Velbert. Seit Monaten sind mehrere Fahrstühle in ihrer Seniorenwohnanlage außer Betrieb. Seniorin kommt ohne Hilfe nicht mehr zum Essen oder nach draußen.

„Ich fühle mich hier mittlerweile wie eingesperrt und wir Bewohner vereinsamen völlig.“ Mit diesen drastischen Worten beschreibt die Velberterin – weit über 80 Jahre alt – ihre aktuelle Situation, während sie sich mit letzter Kraft und nach Luft schnappend auf das Sofa ihrer Wohnung im Servicewohnbereich am Wordenbecker Weg in Velbert fallen lässt.

Hierhin – auf das große Gelände des bisherigen Convivo-Seniorenzentrums – umgezogen zu sein, um im Alter noch möglichst selbstständig leben zu können, bereut die Seniorin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, inzwischen. Denn seit mehreren Monaten seien Aufzüge defekt, so dass sie ohne Hilfe nicht mehr zum Essen oder einfach an die frische Luft komme.

„Früher – als die Einrichtung noch vom Deutschen Roten Kreuz betrieben wurde, war das hier alles so schön und persönlich“, erinnert sie sich gerne daran, dass sie häufig als Gast beim Reibekuchenessen war. Darum habe sie sich auch für den Wordenbecker Weg entschieden – und weil das Gelände im Grünen liege. „Dort unten stehen Bänke in der Sonne“, sagt die Frau mit traurigem Blick. „Dort würde ich jetzt gerne sitzen.“

Defekter Aufzug: Weg nach draußen wird für Seniorin aus Velbert zur Tortur

Stattdessen muss sie sich mit dem Blick von ihrem kleinen Balkon begnügen. Denn: Der Weg zu den Bänken ist für sie zu einem nahezu unüberwindbaren Hindernis geworden. „Ich komme nicht einmal mehr zu meinem Briefkasten“, sagt die Frau. Und auch der Weg zu den Mahlzeiten sei eine Tortur.

Grund hierfür: Mehrere Aufzüge in Haus 4 sind defekt. Der nächstgelegene Fahrstuhl (der einzige, der ebenerdig erreicht werden kann) nach Angaben der Frau seit einem Vierteljahr – ein weiterer Aufzug, der sich einige Meter und einige Treppenstufen entfernt befindet, „sogar schon seit einem Dreivierteljahr“, berichtet die Bewohnerin, die nach eigenen Angaben monatlich rund 1000 Euro für Miete, Umlagen und Betriebskosten für ihre kleine Wohnung mit kombiniertem Wohn- und Schlafraum und Küche bezahlt.

Auch dieser Fahrstuhl am Wordenbecker Weg in Velbert ist außer Betrieb. 
Auch dieser Fahrstuhl am Wordenbecker Weg in Velbert ist außer Betrieb.  © Philipp Nieländer

Nun ist auch der dritte Aufzug außer Betrieb

Um zu einem dritten Fahrstuhl zu gelangen, muss die Bewohnerin drei Treppenstufen bewältigen, dann klingeln, um in den Pflegebereich zu gelangen und im Anschluss einen längeren Gang entlanglaufen: „Das mag für jüngere Menschen ja alles kein Problem sein, aber für mich mit meinem Rollator ist das kaum zu machen. Ich bin einfach nicht mehr gut zu Fuß und habe auch keine Kraft mehr.“ Jedoch sei auch dieser dritte Aufzug seit einer Woche außer Betrieb. Und so muss die Frau nun noch eine Ecke weiter, wo sich ein kleiner, enger Fahrstuhl befindet – „unsere einzige Möglichkeit, überhaupt noch nach unten zu gelangen“, sagt sie. „Aber wenn mir nicht die Nachbarn helfen würden, würde ich das nicht schaffen. Wie soll ich denn meinen Rollator die Stufen nach oben heben?“

Für jüngere oder gesunde Menschen sind es nur drei Stufen – für die Bewohnerin des Servicewohnens am Wordenbecker Weg in Velbert handelt es sich um ein ohne Hilfe nicht überwindbares Hindernis auf dem Weg zu einem funktionierenden Fahrstuhl. 
Für jüngere oder gesunde Menschen sind es nur drei Stufen – für die Bewohnerin des Servicewohnens am Wordenbecker Weg in Velbert handelt es sich um ein ohne Hilfe nicht überwindbares Hindernis auf dem Weg zu einem funktionierenden Fahrstuhl.  © Philipp Nieländer

Belastende Situation für Bewohner in Velbert nach der Insolvenz von Convivo

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Fast 15 Minuten sei sie unterwegs, um zu den Mahlzeiten zu gelangen. „Freude macht das alles nicht – es ist einfach nur noch anstrengend und belastend.“ Insgesamt seien die letzten Wochen und Monate eine große Belastung gewesen. „Nach der Insolvenz des Betreibers Convivo haben wir alle ja nicht gewusst, ob und wie es hier weitergeht“, sagt die Bewohnerin. Es hätten viele Pflegekräfte gekündigt. Dass es nun möglicherweise einen neuen Betreiber gebe, habe sie auch nur über Dritte erfahren. „Sonst bekommen wir hier nichts mit“. Über die aktuelle Situation habe sie sich an verschiedenen Stellen beschwert – „man bekommt von der Einrichtungsleitung einfach keine Antwort“, sagt sie. An anderer Stelle habe es geheißen, es gebe für den alten Fahrstuhl keine Ersatzteile – oder keine Handwerker.

Das sagen der Insolvenzverwalter und der Kreis zur aktuellen Situation in Velbert

Auch die mehrfachen WAZ-Anfragen an den Insolvenzverwalter, der in den letzten Wochen für den Betrieb verantwortlich war, werden nur spärlich beantwortet: „Mein letzter Stand ist, dass alle Bewohner und Bewohnerinnen sich per Fahrstuhl frei bewegen können, es aber bereits vor der Insolvenz einen Reparaturstau bei den Fahrstühlen gab, so dass nicht jeder einzelne Fahrstuhl betriebsbereit war / ist“, teilt die beauftragte Kommunikationsagentur mit. Den neuen Betreiber indes dürfe man „aus Datenschutzgründen“ nicht nennen.

Über das „frei bewegen“ kann die Bewohnerin nur den Kopf schütteln. „Da fehlen mir die Worte ...“

Der Kreis Mettmann verweist auf Anfrage darauf, dass Servicewohnen nicht den heimrechtlichen Bestimmungen unterliege – und darum nicht so wie ein Alten- bzw. Pflegeheim beaufsichtigt werde.

Der Eingangsbereich des Servicewohnens am Wordenbecker Weg in Velbert. 
Der Eingangsbereich des Servicewohnens am Wordenbecker Weg in Velbert.  © Philipp Nieländer

Die Bewohnerin hofft, dass sich irgendjemand zuständig oder in der moralischen Verantwortung fühlt, schnell etwas zu ändern. Auf einer Tafel im Erdgeschoss ist das Convivo-Leitbild zu lesen: „Kümmern ist unsere Aufgabe und die nehmen wir sehr ernst“, steht dort dick gedruckt am Ende. „Davon haben wir hier leider nicht viel gemerkt“, sagt die Seniorin. „Es kann nur besser werden.“

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