Oberhausen. Vor einem Jahr trat das das Bildungs- und Teilhabepaket in Kraft, das bedürftigen Kindern zu Gute kommen sollte. Doch nur ein Fünftel der bereitstehenden Gelder wurde bislang bundesweit abgerufen. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes für die Region Mülheim-Essen-Oberhausen macht die Bürokratie dafür verantwortlich.
Das Bildungs- und Teilhabepaket, das bedürftigen Kindern aus Hartz-IV Familien zu Gute kommen sollte, kann man, ein Jahr nach Inkrafttreten, keineswegs als Erfolgsmodell bezeichnen. Bundesweit wurden nur ein Fünftel der bereitstehenden Gelder abgerufen, die für Nachhilfe, Schulessen oder etwa den Musikunterricht gedacht sind. In Oberhausen sieht die Situation, laut aktuellen Zahlen des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums, nicht wirklich anders aus. Hier wurden von 2.521.867,74 verfügbaren Euro nur 429.908,97 Euro bewilligt. Zahlen, die Anlass zu Kritik geben.
Dieter Hillebrand, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für die Region Mülheim-Essen-Oberhausen, spricht von einem „formalen Monstrum“, das mit dem Bildungspaket aufgebaut wurde. „Wir müssen versuchen, die Menschen zu erreichen. Das ist bisher noch nicht ausreichend gelungen.“ Verantwortlich dafür macht Hillebrand vor allem den bürokratischen Apparat, der die ganze Angelegenheit verkompliziere.
Materielle Not wird nicht gelindert
Außerdem kommt dem Gewerkschaftler der Bildungsaspekt weiterhin zu kurz. „Zumeist werden die Gelder für Klassenfahrten oder Ausflüge beantragt. Das ist zwar legitim, trifft aber die Grundidee nicht wirklich.“ Sein Fazit: „Das reicht nicht, um die Leute aus ihrer materiellen Not zu bringen.“
Ursula Jakobs, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Oberhausen, teilt diese Kritik. „In vielen Bereichen haben wir unglaublich viel Bürokratie. Das Paket ist nicht sehr effizient, kompliziert und schwierig in der Anwendung.“ Darum seien die geringe Inanspruchnahme nicht verwunderlich. „Es wird noch nicht so abgerufen wie erhofft.“ Als einen positiven Aspekt des Bildungs- und Teilhabepakets sieht Jakobs aber die Schaffung von 26 Stellen in der Schulsozialarbeit. „Das bietet eine große Chance.“
Alle Befürchtungen wurden bestätigt
Generell glaubt Jakobs, dass dieses Vorgehen der richtige Ansatz ist. „Mehr Stellen in den sozialen Einrichtungen wie Kitas oder Schulen zu schaffen, ist der richtige Weg.“
Josef Vogt, Sprecher des Jobcenters, das für den Großteil der anspruchsberechtigten Kinder zuständig ist, berichtet von einer zunehmenden Inanspruchnahme: „Nach zögerlichem Start wird das Paket inzwischen stärker angenommen.“ Er schränkt aber ein: „Von der Erwartung, alle Berechtigten würden das in Anspruch nehmen, sind wir von vornherein nicht ausgegangen.“ Die Irritationen, die vor allem zum Start des Paketes auftraten, seien, so Vogt, relativ schnell ausgeräumt worden.
Reinhard Frind, Sozialdezernent der Stadt, kann diesen schleppenden Anlauf bestätigen. „Alle Befürchtungen über die Akzeptanz des Bildungspaketes wurden bestätigt.“ Trotz aktiver Werbemaßnahmen in den städtischen Einrichtungen konnten längst nicht alle Berechtigten eingebunden werden. „Das Paket geht an einem großen Teil der Zielgruppe vorbei. Die werden nicht erreicht.“ Außerdem würde der an vielen Stellen schwammig formulierte Gesetzestext dafür sorgen, dass ein „bürokratisches Monster“ entstanden ist. Frind nennt für das Bundesgebiet 130 Millionen Euro als reine Verwaltungskosten. „Das ist kein Geld, das den Kindern zu Gute kommt, sondern solches, das Bürokratie schafft.“
Als Alternative zum Bildungspaket schlägt Reinhard Frind eine Erhöhung der Hartz-IV Regelsätze für Kinder vor oder eine Zuweisung der Mittel an Kitas, Schulen und andere Einrichtungen.