Oberhausen. Bedarf an Organenen wächst jährlich. WAZ-Debatte mit Experten über das Angst-Themazeigte auch: Die Krankenhäuser nutzen Potenziale aus Kostengründen nicht
Spürt es ein Toter, wenn ihm Organe entnommen werden? Wie sicher ist die Diagnose „Hirntod“?
Unsicherheit, Sorgen und vor allem Ängste sind mit dem Thema „Organspende“ verbunden. In dem von der AOK und der WAZ veranstalteten Medizinforum am Donnerstag war dies zu spüren – und zu sehen: Nur 30 Besucher kamen, bei anderen Medizinthemen hören oft weit über 100 Gäste zu.
„Wenn es um Organspende geht, herrscht bei den meisten Verdrängung“, brachte es Gisela Schmitt-Cadeddu vom Patientenverband „Bridge2Life“ auf den Punkt.
Auch der Papst ist Organspender
Die WAZ packte das heiße Eisen in einer Expertenrunde an, die sich nicht nur aus Medizinern zusammensetzte. So räumte Stadtdechant Peter Fabritz gleich zu Beginn mit einer Sorge auf: Ethisch habe er keine Bedenken, „die Organspende ist für beide Kirchen ein Akt der Solidarität, eine edle Tat“. Eine Diskussion um die rein medizinische Diagnose ‘Hirntod’ gebe es nicht. „Der Papst selbst hat ja einen Organspendeausweis.“
Denn der Bedarf an Nieren, Herzen, Leber und anderen lebenserhaltenden Organen wächst: Mehr lebensbedrohlich Erkrankte stoßen auf eine international sehr niedrige Zahl an Spendern in Deutschland. Gerade mal 4000 in Kliniken verstorbene Menschen wurden 2011 hier als mögliche Organspender eingestuft – von ihnen aber verfügte nur ein Prozent über einen Spenderausweis. Der Spendermangel liegt vor allem auch darin, weil zu wenige Menschen diese Frage für sich klären.
Bundestag hat Gesetz beschlossen
„Wie also schafft man mehr Bereitschaft?“, hakte Moderator Peter Szymaniak, WAZ-Redaktionsleiter, nach. Der Bundestag hat vor kurzem parteiübergreifend ein Gesetz beschlossen, das zwar auf regelmäßige Erinnerung durch die Krankenkassen, aber eben weiterhin auf Einsicht und Freiwilligkeit setzt. Rafael Schäfers, Chefarzt der Klinik für Nierenkrankheit im Oberhausener Johanniter Krankenhaus, sieht darin eine vertane Chance, um deutlich mehr Organspender zu gewinnen: „Ich hätte mir eine Widerspruchslösung wie in Spanien und Österreich gewünscht.“ Dort gilt jeder automatisch als Organspender, der nicht schriftlich dazu „Nein“ gesagt hat.
Fabritz und Allgemeinmediziner Peter Kaup halten dagegen diese Lösung für falsch, sie übe zu viel Druck auf den mündigen Bürger aus, der sich freiwillig und ohne Zwang für die Spende entscheiden können müsse. Kaup rät: „Diese wichtige Lebensfrage sollte vorher in der Familie besprochen werden, sonst bleibt die schwere Entscheidung im Fall des Falles an den Angehörigen hängen.“
Falsche Anreize
AOK-Regionaldirektor Hans-Werner Stratmann warnte vor Überlegungen, Organspenden mit Geldzuwendungen steigern zu wollen oder gar Kranken Organe zu verweigern, wenn diese sich zuvor entschieden hatten, selbst keine Organe zu spenden. „Das ginge in die falsche Richtung.“
Den Mangel an Organen haben aber auch die Krankenhäuser selbst zu verantworten, stellte sich in der Debatte heraus: Klinik-Ärzte fragten in geeigneten Fällen häufig nicht bei den Angehörigen nach, ob Organe entnommen werden dürfen. Sie scheuten etwa das heikle Gespräch oder die Klinikleitung befürchte, dass die Kosten der Organentnahme nicht refinanziert würden. „Ein wunder Punkt“, räumte Chefarzt Schäfers ein.
Das neue Bundesgesetz sorgt nach Ansicht der Fachleute auf dem Podium auch hier für Verbesserungen: Die Krankenhäuser sind künftig verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten bereit zu stellen. Die Finanzierung der Entnahme, sagte Stratmann, werde nun klar durch die Krankenkasse des Empfängers gewährleistet.
Wie sieht der tote Angehörige nach der Entnahme aus?, sorgte sich eine Zuschauerin konkret: Lässt sich danach Abschied nehmen? Chefarzt Schäfers konnte beruhigen: „Er sieht aus wie nach einer ganz normalen Operation.“