Neviges. In Velbert schließt die Buchhandlung Rüger. Die Traurigkeit bei den Nevigesern ist groß – da kann auch die neue Ladennutzung kaum trösten.
Sie werden so vieles vermissen: die große Auswahl, die gemütliche Atmosphäre, vor allem aber „Frau Lassen“ und „Frau Utter“, so sagen die Menschen in der Fußgängerzone: Die Buchhändlerinnen Elke Lassen und Anette Utter stehen seit fast 20 Jahre in der Buchhandlung Rüger für eine gute Beratung. Kennen ihre Stammkunden und deren Vorlieben, oft auch die der Kinder und Enkel. Wissen meistens ziemlich genau, was in deren Bücherschrank steht, auf welche Neuerscheinung die Ehefrau abfährt. Wer in Velbert-Neviges ein Buch haben möchte. ob für sich selbst oder andere, der geht in das gemütliche Geschäft mit den niedrigen Decken, in dem man sich einfach gleich wohl fühlt. Doch damit ist bald Schluss, im Herbst geht in der Buchhandlung Rüger das Licht aus.
Inhaber Alexander Rüger hat den Mietvertrag zum 31. Oktober gekündigt, wie Vermieter Detlev Sostak bestätigt. Über die Gründe hätte die WAZ gern mit Inhaber Alexander Rüger gesprochen, doch dessen Reaktion war bei mehrmaliger Anfrage stets gleich – keine Zeit. Neviges ohne Rüger, das mag sich auch Birgit Dywicki, die ums Eck am Kirchplatz wohnt, nicht vorstellen. Und dass am 1. Dezember Fotografin Isabelle Ulrich an dieser Stelle ein Studio eröffnet und es somit keinen Leerstand gibt, findet man bei unserer kleinen Umfrage in der Fußgängerzone wohl „ganz nett“. Aber da gibt’s eben keine Bücher. Und auch keine Frau Lassen und Frau Utter.
„Ja, das ist sehr traurig. Ich habe da früher auch Spielzeug gekauft, als die Kinder noch klein waren. Und hab auch gerne Gutscheine verschenkt“, sagt Birgit Dywicki und schüttelt betrübt den Kopf. „Aber ich kann es auch verstehen. Die Nevigeser gehen überall hin, um einzukaufen. Nur nicht dahin, wo sie leben. Da muss man sich nicht wundern.“
Schon vor 20 Jahren hier in Neviges die Kinderbücher gekauft
Auch Klaus Malangeri sieht den Weggang der Buchhandlung mit viel Wehmut. „Wir haben hier schon vor 20 Jahren gekauft, als der Laden noch in der Passage war. Die ganzen Kinderbücher unserer jetzt erwachsenen Tochter Sara. Und auch sonst alles. Bücher, die nicht vorrätig waren, die wurden bestellt. Die beiden Damen haben sich immer unheimlich viel Mühe gegeben.“
„Neviges wird immer toter“
Ute Krumm holt tief Luft und legt dann los: „Ich lese ja auch viel E-Books, aber trotzdem: Neviges wird immer toter, das Bestellen hat uns kaputt gemacht.“ Für sie sei das Internet, der Online-Handel einer der Gründe. „Das ist sehr, sehr schade. Ich werde dann wohl nach Wülfrath fahren.“ (Anm. In Wülfrath betreibt Buchhändler Alexander Rüger künftig sogar zwei Filialen). Die Schließung in Neviges macht Ute Krumm gleichermaßen traurig und wütend. „Hier ist bald nichts mehr, alles macht dicht. Gassmann, Rossmann. Wenn Velbert nicht zehn Handy-Läden hätte, wäre Velbert auch tot.“ Und zur Buchhandlung Rüger: „Die sind da immer so nett, packen auch alles so schön ein.“
„Nicht nachvollziehbar“ ist das Aus für Christa Neureiter. „Komisch, der Laden lief doch. Immer, wenn ich drin war, dann war da auch was los. Meine Tochter hat da alles gekauft.“ Und weiter: „Ich lese auch viel, aber ich gehe auch schon mal in die Stadtbücherei.“
Da sie viel E-Books liest, fühlt sich ihre Bekannte Karin Schlüter zwar nicht unmittelbar betroffen – wehmütig stimmt sie der bevorstehende Abschied aber schon. „Da habe ich für meinen Enkel früher immer die „Schleich“-Tiere gekauft.“ Jene Tierfiguren, die Kinderherzen höher schlagen lassen, auch die gab es bis vor Kurzem im „Traumland Rüger“ zu kaufen, der kleinen, feinen Spielzeugabteilung im hinteren Verkaufsraum.
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„Ich finde das ganz, ganz schlimm. Ich lese sehr viel und habe da immer alles gekauft“, sagt Heide Wein, und fügt hinzu: „Ich verschenke auch immer gerne Bücher, etwa an die Kinder bei uns in der Nachbarschaft.“ Traurig schüttelt sie den Kopf. „Was soll ich denn jetzt machen? Ich hab kein Enkelkind, ich brauche eine gute Beratung. Und die steht hier immer an erster Stelle.“
>>>Buchhandel mit langer Tradition
Die Buchhandlung Rüger, Elberfelder Straße, ist einer von künftig sechs Standorten des Familienunternehmens. Alexander Rüger führt es in dritter Generation.
Weitere Geschäfte gibt es in Wülfrath, Haan und Mettmann. In Hilden ist Alexander Rüger Inhaber der Versandbuchhandlung Franz de Haer.