Oberhausen. Sie wollen keinen neuen Lebensmittelmarkt, sondern die Lage im Stadtteil verbessern. Bessere Parkplatzsituation und Mitsprache bei neuen Geschäften gefordert

Im Holtener Edeka-Markt „Nah & Gut“ schiebt ein älterer Mann den Einkaufswagen vor sich her. Nektarinen hat er bereits gefunden, nun sucht er nach Alufolie. Wie selbstverständlich bleibt der Senior vor der schlanken, kurzhaarigen Frau im karierten Hemd stehen. Sie mag kein Namensschild und auch keine Uniform tragen, der Holtener weiß trotzdem: „Frau Wehrmann, könnten Sie mir weiterhelfen?“

Claudia Wehrmann führt den Markt „Nah & Gut“ in Holten. Jenes Geschäft, das nach den letzten Äußerungen von Vertretern der Interessengemeinschaft Holten (IGH) ins Gespräch gekommen ist. Die IGH-Vorsitzenden hatten sich für ein neues Lebensmittel-Center mit einem Vollsortimenter ausgesprochen, einem Kundenmagneten, der abgewanderte Verbraucher zurück nach Holten locken soll. Der aber die Existenz von Claudia Wehrmann gefährden würde.

Unsicherheit erschwert Geschäft

Kurz nachdem sie das rund 580 Quadratmeter große Ladenlokal vor zweieinhalb Jahren übernommen hatte, war das neue Lebensmittel-Center ins Gespräch gekommen. „Seitdem geistert diese Idee durch Holten“, sagt Wehrmann. Sie wünscht sich vor allem eins: Gewissheit. „Ich würde gerne in mein Geschäft investieren, aber nicht, wenn die Zukunft so unsicher ist.“

Holten, sagt Christiane Wilms, brauche keinen neuen Lebensmittelhändler. „Für unsere Verhältnisse ist alles da, was wir brauchen.“ Wilms ist Pfarrerin im evangelischen Bezirk Holten-Eichelkamp der Kirchengemeinde Holten-Sterkrade. Sie sagt, den Stadtteil zeichne gerade das familiäre Umfeld aus. Ein neuer großer Supermarkt würde dieses kaputt machen.

In Holten zählen Nachbarschaft und Vereinsleben

Dass Holten auszusterben drohe, wie von IGH-Vertretern formuliert, glaubt sie nicht: „Im Gegenteil. Viele junge Familien ziehen zu uns, nicht wegen der Einkaufsmöglichkeiten, sondern weil hier andere Dinge zählen. Nachbarschaft, ein engagiertes Vereinsleben.“ Eng sei die Bindung zu den Geschäftsleuten, stimmt der 46-jährige Anwohner Jörg Chlewboski zu: „Man wird persönlicher und ehrlicher beraten als in einem großen Center.“ In Holten einzukaufen, das hat für ihn wie auch für Christiane Wilms eine soziale Komponente: „Bei Frau Wehrmann arbeiten viele Holtener.“

Um Holten attraktiver zu machen, sagt Werner Lantermann, Sozialpädagoge und Jugendleiter im Gemeindebezirk, sei notwendig, die Verkehrssituation am Marktplatz zu verändern. „Man muss im Moment mit dem Einkaufswagen vom Supermarkt über die Straße zum Parkplatz. Ein Umstand.“ Er fordert ein Geschäftsstraßenkonzept. „Hier eröffnen Läden, die sich nicht an unserem Bedarf orientieren.“ Er nennt eine Parfümerie, die bereits wieder geschlossen hat. „Brauchten wir nicht, dafür aber eine Drogerie.“

Alten Zuständen einer pulsierenden Einkaufsstraße hinterher zu rennen, das bringe nichts, sagt Peter Heift, Sprecher der Holtener Vereine und Verbände. „Holtens Fluch und Segen ist seine zentrale Lage.“ Einem neuen Lebensmittelmarkt gegenüber ist er nicht abgeneigt, sagt aber auch: „Holten muss seinen dörflichen Charakter wahren.“

Verbände schließen sich zur Gemeinschaft zusammen

Die Vereinskultur in Holten wird groß geschrieben. Um sich gemeinschaftlich für die Interessen Holtens einzusetzen, wollen die Verbände, Kirchen und Kaufleute sich bald zur „Holtener Interessen- und Bürgergemeinschaft“ (Hib) zusammenschließen. Erklärtes Ziel: Förderung des Brauchtums und der Vereinsangebote.

„An dieser Gemeinschaft sollen sich auch Bürger beteiligen können“, sagt Peter Heift, Sprecher der Holtener Vereine und Verbände. Pfarrerin Christiane Wilms ergänzt, man wolle Bürger befragen, auch wenn es etwa um den Holtener Wochenmarkt gehe. „Jede Veränderung des Angebots dort muss Hand und Fuß haben.“