Oberhausen. Obwohl die Übernahme der Steag durch ein Konsortium aus Ruhrgebiets-Stadtwerken umstritten ist, zeichnet sich im Oberhausener Rat eine Mehrheit dafür ab. Hartmut Gieske, kaufmännischer Vorstand der Energieversorgung Oberhausen, erklärt die Vorteile.
Für die vollständige Übernahme des internationalen Stromerzeugers Evonik-Steag durch das Konsortium aus sechs Revier-Stadtwerken, darunter die Energieversorgung Oberhausen AG (EVO), zeichnet sich im Oberhausener Rat nach einer ersten Befragung der Fraktionschefs eine breite Mehrheit ab – trotz massiver Kritik an dem Geschäft von Ökonomen und Finanzexperten. Die Steag betreibt zwölf Kraftwerke in Deutschland, in der Türkei, auf den Philippinen und in Kolumbien.
Der Aufsichtsrat der EVO hat vor gut einer Woche der Aufstockung des Kaufes von 51 Prozent der Steag-Anteile auf 100 Prozent zugestimmt. Diese Aufstockung um 49 Prozent muss nun vom Rat noch genehmigt werden. Dieser hatte bereits Ende 2010 dem ersten Kauf-Anteil zugestimmt.
Oberhausen wird sich wohl mit 76 Millionen Euro beteiligen
Eine intensive öffentliche Debatte in der Bevölkerung und in der Wirtschafts- wie Politikszene über den Steag-Kauf hat allerdings bisher nicht stattgefunden. Das ist umso erstaunlicher, weil es bei der Steag um einen Kaufpreis von satten 1,27 Milliarden Euro handelt, zu dem die EVO immerhin über 76 Millionen Euro beitragen soll. Zudem stehen Milliarden-Investitionen in die Erneuerung oder in den Ersatz veralteter umweltschädlicher Kohlekraftwerke der Steag im Inland an.
Wir fragten deshalb Hartmut Gieske, kaufmännischer Vorstand der zur Hälfte der Stadt Oberhausen gehörenden EVO, warum er den Einstieg in die weltweite Stromerzeugung für eine finanziell schwachbrüstige Revier-Stadt wie Oberhausen für sinnvoll hält. Er nennt fünf Argumente:
„1. Hoher Nachholbedarf: Das Stadtwerke-Konsortium möchte die Steag zur größten kommunalen Erzeugungsplattform ausbauen. In Deutschland liegen 57 Prozent der vertrieblichen Stromversorgung bei den Kommunen. Allerdings befinden sich nur 11 Prozent der Stromerzeugung in Händen kommunaler Stadtwerke. Hier gibt es also einen großen Nachholbedarf. Die neuen Eigner der Steag werden den 850 deutschen Stadtwerken im Kraftwerksbau und bei der konventionellen Erzeugung Kooperationsangebote machen.
2. Fernwärme-Ausbau: Die Fernwärme soll als einer der wichtigen Eckpfeiler einer umweltfreundlichen Wärmeversorgung weiterentwickelt werden. Ziel des Stadtwerke-Konsortiums ist es, die Anzahl von Fernwärmeanschlüssen zu steigern und somit die hohen Nutzungsgrade von Anlagen mit Kraftwärmekoppelung auszunutzen. Die bisher vier eigenständigen Fernwärmenetze der Stadtwerke in der Rhein-Ruhr-Region könnten mit dem Fernwärmenetz der Steag zum Fernwärmeverbund Ruhr verschmelzen.
3. Wettbewerb stärken: Die Investition in die Steag ist für die Stadtwerke wirtschaftlich attraktiv. Sie dient der Stärkung der Stadtwerke und wird deshalb nicht zu einer Belastung der Kommunalfinanzen, sondern zu ihrer Entlastung führen. Der Steag-Kauf stärkt den Wettbewerb und bietet die Chance, das Ungleichgewicht auf dem Erzeugungsmarkt durch „die großen Vier“ abzufedern. Da viele Anlagen und Verwaltungseinheiten der Steag im Ruhrgebiet liegen, ist es wichtig, dass diese qualifizierten Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten bleiben.
4. Umweltfreundlicher: Die Stromerzeugung der Steag soll regenerativer, dezentraler und wettbewerbsintensiver werden. Die regenerativen Energien sollen ausgebaut, der Bau von umweltfreundlicheren Gas- und Dampfkraftwerken weiter vorangetrieben werden. Zurzeit sind die Steag-Kraftwerke noch stark auf die Kohle ausgerichtet. Einige Steinkohlekraftwerke der Steag sind schon relativ alt, sie müssen ohnehin in den nächsten 15 Jahren erneuert werden. Auf den Feldern Biomasse, Geothermie und Grubengas gehört die Steag zu den Marktführern in Deutschland.
5. Risiken: Bei einem Unternehmenskauf dieser Größe sind Risiken nicht ganz auszuschließen. Sollte die Entwicklung der Steag in den nächsten Jahren drastisch von unserer Einschätzung nach unten abweichen, trägt das Stadtwerke-Konsortium über den Kaufpreis dieses wirtschaftliche Risiko. Bei unseren Modellberechnungen sind wir von eigenen Prognosen und einem konservativen Ansatz ausgegangen. Darüber hinaus trägt das Stadtwerke-Konsortium bei Nicht-Zustandekommen der Gremiumsbeschlüsse für die zweite Tranche (49 Prozent) die Finanzierungs- und Beratungskosten.“