Oberhausen. Die Energieversorgung Oberhausen (EVO) wird sich an der Übernahme des Stromerzeugers Steag beteiligen. Die Entscheidung stößt auf Kritik - von Wirtschaftswissenschaftlern und dem Bund der Steuerzahler. Bemängelt werden hohe finanzielle Risiken.
Die bald vollzogene vollständige Übernahme des Stromerzeugers Steag durch sechs Stadtwerke im Ruhrgebiet, darunter auch die Energieversorgung Oberhausen (EVO), stößt auf Kritik von Wirtschaftswissenschaftlern und dem Bund der Steuerzahler.
„Wir sehen das kritisch, wenn ausgerechnet finanziell notleidende Kommunen sich über ihre Stadtwerke an der Produktion von Strom beteiligen. Das gehört nicht zur Daseinsvorsorge einer Stadt, Strom ist auf dem Markt genug vorhanden und kann eingekauft werden“, sagt Rainer Kambeck, Leiter öffentliche Finanzen des RWI-Wirtschaftsinstituts in Essen.
EVO zahlt 76 Millionen Euro
Zunächst hatte das Stadtwerke-Konsortium nur die Übernahme der Mehrheit von 51 Prozent an Evonik-Steag zum Preis von 650 Millionen Euro angestrebt. Die restlichen 49 Prozent sollten erst viel später gekauft werden, überlegt wurde, dafür einen privaten Investor zu finden.
Doch kurze Zeit nach dem Zuschlag der 51-Prozent-Mehrheit an der in Essen sitzenden Steag ist davon keine Rede mehr: Das Stadtwerke-Konsortium will die Steag mit ihren zwölf Kohlekraftwerken, davon drei im Ausland, nun komplett für 1,27 Milliarden Euro übernehmen.
Die zur Hälfte der Stadt Oberhausen gehörende EVO ist am Konsortium mit 6 Prozent beteiligt und muss immerhin zum Kaufpreis 76 Millionen Euro beisteuern.
"Keine kommunale Aufgabe"
Oberhausen steigt damit weltweit ins Stromgeschäft ein: Und produziert Strom in Kolumbien, auf den Philippinen und in der Türkei. „Dort haben unsere Städte nichts zu suchen. Das gehört nicht zur kommunalen Aufgabe. Mit der Verteilung von Strom, Gas, Wasser ist für die Stadtwerke genug Geld zu verdienen“, meint Eberhard Kanski, Kommunalexperte des Bundes der Steuerzahler.
Der EVO-Aufsichtsrat hatte vor gut einer Woche der kompletten Steag-Übernahme zugestimmt, die Aufstockung der Anteile muss der Oberhausener Rat jetzt noch genehmigen. „Wenn Städte und damit die Politik in die Produktion von Strom eingreifen, dann spielen nicht mehr nur betriebswirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Statt möglichst effizient Strom zu erzeugen, kommen viele politische Überlegungen hinzu, wie etwa die ökologische Umsteuerung der Produktion oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Das verteuert den Strompreis“, kritisiert Kambeck.
Ökologische Gründe
Tatsächlich sehen Oberhausener Ratspolitiker nicht nur finanzielle Gründe dafür, Strom kommunal zu produzieren: Man wolle weg von alten Steag-Kohlekraftwerken im Inland mit hohem CO2-Ausstoß hin zu ökologischeren Gas- und Biothermie-Kraftwerken. Zudem sorgt man sich über die Arbeitsumstände von kolumbianischen Arbeitern.
Zugleich will das kommunale Steag-Konsortium mit ihrer Stromproduktion das Oligopol der vier Energiekonzerne in Deutschland durchbrechen – und den Wettbewerb befeuern. „Das ist vermessen, das kann die Politik doch gar nicht leisten, weil sie nicht nur die Betriebswirtschaft im Blick hat“, meint Kambeck. „Wir benötigen mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt, aber das kann man durch internationale Liberalisierung und eine neue europäische Strombörse erreichen. Da müssen nicht die Städte handeln.“
Hohe Risiken
Die Risiken des weltweiten Engagements auf dem Strommarkt schätzen sowohl RWI wie auch der Bund der Steuerzahler als recht hoch ein.
Die Stadtwerke versprachen den Ratspolitikern allerdings, dass man durch eine Vorschaltgesellschaft, über die die nötigen Kredite finanziert werden, die Haftung für die Städte auf einen geringen Teil beschränke – und das eigentliche Risiko etwa bei einer Steag-Pleite bei den Banken liege.
„Ein solcher Haftungsausschluss ist formal möglich, aber in der Realität politisch nicht umsetzbar. Verluste der Steag würden die Städte wohl ausgleichen und als kurze Durststrecke deklarieren, um ihre politischen Ziele langfristig vielleicht doch noch zu erreichen“, meint Kambeck.
„Der Strommarkt ist deutlich risikoreicher als früher. Geht es mit der Steag schief, sind es letztendlich die Steuerzahler, die dafür aufkommen müssen“, sagt auch Kanski.