Oberhausen. .

„Russen Juden Deutsche“, die erste gemeinsame Ausstellung von Gedenkhalle und Ludwig-Galerie im Kleinen Schloss, eröffnet dem Betrachter einen einladenden Blick auf das Leben jüdischer Einwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.

Zu sehen sind 80 Schwarz-Weiß-Fotografien von Michael Kerstgens. Das Besondere: Der Fotograf begleitete den Eingliederungsprozess der Einwanderer seit den 90er Jahren mit der Kamera und beantwortet, ebenfalls mit dem Mittel der teilhabenden Fotografie, 20 Jahre später die Frage, was aus einigen von ihnen geworden ist.

Der Mensch steht im Zentrum

„Das Ausstellungsprojekt ist die Langzeitstudie eines Prozesses, der eigentlich wenig beachtet wird“, sagt Christine Vogt, die Direktorin der Ludwig-Galerie. „Während die jüdischen Gemeinden in Deutschland vor 1990 etwa 25 000 Mitglieder zählten, sind es heute mehr als 110 000.“ Den vielen Neuankömmlingen mit jüdischen Wurzeln Hilfe und Heimat zu bieten, stellte, so Kerstgens, die jüdischen Gemeinden vor eine große Herausforderung, handelte es sich doch um Menschen, die im Glauben eher wenig zu Hause waren.

„Das Wort ,koscher’ habe ich hier zum ersten Mal gehört“, sagte jemand zu Kerstgens. „Es ging den Gemeinden also darum, sie ins Judentum und in die deutsche Gesellschaft einzuführen.“

„Kerstgens Fotos zeigen eine Welt, die man sonst nicht zu sehen bekommt“, sagt Desbina Kallinikidou vom Büro Interkultur der Stadt Oberhausen. „Die aber alltäglich sind“, ergänzt Kerstgens. „Der Mensch steht im Zentrum, er lernt, tanzt, feiert, weiß nicht, wie es um seine Zukunft bestellt sein wird. Ich wollte den Alltag zeigen.“

Aufnahmen, die ein Vertrauensverhältnis brauchten

Das ist ihm trefflich gelungen. Die Fotos zeigen Menschen nicht nur im Unfeld der Synagoge, sondern auch in ihren Wohnungen, im Jugendzentrum, beim Sportfest, in der Disco. Schon nach der Ankunft im Übergangswohnheim im oberpfälzischen Weiden lernte Kerstgens Einwanderer kennen, fragte sie nach ihren Wünschen und Träumen, war sich von Beginn an sicher, dass diese Menschen „etwas Wichtiges nach Deutschland mitbrachten, was unsere Kultur bereichert“.

Eine Einstellung, die die Menschen offensichtlich spürten: Solche Aufnahmen, wie sie Kerstgens gelangen, können nur entstehen, wenn zwischen Porträtierten und dem Fotografen ein Vertrauensverhältnis besteht.

Zur Ausstellung erschien das Buch „Neues Leben. Russen Juden Deutsche“ mit Texten von Hanno Loewy und Wolfgang Büscher im Kehrer Verlag, Heidelberg (ISBN 978-3-86828-277-1), 29,90 Euro.