Wer wegzieht, kommt irgendwann zurück nach Oberhausen-Lirich
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Oberhausen. . „Lirich ist mittlerweile ein Magnet“, ist der Vorsitzende der Interessengemeinschaft überzeugt.Klaus Brixa schätzt seinen Stadtteil, spart aber auch nicht mit Kritik.
„Lirich – klein und schmierig“: Wenn Klaus Brixa (59) diesen Spruch hört, stehen ihm die Haare zu Berge. „Das ist Vergangenheit“, betont der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Lirich (IGL). „Vor gut 40 Jahren beherrschten die Zechen das Bild und es lag immer ein brauner Schleier über unserem Stadtteil.“ Heute dagegen sei Lirich ein Magnet. „Alle, die wegziehen, kommen irgendwann wieder.“
Wir brausen mit dem Pkw los, um das neue – auch grüne – Lirich zu erkunden. Vorbei geht’s an der Autobahnabfahrt A3 aus Richtung Köln. „Da müsste dringend eine Ampelanlage hin“, wirft Brixa ein. „Denn an dieser Stelle staut sich der Verkehr regelmäßig bis auf die Autobahn zurück, das ist zu gefährlich.“
Ärgernis: Sperrmüll
An der Grünstraße stapelt sich das nächste Ärgernis: „Da die Seitenränder von der Hauptstraße aus nicht einsehbar sind, werden sie gerne von Transportern angefahren, die hier Sperrmüll umladen und einfach liegenlassen, was sie nicht gebrauchen können“, erzählt Brixa.
Das Stadtteilbüro wurde 2003 eingerichtet. Mit aktiver Beteiligung der Bürger sollte der nach dem Zechensterben zum sozialen Brennpunkt gewordene Stadtteil neu belebt werden. Mittlerweile mit einigem Erfolg.
Idyllisch: Der kleine Hafen
Hinter der nächsten Kurve zeigt Lirich plötzlich sein zweites Gesicht: Wildkräuter verwandeln das Ufer des Rhein-Herne-Kanals in ein Farbenmeer. „Hier kann man prima spazieren gehen“, verrät Brixa. Gegenüber liegt – idyllisch im Oberwasser der Schleuse Oberhausen – ein kleiner Hafen. „Der wurde anfangs ziemlich belächelt“, erinnert sich Brixa.
Das kann auch Hafenmeister Heinz Brieden bestätigen. Gegründet worden sei der Anlegeplatz für Sportboote 1992 vom Verein Hafen Oberhausen. Zwei Jahre später führte der damalige nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) die feierliche Eröffnung durch. „Ihm haben wir es zu verdanken, dass der Rhein-Herne-Kanal für die Sportboot-Schifffahrt geöffnet wurde“, sagt Brieden.
Damit mussten auch die Schleusen rund um in die Uhr in Betrieb bleiben. „Das ist bis heute so“, sagt der Hafenmeister stolz. Der Hafen bietet Platz für rund 20 kleine und mittlere Sportboote. Viele Eigner sind Stammgäste. Das mag wohl auch daran liegen, dass die Liegegebühren seit 18 Jahren nicht erhöht worden sind.
Ausflugstipp: Friedhof
Das vor kurzem neu eröffnete Restaurant „Zum Anker“ befindet sich in direkter Hafennähe – und profitiert von seinem Biergarten am Kanal. Das Lokal werde jetzt von einer ehemaligen Steuerfachgehilfin und ihrer Tochter geführt. „Die haben das liebevoll aufgemöbelt und die Speisekarte ist wirklich gut“, schwärmt Klaus Brixa.
Der West-Friedhof in Höhe der Schleuse gilt bei den Lirichern längst als Ausflugstipp. „Mit dem alten Baumbestand gleicht er einer Parkanlage“, meint Brixa. Außerdem werde dort wenigstens Wert auf Sauberkeit gelegt. „Was man vom Heinrich-Jochem- und vom Altenberg-Park nicht behaupten könne. „Das sind bessere Hundeausführ-Wiesen.“
Stehe im Januar das Lichterfest im Jochem-Park an, seien die Mitarbeiter der OGM so nett, das Schlimmste zu beseitigen. „Sonst käme keiner unserer rund 3500 Besucher trockenen Fußes über dieses Gelände.“ Tütenspender könnten da vielleicht Abhilfe schaffen, schlägt Brixa vor.
