Oberhausen. . Schon die Antonyhütte verschmutzte den Elpenbach. Gift und Dreck sind Schattenseiten der Wirtschaft. Ein Bewusstsein dafür entwickelte sich nur langsam
Ende des 18. Jahrhunderts gab es so etwas wie ein Amt für Umweltschutz nicht. Sonst hätten die Nonnen des Klosters Sterkrade eine Anlaufstelle für ihre Beschwerden gehabt. Denn dass es keinen behördlichen Wächter und keine Gesetze zum Schutz der Natur gab, heißt nicht, dass damals alles in Ordnung war.
Negative Folgen fürs Wasser
Im Gegenteil, die Industrialisierung nahm Fahrt auf und die Nonnen beklagten, dass der Betrieb der Antonyhütte für das Wasser des Elpenbaches negative Folgen habe. Zum Waschen und Kochen wäre es nicht mehr zu gebrauchen, das Säubern der Erze verunreinige den Bach, Forellen- und Mühlenteiche verschlammten.
Helmut Ploß, Mitarbeiter des Bereichs Umweltschutz bei der Stadtverwaltung Oberhausen, erzählt diese Anekdote. Ploß, Helmut Czichy, Leiter des Bereichs Umweltschutz, und Heinrich Bahne, langjähriger Vorsitzender des Landschaftsbeirates, halten zum 150. der Gemeindegründung Oberhausens eine Rückschau in Sachen Umweltschutz.
1984 reagierte die Stadt
Ein Bewusstsein dafür, dass eine florierende Wirtschaft, dass wachsender Wohlstand in Oberhausen Schattenseiten haben, entwickelte sich langsam. „Der Begriff Umweltschutz kam in den 1970er Jahren auf“, sagt Helmut Ploß.
Dabei ging es nicht nur um lokale Themen, die Öffentlichkeit diskutierte das Phänomen Smog, die Ölkrise oder den Ausbau der Atomenergie, es gründeten sich Bürgerinitiativen und sogar eine Partei, die den Naturschutzgedanken zum Kernpunkt ihres Programms machte: Der Oberhausener Kreisverband der Grünen, der Anfang der 1980er Jahre zusammenfand, war bundesweit einer der ersten.
1984 reagierte die Stadt und gründete den „Bereich Umweltschutz“ (damals Amt für Umweltschutz) in seiner heutigen Form, so Helmut Czichy, der von Anfang an dabei war. „Im Sommer 1985 haben wir unsere Arbeit aufgenommen, damals mit sechs Mitarbeitern, heute sind es 45“, sagt der Bereichsleiter.
Luftverschmutzung war Übel für die Gesundheit
Das heißt nicht, dass sich vor 1984 die Verwaltung gar nicht um Natur und Umweltschutz gekümmert hatte, aber die Zuständigkeiten waren auf verschiedene Behörden verteilt.
Luftverschmutzung, die Folgenutzung von Industriebrachen mit belasteten Böden und der Schutz von Freiflächen – von denen es wegen der dichten Siedlungsstruktur in Oberhausen wenig gibt –, skizziert Helmut Czichy als die Merkmale und besonderen Herausforderungen in dieser Stadt in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg.
Was die Luftverschmutzung in den 50er Jahren angeht, so prägen die damaligen Verhältnisse zum Teil noch heute die Vorstellungen vom Ruhrgebiet: rauchende Schlote, Ascheflocken, die vom Himmel fielen und der reinen Wäsche auf den Leinen vor den Zechenhäusern den Garaus machten.
Rachitis, Bronchitis und Bindehautentzündungen
War die Wäsche das kleinere Problem, so bestimmt nicht die Gesundheit der Menschen. „Das muss sehr übel gewesen sein“, kommentiert Helmut Ploß die Zustände, die die Emissionen von Zechen-Kraftwerken, Kokereien, Eisenhütten, Hausbrand und Dampflokomotiven verursachten.
Ende der 1950er Jahre hatte der Oberhausener Amtsarzt Klaus-Peter Faerber „eine Studie über die Luftbelastungen und die daraus folgenden Erkrankungen bei Kindern gemacht“, so Helmut Ploß. Im Vergleich mit Kindern vom Niederrhein wies Faerber nach, dass Kinder in Oberhausen signifikant häufiger an Rachitis, Bronchitis oder Bindehautentzündungen litten.
Fotos zeigen 150 Jahre Oberhausen
Die Luftverschmutzung wurde zum großen politischen Thema, als der SPD-Kanzlerkandidat Willy Brandt 1961 in seinem Wahlkampf forderte: „Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden“. Damals klang diese Forderung utopisch, gab es doch kaum Gesetze, die den Verursachern der Luftverschmutzung Einhalt geboten hätten.
Öffentliches Bewusstsein änderte sich
Klagen über die Belastungen wurden „mit der Ortsüblichkeit in Industrieregionen abgeschmettert“, sagt Helmut Ploß. Aber das öffentliche Bewusstsein änderte sich und fand auch Eingang in Gesetze: Ploß nennt als Beispiel und Meilenstein das Landesimmissionsschutzgesetz von 1961.
Die Politik der hohen Schornsteine war eine weitere Reaktion auf die dicke Luft in Oberhausen und im übrigen Ruhrgebiet. Mit im wahrsten Sinne des Wortes weitreichenden Folgen: Die Schadstoffe verflüchtigten sich nicht, sondern kamen anderswo wieder herunter und verseuchten dort Böden (Stichwort „Waldsterben“).
