Velbert. Rein formal ist der Etat 2023 im Lot. Buchhalterisch wird ein 22-Millionen-Euro-Defizit „isoliert“. Aber das fällt Velbert wieder vor die Füße.
Die Velberter sind mit ihrem Haushalt 2023 und dessen Verabschiedung durch den Rat recht spät dran. Verglichen mit der gewohnten Praxis sogar reichlich spät. In der Verwaltung sind derweil bereits die Vorbereitungen zum Etat fürs nächste Jahr angelaufen.
Doch die Verzögerung hat einen guten Grund: Die Verantwortlichen vor Ort haben das „Einbringen“, also die Vorstellung ihres Etat-Entwurfs um Monate geschoben, bis Gewissheit herrschte, dass hierzulande die Kommunen erstens die so genannten Corona-Schäden ein Jahr länger und somit letztmals in 2023 „isolieren“ dürfen und dass sie zweitens mit mittelbar aus dem Ukraine-Krieg resultierenden Schäden bis incl. 2026 ebenso verfahren sollen. Das macht im hiesigen Fall knapp 22 Millionen Euro aus. Die verschwinden allerdings bloß rein buchhalterisch – und werden Velbert absehbar wieder vor die Füße fallen.
50 Jahre lang Abschreibungen auch in Velbert
Und zwar dann, wenn das Geld zusammen mit den Beträgen aus den drei Corona-Jahren 2020 bis 2022 fällig wird, wenn es abgestottert werden muss. Hintergrund: Die Landesregierung hatte zu Beginn der Pandemie den NRW-Kommunen ganz ausdrücklich zugestanden, Corona-Folgen bilanziell zu isolieren und sie als außerordentlichen Ertrag gegenzubuchen. Ab 2025 zieht das dann über 50 Jahre hinweg Abschreibungen nach sich, die natürlich auch eine feste Belastung über ein halbes Jahrhundert hinweg bedeuten.
Keine eigenen Finanzmittel für Neues
„Da raus zu kommen ist für den Großteil der Kommunen unrealistisch, da läuft wirklich ein Berg auf“, konstatiert Christoph Peitz mit Blick auf die Konsequenzen des Isolierens, nennt für Velbert 70 Millionen für 2023 bis 2026. Dabei hat die Schlossstadt schon einen richtig hohen Berg. „Aktuell rund 400 Millionen Euro“, antwortete der Kämmerer (seit 2016) im Gespräch mit der WAZ am Vortag der Etat-Verabschiedung auf die Frage nach dem Schuldenberg, nach den Verbindlichkeiten der Stadt Velbert.
Hierzu werde der Schuldendienst jetzt mit 4,3 Millionen „ordentlich nach oben gefahren“. Immerhin liefen aber noch „ein paar günstige Kredite“. Hingegen werde es bei neuen Vorhaben, etwa bei dem Gesamtschul-Neubau Neviges für fast 84 Millionen „schwierig. Alles, was kommt, wird teurer finanziert werden müssen“, erklärt Peitz. Zu den wesentlichen Investitionen zählen der Grundschul- und Sporthallenneubau an der Grünstraße, das Projekt Schloss Hardenberg, die Raum-Ressourcen für den OGS-Rechtsanspruch und Vorhaben für den Feuerwehr- und Rettungsdienst.
Rein formal ist der Etat im Lot
Das Haushaltsvolumen beläuft sich bei den Erträgen auf mehr als 260 und bei den Aufwendungen über 280 Millionen Euro. Das dazwischen klaffende Delta bzw. Defizit verschwindet durch das eingangs erwähnte Isolieren. Und siehe da: Der Etat 2023 ist, obwohl bei genauerer Betrachtung längst nicht alles im Lot ist, formal ausgeglichen. Auf dem Papier. Peitz sieht die Lage so: „Wir sind in einer mehr als schwierigen finanziellen Situation.“
Gewerbesteuer entwickelt sich erfreulich
Immerhin: Die Gewerbesteuer-Entwicklung hat nach Auskunft der Kämmerei im Vorjahr eine gute Entwicklung genommen und wäre ohne die Verpflichtung zu einer – wohlgemerkt nicht selbst verschuldeten – Rückzahlung in zweistelliger Millionen-Höhe bei über 50 Millionen gelandet. „Wir sind auch in diesem Jahr sehr sehr gut gestartet und liegen, Stand jetzt, über 40 Millionen“, berichtet Christoph Peitz, „ich halte den Ansatz von 51 Millionen Euro für realistisch.“
Unbesetzte Stellen mindern Personalkosten-Aufwand
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bringt heuer ein Plus von 4,5 Prozent mit sich; im Etat-Entwurf sind fünf eingepreist. Nächstes Jahr seien es in Summe zehn Prozent, „da müssen wir uns strecken“, sagt der Stadtkämmerer. Für 2024 seien fürs Personal knapp 63 Millionen eingestellt. Allerdings setzt Peitz durchaus auf Minderausgaben, nämlich als Ausgleich „durch die Stellen, die wir nicht besetzt kriegen“.
Vorläufige Haushaltsführung gilt vorerst weiter
Beim Haushalt 2024 will die Kämmerei, zu der incl. Stadtkasse und Steueramt 40 Mitarbeiter gehören, wieder zum gewohnten Rhythmus zurück: Einbringung des Entwurfs in den Rat im September, Verabschiedung dort im November. Für den 2023er gilt noch bis zur Genehmigung durch den Kreis Mettmann das Reglement der vorläufigen Haushaltsführung. Es fließen nur Aufwendungen und Auszahlungen, wo die Stadt gesetzlich verpflichtet oder vertraglich gebunden ist. Hingegen sind z. B. der Stellenplan, sämtliche freiwilligen Leistungen oder etwa auch die Modernisierung/Erweiterung der Sportplätze Birth und Böttinger weiter in einer Art Warteschleife.
Zu diesem Thema kommentiert Klaus Kahle.
>>> Kreis gibt schon über 100 Millionen fürs Personal aus
Beim Kreis Mettmann macht der rückwirkend ab Januar gültige Tarifvertrag für Angestellte heuer 2,5 Millionen Euro aus. Diese Mehrausgabe sei durch den Nachtragshaushalt von Ende März gedeckt, sagt Christian Schölzel. 2024 würden es plus sechs Millionen, so der Kreis-Kämmerer, der mit Sorgen auf die Auswirkungen beim Landschaftsverband schaut, wo die Kosten für die Eingliederungshilfe zu 80 Prozent aus Personalausgaben bestünden.
Der Kreis muss eine Landschaftsumlage aufbringen; sich selbst finanziert er über die Kreisumlage der zehn kreisangehörigen Städte. Die haben also auch Heiligenhaus und Velbert zu leisten.
Gerechnet nach Vollzeitstellen hat der Kreis 950 Mitarbeiter, es sind aber deutlich mehr Köpfe. Für die Beamten wird ab 1. Oktober verhandelt; aktuell summieren sich die gesamten Personalkosten des Kreises auf mehr als 100 Millionen Euro.