Langenberg. Apotheker aus Velbert warnen: Bei mehr als 300 Medikamenten kommt es derzeit zu Lieferproblemen. Kunden sollten daher rechtzeitig nachbestellen.

Die Liste ist lang, die Apotheker Arndt Backhaus ausgedruckt hat: Bei mehr als 300 Medikamenten gibt es derzeit Lieferschwierigkeiten, darunter sind auch Klassiker wie Paracetamol. Aber, sagt er direkt: „Das ist kein Grund, um in Panik auszubrechen.“ Kundinnen und Kunden sollten lediglich vorausschauend planen „und ihre Medikamente nicht erst auf den letzten Drücker bestellen – dann, wenn die Pillenschachtel schon leer ist.“ Zwei bis drei Wochen sollte der Vorrat zu Hause ausreichen.

Für die Lieferschwierigkeiten gibt es nach Auskunft von Arndt Backhaus und seiner Kollegin Ulrike Kuhlendahl derzeit verschiedene Gründe: „In der Coronazeit war es noch klar“, holen die beiden aus, „da kamen die Schiffe aus Indien und China nicht in Europa an.“ Es fehlten also die Wirkstoffe.

Probleme sind vielschichtiger geworden

Apotheker Arndt Backhaus im Kommissionierer in der Adler Apotheke in Velbert-Langenberg: Nach dem Hochwasser musste das Herzstück der Apotheke ausgetauscht werden. Jetzt läuft es zwar, aber die Energiekrise erhöht die Kosten für den Betrieb.
Apotheker Arndt Backhaus im Kommissionierer in der Adler Apotheke in Velbert-Langenberg: Nach dem Hochwasser musste das Herzstück der Apotheke ausgetauscht werden. Jetzt läuft es zwar, aber die Energiekrise erhöht die Kosten für den Betrieb. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Doch jetzt seien die Probleme vielschichtiger: „Da kann ein Medikament nicht geliefert werden, weil das Papier für die Beipackzettel nicht zu bekommen ist“, zählen die Apotheker auf. „Oder es fehlt das Material, um Deckel für ein Nasenspray zu produzieren.“

Dazu kommen die Probleme bei der Herstellung von Medikamenten in China, da dort die Regierung durch ihre strenge „Null-Covid-Strategie“ oft ganze Betriebe lahmlege. „Außerdem ziehen sich bei bestimmten Präparaten immer mehr Hersteller zurück, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt“, sagt Arndt Backhaus.

Als Beispiel nennt er Paracetamol. „Das ist ein Cent-Artikel, das lohnt sich für viele einfach nicht.“ Außerdem sei Deutschland auch „nicht mehr der Lieblingsabsatzmarkt in Europa, da in anderen Ländern einfach mehr gezahlt wird.“

Bestellungen sind kaum planbar

Welche konkreten Auswirkungen das hat? „Früher habe ich Bestellungen gesammelt und dann eine große Anfrage gestellt“, sagt Arndt Backhaus. „Heute muss ich im Viertelstunden-Takt schauen, ob Medikamente lieferbar sind.“ Und selbst das sei oft schon nicht ausreichend, ergänzt Ulrike Kuhlendahl: „Ich sehe hinter einem Präparat einen grünen Haken, bediene den Kunden zu Ende, gehe kurze Zeit später an den Computer, um zu bestellen – dann ist der Haken oft schon wieder rot.“

„Dadurch verlieren wir täglich rund zwei Stunden“, klagen die beiden Apotheker. „Nicht nur, weil wir ständig prüfen müssen, ob Sachen lieferbar sind.“ Sondern auch, weil sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Kundinnen und Kunden die Lage erläutern müssen.

Es gibt Alternativen

„Viele sind auf ,ihr’ Medikament festgelegt. Wenn wir dann das Alternativprodukt eines anderen Herstellers vorschlagen, das die gleichen Wirkstoffe und die gleiche Wirkung hat, dann ist das für viele erst einmal ein Problem.“

Noch komplizierter werde es, wenn auf ein sogenanntes Äquivalenzprodukt umgestellt werden müsse. „Das muss zwangsläufig in Absprache mit dem Arzt vonstatten gehen“, sagt Ulrike Kuhlendahl. „Das ist aber für den Patienten nur schwer nachzuvollziehen.“

Dieses Verfahren belaste zusätzlich sowohl das Apothekenpersonal als auch die Arztpraxen, zudem müsse das jeweilige Rezept neu ausgestellt werden.

Apotheken haben schwierige Zeit hinter sich

Viele Apothekerinnen und Apotheker – hier Peter Rüngeler aus Heiligenhaus – mischen Medikamente wie zum Beispiel Fiebersäfte für Kinder, inzwischen oft selber.
Viele Apothekerinnen und Apotheker – hier Peter Rüngeler aus Heiligenhaus – mischen Medikamente wie zum Beispiel Fiebersäfte für Kinder, inzwischen oft selber. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Insgesamt, so das Fazit der beiden Apotheker aus Langenberg, werde es „für alle Seiten nicht einfacher“. Zumal es beide in den letzten Jahren doppelt getroffen hat: „Wir haben echt was hinter uns“, sagt Ulrike Kuhlendahl. „Wir waren beiden vom Hochwasser betroffen, sowohl privat als auch in den Apotheken.“

Die Coronazeit habe ebenfalls Kraft gekostet, „vor allem unsere Mitarbeiter“. Und nun gebe es eben Lieferengpässe und die Energiekrise. „Die kommt ja noch oben drauf“, sagt die Inhaberin der Apotheke „Zur Post“. „Wir haben Computer und Kommissionierer, die brauchen Strom.“

Aber, sie wolle auch nicht zu viel klagen, fügt sie lachend an. „Apotheken können Krise, das haben wir bewiesen.“ Hilfreich sei dabei auch, dass sich die Familien der beiden schon „sehr lange gut miteinander verstehen“, ergänzt Arndt Backhaus. Gegenseitige Hilfe sei da selbstverständlich.

„Also“, fasst er abschließend noch einmal zusammen, „wir sind da und wir geben unser Bestes“. Und er hoffe, dass die Kundinnen und Kunden sich der aktuellen Situation anpassen. „Dann kommen wir da auch durch.“