Oberhausen. .

Schnäpse gibt’s, um die ranken sich Legenden. Dass einer dieser sagenumwobenen Schnäpse seinen Ursprung in ihrer Heimatstadt (genauer: in Lirich) hat, ist vielen Oberhausenern unbekannt. „Artilleriefeuer“, sagen Stefan & Kirsten Wollberg, die heutigen Firmeninhaber, „löst bei vielen Wirten und Restaurantbesitzern immer noch Respekt aus, weswegen es leider auf kaum einer Oberhausener Speisekarte zu finden ist“.

Respekt vor der Legende, muss man allerdings hinzufügen. Der Legende nach nämlich ist in der einzigen Kneipe, die den Namen „Artilleriefeuer“ trug, der Schnaps gleichen Namens allenfalls drei Mal an einen Gast ausgeschenkt worden. Danach habe er das Lokal (zwei Stufen abwärts) an der Friedrich-Karl-Straße verlassen und geraden Schrittes erneut einkehren müssen – erst dann gab’s den nächsten. . ., aber der vierte hätte dann auch wirklich gereicht.

Sauerkirsch-Note und Süße

Fabel, sagt der Chronist, fabelhaft sagt der Connaisseur derartiger Getränke. Artilleriefeuer schmeckt nämlich einzigartig: hinter Sauerkirsch-Note & Süße entfaltet sich der fruchtige Strauß des hohen Sommers, bevor sich beinahe unmerklich, aber doch nicht wirklich zu überschmecken, Schärfe an die Geschmacksknospen schleicht und schlussendlich Oberhand gewinnt.

Das ist Sache der seit mehr als 106 Jahren geheimen Rezeptur einerseits, andererseits des 40-prozentigen Alkoholanteils. Für einen „Fruchtbitter“ ist das ungewöhnlich hoch, liegt klar über Alltagsschnäpsen und weist auf Klasse, denn: Je höher wir im „Brannt“ sind, desto reiner ist das Getränk. Bei solchen Abmessungen – und besonders den Distanzen zwischen Süß und Scharf – vertut sich natürlich mancher. Das mag die vielen, meist lustigen Geschichten erklären, die sich um den Schnaps mit dem martialischen Namen winden.

"Rotes Gesöff"

„Bei der Bundeswehr“, weiß Kirsten Wollberg, „wird regelmäßig ‘Artilleriefeuer’ bestellt, für Kasinos und Kantinen. Das gehört einfach dazu.“ Passt eben. Dass mal eine E-Mail-Bestellung aus dem afghanischen Kundus kam, will die junge Wollberg-Generation eigentlich nicht so an die große Glocke gehängt wissen, aber es gehört so zum Geschäft wie auch die bisweilen eintreffenden „Empörungen“ über das militaristisch anmutende Emblem des „roten Gesöffs“.

Seine Geschichte ist etwas merkwürdig, denn erfunden wurde das Getränk nämlich ausgerechnet bei den „Chemischen Fabriken“ Krebber in Lirich. „So ungewöhnlich ist das nicht“, meint Stefan Wollberg, „andere weltbekannte Marken sind ähnlichen Ursprungs“. Vom Liricher Krebber aus gingen in den 40ern Lizenzen und Patente an die Mülheimer Firma Reer und von da 1967 an die Familie Wollberg.

Alkohol aus dem Bundesmonopol

Die destilliert nicht selbst, sondern bezieht – wie fast alle in der Branche – Alkohol beim Bundesmonopol. Dann werden Kräuter und Fruchtauszüge hergestellt, also der „geheime Grundstoff“, zugesetzt, abgefüllt und etikettiert. Artilleriefeuer ist nicht der einzige, aber bekannteste Schnaps von der Wehrstraße im Oberhausener Süden.

Seit kurzem wird bei den Wollbergs der „Alte Osterfelder“ als Kräuterlikör wieder aufgelegt. „Als regionales Unternehmen sind wir insgesamt mit den Verkaufszahlen sehr zufrieden“, sagt Stefan Wollberg, „Artilleriefeuer ist nicht langweilig. Man mag es oder man mag es nicht. Aber anders wollen wir das auch gar nicht. Viel schlimmer ist es doch, wenn ein Produkt langweilig und nichtssagend ist.“