Oberhausen. Auch Middlesbrough, die englische Partnerstadt von Oberhausen, muss kräftig sparen: rund 65 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren.
Geteiltes Leid ist in diesem Fall leider nicht halbes Leid. Das städtische Sparziel von rund 40 Millionen Euro jährlich bleibt bestehen, keine Halbierung in Sicht. Immerhin konnte Oberbürgermeister Klaus Wehling sich dieser Tage davon überzeugen, dass es anderen auch nicht viel besser geht. Namentlich Oberhausens englische Partnerstadt Middlesbrough befindet sich ebenfalls in einem harten Prozess der Haushaltskonsolidierung.
Wie er die 143.000-Einwohner-Stadt wieder auf Kurs bringen will, berichtete bei einem Besuch in Oberhausen nun Bürgermeister Ray Mallon. Manch Verantwortlicher von hier dürfte interessiert – und mitunter erstaunt – zugehört haben.
Denn von der feinen englischen Art kann man angesichts Mallons Philosophie nicht unbedingt sprechen. Der 56-jährige parteilose Stadtchef wirbt für gnadenlosen Pragmatismus. „Ich bin über den Punkt hinweg, an dem ich mit der Regierung über Unterstützung streite.“ 54 Millionen Pfund (rund 65 Millionen Euro) muss Middlesbrough auf Geheiß aus London über die kommenden fünf Jahre an Kürzungen umsetzen. Dabei helfe der Stadt niemand, so Mallon, das habe er inzwischen akzeptiert. „Statt gegen eine Wand zu reden, werde ich lieber kreativ.“
Stadien abreißen, Sädte zusammenlegen
Das sieht dann zum Beispiel so aus: „Wir haben zwei große Sportanlagen, beide auf hochwertigen Grundstücken. Die reißen wir ab und realisieren Wohnungsbau. Das bringt zehn Millionen Pfund, von denen wir sieben Millionen in eine neue, topmoderne Anlage investieren.“
Auch eine Zusammenlegung von Middlesbrough und der Nachbarstadt Stockton-on-Tees hält der langjährige Bürgermeister mit der bewegten Vergangenheit für möglich. So gut wie sicher ist bereits der Abbau von 500 Stellen bei der Stadt. Was Mallon dazu sagt, dass sein Amtskollege Wehling den Befreiungsschlag ohne Kündigungen schaffen will? „I hope he can“ – Ich hoffe, er schafft das.
Mallon ist gerade zum zweiten Mal wiedergewählt worden, und man könnte sich fragen, warum eigentlich. Lokalpatriotismus ist dem Mann mit dem entschiedenen Auftreten fremd – er wohnt noch nicht einmal in Middlesbrough. Und das Spardiktat, das er umsetzen muss, dürfte dort auch nicht gerade stimmungsförderlich sein. Dafür präsentiert sich der ehemalige Polizeichef als Macher. „Kein Risiko einzugehen ist das größte Risiko“, sagt Mallon, der gern solch griffige Parolen ausgibt.
Hübsche Anekdote von einem Scheich in Dubai
Offenbar zeitigt das zupackende Auftreten des spätberufenen Politikers Erfolge, zumindest aber bringt es hübsche Anekdoten hervor. Da wäre zum Beispiel Mallons Auftritt in Dubai. Um Investoren nach Middlesbrough zu holen und eine dortige Brachfläche zu entwickeln, reiste er in die Vereinigten Arabischen Emirate und schaffte es tatsächlich, einen Bauunternehmer zu einer Besichtigung des Geländes zu überreden. „Ich habe ihm gesagt, dass Dubai vor 25 Jahren ja auch eine Wüste war.“ Investiert hat der Araber letztlich nicht, „aber sein Kommen sandte eine starke Botschaft aus“.
Mallon sagt es nicht direkt – so viel feine englische Art muss dann doch sein – aber diese Art von entschlossenem Handeln vermisst er in Oberhausen offenbar. Die allgemeine Verunsicherung, das Reden vom Stärkungspakt Stadtfinanzen und der Verantwortung von Land und Bund irritieren ihn. Auch die von Middlesbrough geforderten Einschnitte kritisiert er zwar als „savage, too quick, too deep“ – brutal, zu kurzfristig, zu tief. Mangels Kompromissbereitschaft der Regierung sehe er das Sparen inzwischen aber als Herausforderung und kann der Situation gar Positives abgewinnen. „Menschen arbeiten besser unter Druck.“
Parteipolitik ist ihm ein Graus
Zudem fordert Mallon von der Politik allgemein mehr Weitblick. Gestalter seien zu sehr verstrickt in Ideologie und Parteiinteressen. „Das ist, wie wenn man ganz nah vor einem Fernsehbildschirm sitzt – man erkennt nichts.“ Statt dessen müssten Politiker gewissermaßen „in den Helikopter steigen“ und sich eine breite Perspektive verschaffen. Dass die Zusammenlegung von Städten – wie in Middlesbrough geplant – hier in Oberhausen einen Aufschrei verursachen würde, kann er nicht verstehen. „Smart, more efficient, more effective“ – so muss Politik in Zeiten wie diesen nach Meinung des ehemaligen Wasserpolo-Spielers und Fitnessfans sein.
Die Menschen in Middlesbrough sehen das offenbar ähnlich, wenngleich Mallons Wahl anfänglich wohl auch ein Protest gegen die in der Region dominierende Labour-Partei war. Inzwischen ist er fast zehn Jahre im Amt. 2015 will Mallon nicht noch einmal kandidieren. „Ich klebe nicht an meinem Stuhl.“
Info: Ray Mallon, Jahrgang 1955, machte zunächst Karriere bei der Polizei. Als Leiter einer örtlichen Behörde sorgte er landesweit für Aufsehen, weil die Kriminalitätsrate unter seiner Führung drastisch sank. Sein entschiedenes Vorgehen brachte ihm den Spitznamen „Robocop“ ein. 2001 schied Mallon aus dem Dienst aus, 2002 wurde er erster parteiloser Bürgermeister von Middlesbrough. Er beriet sowohl den früheren britischen Premierminister Tony Blair von der Labour-Partei als auch den konservativen Amtsinhaber David Cameron in Sicherheitsfragen. Die Kritik an Camerons Weigerung, den EU-Stabilitätspakt zu unterzeichnen, hält er übrigens für ungerechtfertigt. Es sei verständlich, dass Cameron sich um die Zukunft der europäischen Finanzhauptstadt London sorge.