Velbert. Velberts Etat- und Finanzlage ist weitaus ernster als sie auf den ersten Blick wirkt. 2023 läuft längst nicht alles so wie erhofft bzw. erwartet.

Wenn das Wörtchen wenn nicht wär – dann hätten Bürgermeister Dirk Lukrafka und Stadtkämmerer Christoph Peitz in dieser Woche dem Rat ihren Entwurf für den Haushaltsplan 2023 vorlegen wollen, dann würde das kommende Jahr mit einem satten Defizit in Höhe von nahezu 18 Millionen Euro enden und das erst im Vorjahr auf 30 Millionen angewachsene Eigenkapital beträchtlich abschmelzen. Tja, und die Stadt Velbert müsste dann einmal mehr ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen und durchziehen. Doch die Verwaltungsspitze hat vor einigen Tagen beschlossen, die so genannte Etat-„Einbringung“ auf Mitte Dezember zu verschieben. Und das hat seinen Grund.

Velbert muss Schäden von 2026 an abstottern

Die Landesregierung hat nämlich kürzlich informiert, dass die Kommunen erstens die so genannten Corona-Schäden noch ein Jahr länger und somit noch ein letztes Mal in 2023 „isolieren“ dürfen und dass sie zweitens mit mittelbar aus dem Ukraine-Krieg resultierenden Schäden bis einschließlich 2026 analog verfahren sollen. Der zugehörige Gesetzentwurf kommt wohl Ende dieser Woche im Landtag auf den Tisch.

Erstattung erfolgt nie in voller Höhe

Christoph Peitz ist seit 2017 Velberts Stadtkämmerer. Ohne die Möglichkeit der Isolierung von Schäden sagt er, „wären wir komplett unter Wasser“.
Christoph Peitz ist seit 2017 Velberts Stadtkämmerer. Ohne die Möglichkeit der Isolierung von Schäden sagt er, „wären wir komplett unter Wasser“. © Stadt Velbert | Patrick Ryg

Isolieren – das bedeutet rein praktisch, dass dem jeweils exakt benannten und bezifferten Schaden bzw. Verlust ein rein fiktiver außerordentlicher Ertrag gegenübergestellt wird, so dass die Sache rein „buchhalterisch“ und rechnerisch im Lot ist. Die Schäden sind voraussichtlich ab 2026 über maximal ein halbes Jahrhundert abzuschreiben, müssen dann also wirklich Schritt für Schritt abgestottert werden. Laut Peitz zählen dazu vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs z. B. die Energiepreissteigerungen sowie die Unterbringungskosten für die Flüchtlinge, die von Bund und Land „nie in voller Höhe erstattet“ würden.

Dicke Millionen-Defizite

Übrigens: Zwei Städte im Südkreis haben bereits Etat-Entwürfe für 2023 ohne Berücksichtigung der Isolierung eingebracht. Dabei veranschlagt sowohl Hilden als auch (das bislang schuldenfreie) Langenfeld tiefrote Jahresergebnisse in zweistelliger Millionen-Höhe.

Komplett unter Wasser

Die Unterbringungskosten für Flüchtlinge, berichtet die Kämmerei, würden von Bund und Land „nie in voller Höhe erstattet“.
Die Unterbringungskosten für Flüchtlinge, berichtet die Kämmerei, würden von Bund und Land „nie in voller Höhe erstattet“. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Velberts Stadtkämmerer hatte sich im Vorfeld der Ratssitzung vorgenommen, wie er auf Anfrage dieser Zeitung erklärte, trotz der Verschiebung des Etat-Entwurfs in dem Gremium Ausführungen über die Stadtfinanzen von 2022 und 2023 zu machen. „Ich will die Situation schildern und verdeutlichen, wie ernst die Lage ist. Ohne die Möglichkeit der Isolierung, wären wir komplett unter Wasser“, sagte er in dem Gespräch. Ohne dieses Aufschieben betrüge das Defizit in 2024 6,6, im Jahr darauf 2,4 und in 2026 sechs Millionen Euro. „Wir hätten ins Haushaltssicherungskonzept gemusst und wären ohne Eigenkapital.“ Allerdings steckt hinter einem fiktiven Ertrag kein wirkliches Geld.

Schlüsselzuweisung geringer als erwartet

Darüber hinaus gibt es zwei weitere Faktoren, die für Velbert schlechter als gedacht bzw. erhofft laufen. So kommt vom Land zwar eine respektable Schlüsselzuweisung von fast 50 Millionen, es sind jedoch zehn Millionen Euro weniger als erwartet. Die schwarz-grüne Landesregierung zündet nämlich nicht die zweite Stufe der Agenda ihrer Vorgänger, die begonnen hatten, kreisangehörige Städte gegenüber kreisfreien besser zu stellen. Grundsätzlich ist die Zuweisung ohnehin kein Grund zum Jubel, ist sie doch nicht zuletzt ein Indiz dafür, wie schwach auf der Brust Velbert in puncto Steuereinnahmen ist.

Sechs Millionen mehr für die Kreis-Umlage abdrücken

Davon kann der steuerstarke Kreis Mettmann in umgekehrter Richtung ein Lied singen: Geht er doch seit Jahren völlig leer aus. Und wird absehbar Velbert nächstes Jahr sechs Millionen Euro mehr Kreis-Umlage abfordern müssen, weil das bislang vergleichsweise sehr zahlungskräftige Monheim 18 Prozent an Steuerkraft eingebüßt hat. Mit entsprechend gravierenden Folgen für die Grundlagen der Umlage-Berechnung und alle neun anderen kreisangehörigen Städte.

Zinserhöhung wirkt sich zunehmend aus

Jahresergebnis 2023 ändert sich

Im laufenden Etat-Jahr ist die Aussicht auf ein positives Jahresergebnis von einer Million Euro mittlerweile nicht mehr zu halten. Grund: Velbert musste aufgrund einer Korrektur der Finanzbehörde eine Gewerbesteuer-Rückzahlung leisten.

Dem stehen jedoch verbesserte Erträge im Bereich des Rettungsdienstes und „in nicht unerheblichem Umfang“ beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer gegenüber.

Der konkrete Ausgang in 2022 steht noch aus. „Wir haben noch keinen Strich drunter gemacht“, sagt Stadtkämmerer Peitz.

Hingegen machen sich andere Entwicklungen bisher nur partiell bemerkbar. Im Bereich der investiven Kredite sei von der zweimaligen Leitzinserhöhung durch die EZB „erst sehr wenig zu spüren“, sagt der Kämmerer. Langfristige Verträge habe die Stadt Velbert noch zu günstigen Konditionen abgeschlossen. „Wir merken die steigenden Zinsen aber bei den Liquiditätskrediten, mit denen wir früher sogar Geld erwirtschaftet haben. Das wird sich bei neuen Investitionsvorhaben stärker auswirken“, prophezeit Peitz. Zudem müsse man natürlich Geld für mangelnde Liquidität aufnehmen. Denn gewisse Erträge – siehe oben – sind eben rein fiktiv.