Langenberg. Wie viele Ratten es in Velbert gibt, lässt sich nur schwer feststellen. Allerdings gibt es derzeit mehr Sichtungen – das liegt an den Lockdowns.

„Stadtverwaltung sieht kein Ratten-Problem in Velbert“: Unter dieser Überschrift hatten wir Mitte November einen Artikel veröffentlicht – der für teils heftige Reaktionen gesorgt hat. Es werde nicht richtig hingeschaut, lautete da ein Vorwurf. An manchen Plätzen würden sich jede Menge der Nager tummeln – und sich auch von Menschen nicht stören lassen. Immer mehr dieser Tiere gebe es.

Jörg Vester ist Schädlingsbekämpfer und möchte zumindest den letzten Vorwurf so nicht stehen lassen. „Es gibt nicht unbedingt mehr Ratten“, sagt er. Es gebe nur mehr Sichtungen. Und das habe direkt mit der Corona-Pandemie zu tun. Genauer gesagt: Mit den Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung.

Velbert: Ratten folgen den Menschen

„Nehmen wir mal Düsseldorf als Beispiel“, sagt er. In normalen Sommern sei es auf den Rheinwiesen voll, „die Menschen feiern, sitzen zusammen, essen, trinken“. Der Müll bleibe oft liegen. „Ein Fest für die Ratten.“ Nur: Durch die Corona-Beschränkungen blieb es dort leer.

„Die Menschen sind zuhause geblieben, haben mehr gekocht und folglich auch mehr Essensreste weggeschmissen.“ Also seien die Ratten den Menschen in die Siedlungen gefolgt. „Daher gibt es auch mehr Sichtungen“, sagt der Experte.

Sein Tipp: „Bürger sollten keine Küchenabfälle die Toilette hinunter spülen.“ Die landeten in der Kanalisation, „das ist ein Fest für die Ratten“, sagt er. Lieber die Essensreste richtig entsorgen.

Komposter muss kein Problem darstellen

Wann welche Falle genutzt werden darf, ist für Schädlingsbekämpfer genau geregelt.
Wann welche Falle genutzt werden darf, ist für Schädlingsbekämpfer genau geregelt. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Beruhigen kann Jörg Vester auch diejenigen, die einen Komposter im Garten haben und dort auch mal Essensreste entsorgen. „Wenn der vernünftig gemacht ist und einen Deckel hat, sollte das kein Problem sein.“ Manch ein Kollege sähe das zwar anders, aber seine Erfahrung habe gezeigt: „Wo bisher keine Ratten waren, kommen die auch nicht durch einen Komposter.“

Problematisch werden könne es allerdings, wenn in größeren Wohnhäusern der Müll – etwa in gelben Säcken – im Keller zwischengelagert werde. „Dann muss man darauf achten, dass Türen und Fenster verschlossen sind“, rät der Fachmann. Denn auch Ratten würden jetzt in dieser Jahreszeit wärmere Umgebungen bevorzugen.

Genaue Zahlen gibt es nicht

Bemängelt haben die Kommentatoren an der Darstellung der Stadt auch, dass diese keine genauen Zahlen zur Größe der Rattenpopulation genannt hat. „Aber genaue Zahlen sind so gut wie unmöglich zu bekommen“, sagt Schädlingsbekämpfer Jörg Vester.

Eine alte Faustformel aus dem Jahr 1909 besage zwar, dass auf einen Einwohner eine Ratte komme. „Aber die Dunkelziffer ist höher“, sagt er. Man könne eher davon ausgehen, dass auf jeden Einwohner sogar zwei bis drei Tiere kämen. „Das macht dann für Deutschland bis zu 240 Millionen Ratten.“

Köder dürfen nicht mehr verwendet werden

Warum die Städte oft auch keine Zahlen nennen könnten, habe auch mit neuen Gesetzen zu tun, erläutert Jörg Vester. Früher habe man einen Köder per Stahlseil innen an die Gullydeckel gehängt. Waren die Köder angeknabbert, gab es in der Nähe des betreffenden Deckels Ratten.

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Allerdings haben sich die Köder bei Kontakt mit Wasser aufgelöst, die Kläranlagen können das Gift aber nicht aus dem Wasser filtern. Daher müssten die Köder nun entweder bei jedem Regen entfernt oder es müssten modernere genutzt werden.

Teure Zählmethode

Die funktionieren ähnlich wie eine Tauchglocke. Einziges Problem: der Preis. „Ein einzelner solcher Köder kostet zwischen 300 und 1200 Euro“, erläutert Jörg Vester – und macht eine Beispielrechnung auf: „Wenn wir 500 Gullydeckel mit je einem Köder zu 500 Euro ausstatten, sind wir bei 25.000 Euro.“ Das wäre aber das Budget, was viele Städte pro Jahr für einen Schädlingsbekämpfer zur Verfügung hätten.

Es bleibe also dabei: Zu Hause auf die richtige Müllentsorgung achten, Essensreste unterwegs in Mülltonnen entsorgen, Kellerräume verschließen. Dann verschwinden die Ratten zwar nicht grundsätzlich, halten sich aber eher von Häusern und Siedlungen fern.

Ratten und ihre Verbreitung

In Deutschland gibt es überwiegend zwei Rattenarten, sagt Schädlingsbekämpfer Jörg Vester: die Hausratte und die Wanderratte.

Die Wanderratte mache dabei etwa 95 Prozent der Population aus, dazu kommt die Hausratte. Das Problem: Die Nager verbringen ihr Leben meist in der Kanalisation, oberirdisch sind im Vergleich nur wenige Tiere zu sehen.

Und weil sie in der Kanalisation mit allem Möglichen in Kontakt kommen, können die Tiere Krankheiten übertragen: Bis zu 100 verschiedene sind schon im Fell von Ratten nachgewiesen worden.


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