Müllverbrennung: ein Schock
Ein ziemlicher Schock sei es für die Liricher gewesen, als nach der Stilllegung der Zeche Concordia im Jahr 1968 ausgerechnet in ihrem Ortsteil eine Müllverbrennungsanlage errichtet wurde. Schließlich war Lirich bereits lange Jahre vom Bergbau geprägt worden. Schon 1850 war in der Nähe des Bahnhofs mit dem Abteufen des Schachtes 1 begonnen worden. Und die benachbarte Kokerei hatte viele Jahre diesen berüchtigten Schmierfilm über den Ort gelegt.
Befindlichkeiten, die der Geschäftsführung der GMVA – Gemeinschafts Müllverbrennungsanlage GmbH – durchaus bewusst sind. „Die bieten regelmäßig Führungen an, um vor allem den Lirichern die Bedenken zu nehmen“, bestätigt Klaus Brixa. Er habe selbst mehrfach daran teilgenommen und sei so zu der Erkenntnis gekommen: „Das ist dank neuester Filtertechnologie doch ein sauberer Laden.“
Bero-Zentrum: ein Glücksfall
Auf dem Gelände der Zeche Concordia befindet sich heute unter anderem das Bero-Einkaufszentrum. „Ein Glücksfall für Lirich“, sagt Brixa. Denn dort gebe es so gut wie alles. Was man für die Einkaufsstraße von Lirich-Nord, die Wilmsstraße, nicht behaupten könne. „Es fehlt ein zweiter Lebensmittelmarkt“, bemängelt Brixa. Immerhin: Bäckerei, Blumenhändler und Apotheke schlügen sich noch wacker. Die Geschäfte im Süden, an der Duisburger Straße, dagegen litten unter den seit Jahren andauernden Kanalbauarbeiten, die erst 2013 abgeschlossen sein sollen. „Bis dahin könnte so manchem Geschäftsmann die Luft ausgehen“, befürchtet Brixa.
Mehr Zuzüge als Abwanderungen
In Lirich leben 15.196 Menschen. 5620 Einwohner sind katholisch, 3758 evangelisch, 5818 gehören einer anderen oder keiner Religion an. 2656 Menschen haben keinen deutschen Pass.
Die Arbeitslosenquote beträgt 12,8 Prozent. 595 Menschen zogen 2011 aus Lirich und damit aus Oberhausen weg, 664 zogen hin. 1159 Personen wechselten von einem anderen Stadtteil Oberhausens nach Lirich, 1217 zogen in ein anderes OB-Quartier fort.
Die Bahnunterführungen benötigten dringend eine Verschönerungskur. Das müsse gar keine große Sache sein. „Wie wäre es mit Leuchtinstallationen – vielleicht fühlt sich ja jetzt ein Künstler inspiriert“, hofft der IGL-Vorsitzende.
Kultur: Musik und Theater
Kulturell habe der Stadtteil viel zu bieten: „Musik-Aufführungen verschiedenster Art im Zentrum Altenberg oder im Druckluft (übrigens mit dem ersten Veganer-Restaurant der Stadt), tolles Theater rund ums Thema Schlager in der Niebuhrg und das Industriemuseum.“
Auch das Gemeindeleben sei rege. Die Ev. Emmaus-Kirchengemeinde und die nun zur Großgemeinde St. Katharina gehörende ehemalige St. Marien-Gemeinde arbeiteten eng zusammen. Beide konnten ihre Jugendzentren (bei den Katholiken mit Unterstützung der Stadt) erhalten.
Sport: für Jugendliche interessant
Dies, aber auch das aktive Vereinsleben des DJK Arminia Lirich, der vor allem Fußballverein ist, aber auf Anfrage auch Trendsportarten anbietet, mache Lirich auch für die Jugend wieder interessanter. „Deshalb ziehen wohl auch verstärkt Familien hierher“, freut sich Klaus Brixa, der sich über die Wiederkehr von Bekannten freut: „Ich sag ja, Lirich ist längst ein Magnet geworden.“
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