Langenberg. Bis zu 12.000 Menschen meist aus Russland und Polen lebten bis 1945 in den Baracken an der Uferstraße in Langenberg.

Die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Jürgen Lohbeck und Josef Niedworok haben zusammen mit dem pensionierten Schulpfarrer Frank Overhoff ein wenig beachtetes Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs ausgemacht: An der Uferstraße befindet sich noch eine Baracke des ehemaligen „Ostarbeiterlager-Gemeinschaftslager Langenberg/Rhld Heegerstraße“.

Wer das schmucke, rote Gebäude mit weiß abgesetzten Fenstern und Ecken sieht, vermutet nicht, das hier im Oktober 1942 eine schlichte Behausung errichtet wurde, in der Zwangsarbeiter leben mussten. „Es gab vier Unterbringungsbaracken und vier zusätzliche Funktionsgebäude, wie Wachlokal, Toilettenanlage, Arrestzellen mit Schuppen und eine Speicherbaracke, die alle bewacht wurden und von Stacheldraht umgeben waren“, beschreibt Jürgen Lohbeck das Lager zwischen der Bonsfelder Straße und dem Deilbach.

Eingesetzt in Langenberg

Hauptsächlich waren es russische und polnische Zwangsarbeiter, darunter viele Frauen und sogar einige Kinder. Die Gefangenen wurden nicht nur bei großen Langenberger Firmen eingesetzt, sondern auch bei der Stadt Langenberg, der Reichsbahn und in Kleinbetrieben.

Auf dieser Plakette wird an die Geschichte der Zwangsarbeiter in Langenberg erinnert.
Auf dieser Plakette wird an die Geschichte der Zwangsarbeiter in Langenberg erinnert. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

„Es kam sogar vor, dass Langenberger Bürger beim Wachpersonal Arbeiter für bestimmte Tätigkeiten bestellten. Dann hieß es schon mal: ,Der Sergej kann heute nicht, aber vielleicht übermorgen’“, weiß Frank Overhoff zu berichten.

Steigende Kriminalität

„Ein Zementrohr-Abflussrohr aus dem Damm an der Heeger Brücke wurde mit einer Tür versehen und diente als Luftschutzbunker für die 250 Menschen“, erläutert Josef Niedworok. Verpflegt wurden die Zwangsarbeiter aus einer Gulaschkanone an der Bonsfelder Straße.

Als am 16. April 1945 in Langenberg der Krieg endete und das Lager aufgelöst wurde, gingen die Diebstähle hoch, weil diese Menschen plötzlich nichts mehr zu essen bekamen. Der von den Briten eingesetzte Bürgermeister Albert Colsman bat in einer Aktennotiz die Besatzer, sich dringend um die Versorgung der nun ehemaligen Zwangsarbeiter zu kümmern.

Schriftsteller beschreibt Lager-Zeit

Unter den Lagerinsassen befand sich auch der russische Schriftsteller Vitalij Sjomin, der 1942 als 15-Jähriger nach Deutschland verschleppt wurde und ab März 1944 zunächst zur Arbeit bei den Metall- und Kaltwaltwerken in Langenberg gezwungen und später bei der Firma Volkenborn eingesetzt wurde.

In seinem autobiografischen Roman „Zum Unterschied ein Zeichen“ beschreibt er die Haltung der Langenberger gegenüber den Lagerinsassen, die im Blickfeld der Bewohner der Häuser an der Heegerstraße lebten: „Wie oft versuchte ich einen neugierigen Blick einzufangen! Es gelang mir nicht ein einziges Mal. Ich war nicht schlüssig, ob es Teilnahmslosigkeit oder Disziplin war. Jedenfalls war es etwas, was ich nicht begriff.“

Heute ein Malerbetrieb

Nach dem Krieg errichtete der Kleinunternehmer Herbert Keller auf dem Gelände eine Waschmaschinenfabrik, neben neuen Gebäude übernahm er zwei Baracken, deren Pfahlgründung 1947 mit einem Bruchsteinsockel untermauert wurde, die Wände wurden verkleidet.

Harald Schmitz erwarb 1989 die Baracken für seinen Malerbetrieb – von dessen historischer Bedeutung erfuhr er erst später. Und als das Hochwasser des Deilbaches vor wenigen Tagen die gesamte Uferstraße überschwemmte, machten die Fluten nur wenige Zentimeter unter dem Steinsockel vor dem Boden der Baracken Halt.

Da bis jetzt in ganz Velbert nichts an die mehr als 12.000 Zwangsarbeiter erinnert, initiierten die Heimatforscher Jürgen Lohbeck, Josef Johannes Niedworok und Frank Overhoff eine Gedenktafel, finanziert vom Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Velbert-Hardenberg.

Behelfsmäßige Unterkunft

Eine Baracke (französisch „baraque” = „Feldhütte“) ist eine behelfsmäßige Unterkunft, einstöckig und nicht unterkellert, besonders aus Holz errichtet.Das Wort bezeichnete ursprünglich eine Kaserne, es kann sich auch um ein provisorisches Gebäude zur vorübergehenden, massenhaften Unterbringung von Soldaten, Kranken, Arbeitern, Flüchtlingen und eben Zwangsarbeitern handeln.