Oberhausen. Schlechte Nachrichten ist Oberhausen gewohnt, aber nicht alle mag man bei der Stadt so stehen lassen. Aktuelles Beispiel: die Zahl der Unternehmenspleiten

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, sagt der Volksmund. Und während die Opposition der Stadt zuletzt oft vorwarf, das Stigma der Schuldenmetropole durch Interviews und öffentliche Auftritte noch zu verfestigen, konnte man nun das Gegenteil beobachten. Dass Oberhausen bei den Unternehmenspleiten zugelegt hat – diese Nachricht wollte man im Rathaus nicht auf sich sitzen lassen. Ein Frontbericht vom Kampf um die statistische Deutungshoheit.

Was war passiert? Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hatte einen von ihr ermittelten Risikofaktor für Unternehmenspleiten veröffentlicht. Demnach ging die Gefahr für Firmen, dichtmachen zu müssen, im vergangenen Jahr überall im Ruhrgebiet zurück – außer in Oberhausen. Oberhausen sei die einzige Stadt, in der es 2011 mehr Schließungen gab als 2010, nämlich 223 im Vergleich zu 205, so Thomas Glatzel, Geschäftsführer der Creditreform Bochum.

Wirtschaftslage stabilisiert sich

Die Stadt wies diese Deutung umgehend zurück. Die Aussagen seien „unzutreffend, nicht nachvollziehbar und standortschädlich“, sie beruhten auf zweifelhaftem Zahlenmaterial. Daten des statistischen Landesamtes NRW bewiesen vielmehr, dass Oberhausens Firmenlandschaft vergleichsweise gesund sei. „Oberhausen verzeichnete demnach mit 129 Unternehmensinsolvenzen einen Rückgang von elf Prozent“, so die Stadt in einer Stellungnahme. Ihr Fazit: „Die Wirtschaftslage in Oberhausen stabilisiert sich weiter.“

Falsche Zahlen? I wo, sagt Thomas Glatzel von der Creditreform. „Unsere Datenbasis ist die größere, wir haben 4,2 Millionen aktive Unternehmen.“ Anders als statistische Landesämter berücksichtige man deshalb nicht nur die Insolvenzen, sondern erfahre auch von Pleiten von Kleinstunternehmern, die lediglich den sogenannten Offenbarungseid ableisteten. Den Widerspruch aus Oberhausen schreibt Glatzel dem Wahlkampf zu. „Wir machen das seit Jahren, mit ähnlichem Ergebnis. In Oberhausen hat das nie jemanden interessiert.“

"Das ist eine Momentaufnahme"

Gleichwohl: Selbst bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) in Essen, um Kritik an der Oberhausener Wirtschaftspolitik sonst nicht verlegen, äußert man sich zurückhaltend. „Das ist eine Momentaufnahme, die man nicht überbewerten sollte“, sagt Michael Bromby, Geschäftsführer für Service, Organisation und Finanzen. Um ein aussagekräftiges Bild zu bekommen, müsse man zum Beispiel auch die Arbeitslosenquote einbeziehen und die Frage beantworten, ob vor Ort möglicherweise viele Hartz IV-Empfänger zu einer Selbstständigkeit ermuntert worden seien, die mancher nicht bewältigen konnte.

„Da geht es oftmals um Einzelschicksale“, sagt auch Wolfgang Große Brömer, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, der es gewohnt ist, den Ruf der Oberhausener Wirtschaftspolitik verteidigen zu müssen. „Unternehmenspleite ist nicht gleich Unternehmenspleite.“ Zudem sei die Stimmung in der örtlichen Wirtschaft seines Eindrucks nach eher optimistisch als depressiv.

„Brauchen echte Wirtschaftspolitik“

Das zieht die Opposition erwartungsgemäß in Zweifel. Trotz aller Fragezeichen sieht CDU-Fraktionschef Daniel Schranz die Creditreform-Werte als Mahnung. Es gebe nach wie vor vielerlei Faktoren, die sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt auswirkten. Dazu zähle das „Schlechtreden des Standorts“ ebenso wie der stetig steigende Gewerbesteuersatz und der Mangel an Gewerbeflächen sowie an der Erschließung der bestehenden für den Verkehr. „Wir brauchen eine echte Wirtschaftspolitik.“