Velbert. Das Stadtarchiv Velbert – das Gedächtnis der Stadt – wird nun 100 Jahre alt. Mit der Einrichtung verhält es sich ähnlich wie bei einem Eisberg.
Die „Zirkus Barum-Schau“ rollt laut Anzeige „mit zwei riesigen 62-achsigen Sonderzügen“ an, direkt daneben inseriert der „Landwehr- und Krieger-Verein“, lädt der Damenchor „Concordia“ zum Unterhaltungsabend und der Schützenverein „Gut Ziel“ zum Herbstfest ein. Und gleich auf der nächsten Seite der Velberter Zeitung vom 23. September 1921, da findet sich der Aufruf von Dr. Willy Fentsch im Namen der Stadt Velbert an die Bürger und Bürgerinnen, doch daheim bitte nach alten Zeitungen, Briefen, Bildern, Konzertprogrammen, politischen Flugblättern etc. zu suchen und abzuliefern. 1921 darf somit mit Fug und Recht als Geburtsjahr des Stadtarchivs angesehen werden.
Anfänge des Stadtarchivs: „Alle, was irgend auf Velbert Bezug hat“
„Das Archiv sammelt alles, was irgend auf Velbert Bezug hat; je weiter sie geschichtlich zurückliegen, desto mehr Bedeutung gewinnen die scheinbar unbedeutenden Dinge“, textete Fentsch. „Alles, was der Opfersinn und die Heimatliebe unserer Bürgerschaft zum Aufbau eines Städt. Archivs zur Verfügung stellen will, wird in der Bücherei dankbar entgegengenommen.“
Im Anfang Teil der Stadtbücherei
Das kommunale Archiv, laut Aufgaben-Beschreibung “das Gedächtnis der Stadt“, war zunächst Teil der Bücherei und wurde im Rathaus untergebracht. In den 1930er Jahren zog es rüber ins Haus am Offers und Mitte der 1950er in eine Baracke an der Villa Herminghaus. Als eigenständige Einrichtung war es in den 1970er-Jahren im Untergeschoss von Schloss Hardenberg, sitzt es nunmehr seit zwei Dekaden im Rathaus.
Fleißige Helfer im Einsatz
Der Besucher trifft dort auf Menschen, die erstens mit Eifer bei der Sache sind und das zweitens in einer ganz offensichtlich richtig guten Arbeitsatmosphäre tun. Da wäre die Ehrenamtlerin Hanna Buss (73), die zweimal in der Woche „alle anfallenden Zuarbeiten“ erledigt und z. B. Zeitungen archiviert. Da ist die um etliche Semester jüngere Studentin der Geschichte und Kunstgeschichte – und Ex-Praktikantin – Jasmin Brinkmann, die jetzt wöchentlich zwei bis drei mal beim Digitalisieren hilft. Dabei unterstützt sie Annika Aran: Die Aushilfskraft auf 450-Euro-Basis bearbeitet zudem Anfragen. Und die Hauptarbeit bei der Bild-Digitalisierung macht der langjährige CDU-Kommunalpolitiker und mehrfache Buchautor Manfred Bolz.
Zusammenarbeit mit Schülern
„Mit unglaublich viel Elan und Initiative“, wie ihm Dr. Ulrich Morgenroth attestiert. Ohne die vielfache Unterstützung könne er „einpacken“, sagt er. Der Archäologe (52) ist Abteilungsleiter Stadtarchiv/ Kulturbüro und leitet das Archiv seit Mai. Die zweite festangestellte und vollzeitbeschäftigte Kraft ist Nadia Mannertz; Sachbearbeiterin, Sekretariat und Archiv. Am meisten Spaß macht allen erklärtermaßen die Zusammenarbeit mit Schülern.
Papier ist geduldig und empfindlich
Am besten einen Termin vereinbaren
Das Velberter Stadtarchiv befindet sich im Erdgeschoss des Rathauses (Thomasstraße 1, Eingang neben der Parkhaus-Zufahrt). Geöffnet ist es mo. bis fr. 8 - 12 Uhr, zudem mo. 13 - 16 und do. 13 - 18 Uhr.
Das Team vereinbart Termine gerne auf Anfrage, um sich entsprechend vorbereiten zu können. „Das geht für alle Beteiligten schneller“, sagt Morgenroth. Kontakt unter 02051 262264 oder E-Mail an stadtarchiv@velbert.de.
„Wir sind in einer guten Situation“, lobt Morgenroth die Unterbringung, „zwar eng, aber im Vergleich zu vielen Kollegen gut ausgestattet.“ Alle im Team hätten sich auf frischen Wind gefreut, und das sei die Digitalisierung. „Wir scannen z. B. sämtliche Urkunden und alle Findmittel. So müssen wir die Originale nicht mehr anfassen und schonen sie. Papier ist zwar geduldig, aber eben auch empfindlich.“
Staat übernimmt Aufgaben der Kirche
Ganz frühe „Geburtshelfer“ der Stadtarchive waren gewissermaßen die Franzosen, die einst per Dekret anwiesen, dass der Staat anstelle der Kirche Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden erstellen und verwahren müsse. Das wurde 1809 zur Pflichtaufgabe. Als eigentlichen Wegbereiter vor Ort und einen der Gründerväter der Velberter Geschichtsforschung bezeichnet Morgenroth aber Willy Fentsch. Der Historiker und Bibliothekar begründete sowohl das Archiv als auch das Schlossmuseum. Erster hauptamtlicher Archivar war Herbert Serfort, gefolgt von Peter Riemer und zuletzt Christoph Schotten.
Zeugnisse, Urkunden und Stammdaten
Im Stadtarchiv landen (noch) in Kooperation mit den Schulen sämtliche Zeugnisse, die mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden müssen, ferner die erwähnten Urkunden, die vor allem für Ahnenforscher und die Nachlassabwicklung interessant sind, oder auch die Stammdaten aus Standes- und Einwohnermeldeamt, die gleich mehrere Rollregale und stapelweise Umzugskisten füllen.
Klimatisiert und säurefrei
Grundsätzlich gilt übrigens für die Einrichtung das Gleiche wie für Eisberge, von denen ja bekanntlich lediglich ein Bruchteil über Wasser (sichtbar) ist: In den leicht zugänglichen Stadtarchiv-Räumen befindet sich nur das Bestandsarchiv. Der Großteil füllt jedoch fünf Räumen mit zusammen etwa 400 qm: klimatisiert, in säurefreien Kartons auf Rollregalen und mit Brandschutztüren gesichert.
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