Velbert. Mieter sind schockiert: Der Vermieter will eine drastische Mieterhöhung durchsetzen. Was der Mieterverein Velbert rät und was der Vermieter sagt.

Post vom Vermieter verheißt oft nichts Gutes. Davon kann eine Velberterin, die an der Einsteinstraße in Birth wohnt, ein Lied singen. In den vergangenen Wochen hat sie gleich mehrere Schreiben der „Peach Property“ – seit 2020 Eigentümer der Wohnanlage – erhalten. Die Gesamtmiete für die knapp 83 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung soll – inklusive Betriebskosten- und Heizkostenvorauszahlung – demnach von bisher 585 auf 993 Euro steigen. Ein Anstieg um fast 70 Prozent also.

Sie habe beim Öffnen des ersten Briefes ihren Augen kaum getraut, berichtet die Mieterin. Mit einer Erhöhung der Nebenkosten habe sie gerechnet – aber nicht mit einer drastischen Erhöhung der Grundmiete. Diese betrug bislang 375 Euro und soll bereits ab Dezember auf 536 Euro steigen (Anstieg um rund 43 Prozent).

Wirtschaftlichkeitsberechnung ist für die Mieter in Velbert-Birth nicht nachvollziehbar

Beigefügt hatte der Vermieter eine sogenannte Wirtschaftlichkeitsberechnung, wie dies bei Mieterhöhungen im sozial geförderten Wohnraum erforderlich ist. „Das ist eine Auflistung von Zahlen, die nicht näher erläutert werden und somit für Laien überhaupt nicht nachvollziehbar ist“, so die Mieterin im Gespräch mit der WAZ.

Einige Tage später dann der nächste Brief: Kommentarlos wurden einige Zahlen verändert – die Grundmiete wurde noch einmal leicht nach oben korrigiert, dafür die bisher gewährte Mietreduktion von 21 Euro um zehn Euro reduziert. „Wie das zustande kommt, erschließt sich uns ebenfalls nicht“, so die Mieterin. Eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung habe es nicht gegeben.

Doch damit nicht genug: In weiteren Schreiben wurde dann auch noch eine Betriebs- und Heizkostennachzahlung in Höhe von mehr als 800 Euro eingefordert – verbunden mit einer Erhöhung der Vorauszahlungen von bisher zusammen 220 auf künftig 456 Euro.

Die Mieterin hat bereits Einspruch gegen die Mieterhöhung und auch Widerspruch gegen die Anpassung der Heizkostenvorauszahlung eingelegt.

Die Wohnhäuser an der Birther Einsteinstraße in Velbert: Die Mieter sehen sich mit einer drastischen Mieterhöhung konfrontiert.
Die Wohnhäuser an der Birther Einsteinstraße in Velbert: Die Mieter sehen sich mit einer drastischen Mieterhöhung konfrontiert. © Funke Foto Services | Alexandra Roth

Beim Mieterverein Velbert liegen schon rund 20 Fälle aus Birth vor

Genau das empfiehlt der Mieterverein Velbert auch den rund 180 weiteren Mietern. „Bei uns liegen schon etwa 20 Fälle von Mitgliedern auf dem Tisch“, berichtet die stellvertretende Vorsitzende Bettina Lelittka. „Die der Mieterhöhung zugrundeliegende Wirtschaftlichkeitsberechnung erschließt sich auch uns nicht“, sagt sie. „Die Zahlen kann man glauben – oder nicht.“

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Der Mieterverein hat in Erfahrung gebracht, dass die Sozialbindung für die betroffenen Wohnungen 2023 ausläuft. „Es wirkt so, als würde jetzt auf den letzten Drücker reagiert.“ Denn: Im freien Wohnungsmarkt wäre eine solch drastische Mieterhöhung aufgrund der gesetzlichen Kappungsgrenzen (in drei Jahren sind maximal 20 Prozent möglich) nicht erlaubt.

Auch die vom Vermieter teilweise gewährten Mietreduktionen in niedriger zweistelliger Höhe sind für Lelittka „undurchsichtig“ – zumal die „Peach Property“ explizit darauf hinweist, dass diese jederzeit grundlos wegfallen könnten.

Heizkosten waren schon mehrfach Thema vor dem Amtsgericht Velbert

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In Sachen Heizkosten sei die Geschichte ja schon lang – „sehr lang“, wie Bettina Lelittka sagt. In den Gebäuden, die einst der Wobau und später dann der „Grand City Property“ gehörten, sei eine Einrohrleitung im Estrich verlegt, durch die 24 Stunden am Tag warmes Wasser laufe. „Einige Wohnungen haben so eine kostenlose Fußbodenheizung, in anderen Wohnungen muss man intensiv heizen“, weiß Lelittka. Die Folge: Manche Wohnungen verbrauchen so 0 Einheiten, andere 8000. Mehrere Fälle seien vor Gericht gelandet – „und bisher ist das Gericht auch immer unserer Auffassung gefolgt“. Von einer „fairen Abrechnung“, wie der Vermieter es bezeichnet, könne auch in der aktuellen Heizkostenberechnung keine Rede sein.

Jürgen Hübinger ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Mietervereins Velbert: Dort sind aktuell bereits rund 20 Fälle aus den Wohnungen der „Peach Property“ in Velbert-Birth gelandet.
Jürgen Hübinger ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Mietervereins Velbert: Dort sind aktuell bereits rund 20 Fälle aus den Wohnungen der „Peach Property“ in Velbert-Birth gelandet. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Vermieter „Peach Property“ äußert sich und verweist auf Kostensteigerungen

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Auf Anfrage der WAZ lässt die „Peach Property“ über eine Kommunikationsagentur, die namentlich nicht genannt werden möchte, mitteilen: „Wir haben so lange wie möglich versucht, auf Mietanpassungen zu verzichten. Mittlerweile sind die Kosten in allen Bereichen der Objektbewirtschaftung stark angestiegen, was uns zwingt, auch die Mieten im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung nach dem Wohnungsbindungsgesetz entsprechend konform anzupassen.“

Die Wirtschaftlichkeitsberechnung sei von einem Fachunternehmen vorgenommen und die Richtigkeit ist in diesem Zuge offiziell bestätigt worden, heißt es weiter. Der Zeitpunkt habe nichts mit der Aufhebung der Sozialbindung zu tun.

Laut „Peach Property“ haben Mieter von niedrigem Mietniveau profitiert

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Die neuen Mietpreise liegen nach Ansicht des Vermieters „immer noch auf einem niedrigen Niveau, wenn man diese ins Verhältnis zum Marktumfeld setzt“. Im Umkreis von ca. 1000 Metern würden Mieten in Höhe von 6 bis 8,38 Euro pro Quadratmeter gezahlt. „In den letzten zwei Jahren haben die Mieter durch die deutlich niedrigen Marktmieten profitieren können, aber nun müssen wir die Mieten an den Markt ansatzweise anpassen“, so das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in der Schweiz hat und die Wohnungen in Velbert von Köln und Erkrath aus betreut.

Im konkreten Fall liegt die Grundmiete übrigens künftig bei 6,45 Euro/qm. Dabei müsse man aber berücksichtigen, so Bettina Lelittka, dass dort seit Jahren baulich so gut wie nichts gemacht worden sei. Und dann sei das schon „happig“.