Das Müllvolumen wuchs an
Ein anderes Umweltproblem ergab sich im Verlauf der 1960er Jahre durch den wachsenden Wohlstand und die wachsende Bevölkerung in Oberhausen: „Die Lebensgewohnheiten veränderten sich“, sagt Helmut Ploß. „Es gab zunehmend Wegwerfartikel, viel mehr Verpackungen und Plastiksachen mit einem geringeren Haltbarkeitswert.“
Die Folge: Die Oberhausener produzierten mehr Müll. Die vorhandenen Kies-, Sand- und Tongruben, die bis dato mit den Abfällen verfüllt wurden, reichten längst nicht mehr aus.
Ploß berichtet, wie 1968 die geordnete Deponie am Standort Hühnerheide in Betrieb ging, die auch den Vorgaben für Gewässer- und Grundwasserschutz entsprach.
Doch auch mit dieser Deponie reichte das Kippvolumen nicht aus, so Ploß, und so entstand 1972 durch den Umbau des Kraftwerkes der Zeche Concordia eine Müllverbrennungsanlage, die als Gemeinschaftsmüllverbrennungsanlage (GMVA) von den Städten Oberhausen, Duisburg, Dinslaken, Moers und Voerde beliefert wurde.
Belastete Böden blieben zurück
Wie schon erwähnt, war eine andere große Herausforderung in Oberhausen die Bodenbelastung: Dort, wo sich Stahl- und Bergbauindustrie sowie dazugehörendes Gewerbe in Zeiten des Strukturwandels zurückzogen, hinterließen sie Flächen. Diese sollten, berichtet Helmut Czichy, „für neues Gewerbe, für Freizeit und für neue Arbeitsplätze genutzt werden“.
Proteste zeigten Wirkung
In den 70er und 80er Jahren gab es wenig Erfahrungen mit Bodenbelastungen, es fehlten Daten, Kenntnisse über die Stoffe und ihre Wirkung sowie Gesetze. „Wir haben in Oberhausen an der Methodik mitgewirkt, solche Altlastengefahrenabschätzungen vorzunehmen“, sagt Umweltamtsleiter Helmut Czichy.
Ein Beispiel für die Folgenutzung eines industriellen Areals, das durch Gift im Boden zunächst lahmgelegt wurde, ist das soziokulturelle Zentrum Altenberg an der Hansastraße. Anfang der 1980er Jahre war die ehemalige Zinkfabrik stillgelegt worden, Grundstück und Gebäude etablierten sich als Ort für Kultur und Kreativität. 1986 musste das Areal abgesperrt und saniert werden, so Ploß und Czichy, weil sich die Schwermetalle Quecksilber und Kadmium auf dem Gelände fanden.
Sicherung von Freiräumen und Umweltzonen gegen Feinstaub
„Die Sicherung von Freiräumen in der Stadt hatte in den 80er- und 90er Jahren eine große Bedeutung“, spricht Helmut Czichy ein anderes Thema an.
Als Beispiel nennt er hier den Widerstand von Bürgern gegen den Plan, durch das Hexbachtal eine Nord-Süd-Autobahn zu bauen als Verlängerung der A 31. Dieser Protest begann schon in den 70er Jahren, „aber da wurde fast zehn Jahre diskutiert“. Und die Bahn schließlich nicht gebaut.
Proteste am Grafenbusch
Ein anderes Beispiel sei der Grafenbusch, hier hätten Bergbau und Bezirksregierung geplant, eine Bergehalde anzulegen. Bürger protestierten, der Wald blieb erhalten.
Die Ausweisung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten sei für die Sicherung der Freiflächen wichtig gewesen, so Czichy. Teilweise durchgesetzt im Streit mit Landwirten, Grundbesitzern und Industrie. „Es war schwierig, Menschen, die noch andere Zustände kannten, davon zu überzeugen, dass Umweltschutz ein Standortentwicklungsfaktor ist.“
Belastende Feinstaubwerte
Mit dem Thema Feinstaub ergibt sich die Klammer zu der Luftbelastung in den 50er und 60er Jahren. Durch den Strukturwandel und neue Filtertechniken hat sich zwar die Belastung deutlich verringert, aber der gewachsene Straßenverkehr ist als Verursacher für belastende Feinstaubwerte verantwortlich.
2008 wurde der erste Luftreinhalteplan Ruhrgebiet aufgestellt, der zum Beispiel die Einrichtung von Umweltzonen zur Folge hatte. 2011 trat der neue Luftreinhalteplan Ruhrgebiet in Kraft, der die Umweltzonen ausweitete.
Themen der Zukunft
Nach den Herausforderungen der Vergangenheit – was steht in der Zukunft an: Helmut Czichy nennt die Themen Kilmaschutz, „die lokale Reduzierung des CO2-Ausstoßes“, das Problem der Überhitzung der Städte, den Emscherumbau und die weitere Renaturierung von Bachwasserflächen, den Erhalt der Artenvielfalt in den Naherholungsgebieten und auf den ehemaligen Industriebrachen, die sich die Natur zurückerobert hat. Für den städtischen Bereich Umweltschutz wird es weiter viel zu tun geben.