach einem Jahr Pandemie? Das wollten wir mit unserem Corona-Check herausfinden. Die Auswertung zeigt: Männer und Frauen sind unterschiedlich stark von den Auswirkungen der Krise betroffen. Auf den Wittenerinnen lastet die Ausnahmesituation und ihre Folgen schwerer als auf ihren männlichen Mitbürgern.

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„Wie sehr belastet Sie die Corona-Krise persönlich?“ lautete eine Frage in unserem Corona-Check. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (sehr stark) lagen die antwortenden Frauen mit einem Wert 3,5 deutlich über den Männern (3,17).

Beraterin für EN und Witten: „Frauen habe in der Krise sehr viel aufgefangen“

Ein Ergebnis, das Andrea Stolte nicht überrascht. „Frauen haben in der Krise sehr viel aufgefangen“, sagt die Leiterin der Frauenberatung EN. Sie seien ohnehin noch immer meist mehr als Männer für die in den Familien anfallende „Care“-Arbeit zuständig, also diejenigen, die sich darum kümmern, dass es zuhause rund läuft. Ohne Schule und Kita musste nun „noch mehr versorgt, eingekauft, gekocht werden“, so Stolte.

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Bei Eltern mit schulpflichtigen Kindern etwa sei das Homeschooling, das Kümmern um die Schulsachen zuhause, sehr oft Aufgabe der Mutter – selbst wenn beide Elternteile im Home-Office arbeiten, also im Büro daheim. „Die Aufteilung war dann oft, dass der Mann in Ruhe arbeitet, die Frau die Kinder versorgt, gleichzeitig noch arbeitet und sich um das Homeschooling kümmert“, erzählt die Beraterin aus ihrem Alltag. „Das ist eine enorme Belastung.“

Psychische Belastungen, Schlafstörungen und gesundheitliche Probleme

Daher habe auch das Thema Überforderung in den Beratungsgesprächen im letzten Jahr stark zugenommen, so die 58-Jährige. Frauen berichteten von psychischen Belastungen, Schlafstörungen, aber auch gesundheitlichen Problemen. Zudem fehlte durch die Kontaktbeschränkungen ein Ausgleich, etwa das Treffen mit Freundinnen, im Verein oder der Sport. Stolte: „Das hat große Auswirkungen auf das Gefühl der Überlastung.“

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Davon berichtet auch eine alleinerziehende Mutter in unserer Umfrage. „Es ist anstrengend, meine Kinder durch den Schulalltag alleine zu begleiten“, schreibt sie. „Das Ganze ist eine ziemliche Herausforderung für mich als Mama. Wir halten uns wacker. Aber ich habe Federn gelassen. Ich bin unendlich erschöpft, so unfassbar müde und sehr kraftlos.“

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Größere Sorge um die Eltern und Großeltern

Noch größer als bei der allgemeinen Belastung durch die Krise war der Unterschied zwischen den Geschlechtern nur bei unserer Frage nach der Sorge um Eltern und Großeltern. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 5 (extrem) zeigen sich die Umfrageteilnehmerinnen mit einem Wert von 3,13 deutlich besorgter als Männer (2,67).

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„Wer versorgt denn die Eltern und übernimmt die Verantwortung für sie?“ erklärt Andrea Stolte diesen Unterschied. Zum Großteil seien das eben immer noch die Frauen. „Und sie wissen, wie sehr die älteren Verwandten gelitten haben, weil sie keine Kontakte haben durften.“

Frauen blicken pessimistischer in die Zukunft

In unserem Corona-Check blicken die Teilnehmerinnen auch pessimistischer in die Zukunft. Für Andrea Stolte ist das ein Resultat der Erfahrungen des letzten Jahres. „Viele Frauen wurden zurückgeworfen in die Rolle der Versorgerin zuhause. Das hat viele erschreckt.“ Das könnte auch mit ein Grund dafür sein, dass die Wittenerinnen – mehr noch als die Wittener – das Gefühl haben, dass sich ihr Verhältnis zum Partner im Laufe der Pandemie verschlechtert habe. Hinzu kommt: „Die Lockdowns waren ein Stresstest für Beziehungen.“ Wo es zwischen den Partnern ohnehin schon schwierig war, habe sich die Situation mit Corona extrem verschlechtert.

Anstieg häuslicher Gewalt im Lockdown

Will man die spezifische Situation von Frauen betrachten, gehört dazu auch das Thema häusliche Gewalt. Schon zu Beginn des ersten Lockdowns warnte die Frauenberatung (02302 – 525 96) vor einem Anstieg. Und die Befürchtungen haben sich bestätigt. So sei etwa die Zahl der Wegweisungen von gewalttätigen Männern nach Polizeieinsätzen deutlich gestiegen, sagt Stolte. „Es eskaliert schneller, die Nerven liegen blank.“

Gleichzeitig würde aber auch das Angebot zur Prävention verstärkt wahrgenommen. Das heißt: Mehr Männer, die befürchten gewalttätig werden zu können, wenden sich an die Beratungsstelle. Hilfe und Informationen gibt es unter der 02336 – 475 90 94.

Die Teilnehmerinnen des Corona-Checks sehen aufgrund der Pandemie auch stärkere Folgen für ihre finanzielle und berufliche Situation. Noch schlägt sich das nicht bei der Schuldnerberatung nieder. Man erwartet dort aber einen Anstieg an Anfragen durch Frauen. „Denn sie arbeiten seltener in Vollzeit, sind häufiger geringfügig beschäftigt und zudem häufiger in besonders betroffenen Branchen wie der Gastronomie oder im Hotelgewerbe tätig“, sagt Heidrun Schulz-Rabenschlag von der Diakonie Mark-Ruhr. Dort ist man sich ebenfalls einer „deutlichen Doppelbelastung“ der Frauen bewusst.