London. .

Westminster müht sich um Schadensbegrenzung: Nachdem Premier David Cameron am Freitag mit einem spektakulären Abgang die EU-Vertragsverhandlungen sabotiert hat, will die Koalition sich nun um „konstruktive Zusammenarbeit“ in Brüssel bemühen. In einer hitzigen Unterhaus-Debatte musste der britische Regierungschef am Montag erkennen, dass er mit seinem Veto mehr Probleme als Lorbeeren geerntet hat.

„Es war keine leichte, aber eine richtige Entscheidung“, verteidigte Cameron seine kontroverse Blockadehaltung in Brüssel. Er nannte seine Bedingung, nämlich Schutzklauseln gegen eine Besteuerung der britischen Finanzbranche, „bescheiden, vernünftig und wichtig.“ Cameron wörtlich: „Ich habe mich gegen die Vertragsunterzeichnung und für unsere nationalen Interessen entschieden.“ Gleichzeitig signalisierte er – unter lautem Gelächter – seine Unterstützung bei der Euro-Rettung: „Wir wollen ja, dass die geplanten Maßnahmen funktionieren und werden uns dafür mit aller Kraft engagieren. Das hilft auch unserer Wirtschaft.“

„Sie haben verloren“

Labour-Chef Ed Miliband ging Cameron hart an: „Sie haben verloren, sind besiegt“, rief er unter Applaus und Buh-Rufen. „Sie haben Großbritannien im Stich gelassen. Das Land ist isoliert, weil der Premier sich nicht in seiner eigenen Partei durchsetzen konnte.“ Tory-Hardliner feierten den Premier indes: „Europa ist nur sauer auf uns, weil wir Recht haben“, jubelte der Londoner Bürgermeister Boris Johnson im konservativen „Daily Telegraph“, „Die Fiskalunion als Projekt ist intellektuell, moralisch und demokratisch pleite.“

Längst hat sich jedoch auch in den Provinzen Wales und Schottland Unmut über Camerons forschen Alleingang breit gemacht. Ministerpräsident Alex Salmond, der Schottland in den nächsten vier Jahren vom Königreich abspalten und in die EU integrieren will, nannte das Vorgehen einen groben Fehler: „An Gesprächen, die uns als Bundesland betreffen, sind wir nun auf EU-Ebene nicht mehr beteiligt.“ Noch mehr Sprengkraft steckt jedoch in der Zwangsehe von euroskeptischen Tory-Hinterbänklern und kosmopolitischen Liberalen – zwei Lager, die sich als Regierungskoalition immer wieder zusammenraufen müssen.

Spannungen mit den Liberalen

Am Wochenende hatte Nick Clegg, Chef der Liberalen, zwar versucht, seine aufgebrachte Parteibasis mit einer Breitseite gegen den Premier zu besänftigen. Das Veto sei eine „bittere Enttäuschung“ gewesen, weil es die Insel „auf der Weltbühne zum Zwergen reduziert.“ Die Kritik an Cameron war für tobende, liberale Parteigranden orchestriert und im Vorfeld abgesprochen. An Trennung will das ungleiche Regierungspaar nicht laut denken. „Die Koalition scheitert nicht am EU-Veto, Neuwahlen sind keine Option“, versicherte am Montag Danny Alexander, Vize-Schatzkanzler der Liberalen.

Doch an der Basis gärt es weiter. „Mit Europa sind die Liberalen jetzt erneut auf den Arm genommen worden“, wetterte etwa Jenny Tonge. „Weder die Einführungen von Studiengebühren noch Reformen im Gesundheitswesen standen im Koalitionsvertrag“, so die Liberale, „irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem wir dem Partner sagen müssen: genug ist genug.“

Umfragen bestätigen Camerons „No“

Labour, die den Liberalen traditionell näher stehen als die Konservativen, hat bereits mit offenen Avancen begonnen: „Kommt zu uns, arbeitet mit uns, um für Großbritannien ein besseres Ergebnis zu bekommen“, bot Douglas Alexander, Labour-Außenpolitik-Experte, dem frustrierten Juniorpartner der Koalition an.

Doch die Stimmung auf den Straßen scheint für Camerons Kurs zu sein: In sämtlichen Umfragen hat eine Mehrheit der Briten sein rigoroses „No“ in Brüssel begrüßt.