Velbert. Der Niederländer Jozef Londeman war von den Nazis zur Zwangsarbeit nach Langenberg verschleppt worden. Seine Kinder begaben sich auf Spurensuche
Im kleinen gemütlichen Fachwerkhaus der Touristen-Information am Rande der Altstadt in Langenberg wartet Isolde Marx auf Gäste aus den Niederlanden. Regelmäßig begleitet sie Stadtführungen über den Verein zur Förderung der Bücherstadt, doch der Termin an diesem Tag ist auch für sie nicht ganz alltäglich. Vier Geschwister aus dem Nachbarland haben sich angekündigt und mit ihr verabredet. Sie sind auf den Spuren ihres Vaters, der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs für ein halbes Jahr in Langenberg gelebt und gearbeitet hat. „Die Familie ist vor ein paar Wochen auf uns zugekommen“, erzählt Marx.
Lange Parkplatzsuche in Velbert-Langenberg
Mit ein paar Minuten Verspätung und nach langer Parkplatzsuche, haben die Geschwister den Weg zum Froweinplatz auch gefunden. Vor einem halben Jahr sind sie schon einmal hier gewesen, doch statt in Velbert, seien sie da erstmal im gleichnamigen Langenberg im Kreis Gütersloh gelandet, lachen die vier. „Das ist Reisen ist bei uns ein bisschen Familientradition“, erklärt Wim Londeman. „Wir interessieren uns sowieso für Geschichte. Unser Vater hat immer von früher erzählt“, fügt sein jüngerer Bruder Marcel Londeman an. Da haben sie schließlich den Beschluss gefasst, sich die Orte der Erzählungen des 2013 verstorbenen Vaters selbst anzuschauen.
Als Zwangsarbeiter nach Langenberg gekommen
Ihr Vater, Jozef Londeman, ist im Jahr 1943 nach Langenberg gekommen – allerdings nicht freiwillig. Bis 1939 arbeitete er bei einem jüdischen Notar in Apeldoorn. Mit dem wachsenden Bedarf nach Arbeitskräften im Deutschen Reich wurde der damals 22-jährige Jozef Londemann zur Zwangsarbeit eingezogen, hatte jedoch das Glück, über Bekannte und Kontakte nach Langenberg zu kommen.
Anstellung in der Firma Laakmann
„Er ist dann mit dem Zug hierhin gereist und dann bei Laakmann angestellt worden“, berichtet Wim Londeman aus den Erzählungen und Niederschriften seines Vaters. „Er wurde hier sehr gut aufgenommen.“ Ihr Vater Jozef hatte großes Glück, das wissen auch die Geschwister. Viele Zwangsarbeiter – insbesondere aus den östlichen Gebieten, arbeiteten unter härtesten Bedingungen und Unterdrückung.
Beim Rundgang durch die Altstadt erzählt Wim Londeman davon, dass sein Vater davon berichtet hat, wie er durch den Lärm der Flugabwehrgeschütze manchmal nur schlecht schlafen konnte. Stadtführerin Isolde Marx weiß: „Hier bei Langenberg wurde ein Scheindorf aufgebaut.“ Die Kruppwerke im nahegelegenen Essen waren aufgrund ihrer Bedeutung für die deutsche Rüstungsindustrie attraktive Ziele für feindliche Bombenangriffe. Die sogenannte Nachtscheinanlage auf dem Rottberg war eine vereinfachte Nachbildung der Stahlfabrik und sollte alliierte Luftangriffe auf sich ziehen.
Aus dem Gottesdienst geflohen
„Mit der Zeit wurde es ihm zu gefährlich, da hat er dann beschlossen zu fliehen“, erklärt Wim Londeman. Am ersten Weihnachtstag 1943, gut ein halbes Jahr, nach dem Jozef Londeman nach Langenberg gekommen ist, saß er mit einem gepackten Aktenkoffer in der Weihnachtsmesse der Kirche St. Michael am Froweinplatz. Zwei Arbeitskollegen, die eigentlich mit ihm fliehen wollten, seien aus Angst kurzfristig abgesprungen. Als dann der Zug kam, machte er sich auf in Richtung Bahnhof. „Noch vor der Kommunion“, so die Geschwister.
Mit dem Zug zurück in die Niederlande
Von da aus setzte er sich in einen Zug nach Essen, um dann vom Essener Hauptbahnhof zurück in die Niederlande zu kommen. Glück hatte er bei der Grenzkontrolle, denn dort wurde er von den deutschen Grenzsoldaten schlichtweg übersehen. Isolde Marx muss schmunzeln: „Ihr Vater würde sich heute sofort hier auskennen, im Krieg wurde hier kaum etwas zerstört.“ Nach dem Krieg heiratete Jozef Londeman und ließ sich in Someren, in der Nähe von Eindhoven nieder, wo seine Familie heute noch wohnt. 1987 ist er noch einmal nach Langenberg gekommen.
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