Oberhausen. Sultanat Oman verweigert eine versprochene Geldspritze für OQ Chemicals. 800 Beschäftigte am Ruhrchemie-Standort Oberhausen bangen um ihre Jobs.
- Das Unternehmen OQ Chemicals (früher Oxea) ist in Aufruhr: Der Eigentümer, das Sultanat Oman, verweigert eine wichtige Finanzspritze
- 800 Beschäftigte am Werksstandort Oberhausen auf dem Gelände der Ruhrchemie zittern nun um ihre Arbeitsplätze
- Die Gewerkschaft IGBCE verurteilt das Vorgehen des Öl-Staates scharf
Eine solche Schlagzeile möchte kein Beschäftigter über den Eigentümer seines Unternehmens lesen: „Sultanat Oman lässt deutsche Chemiefirma OQ Chemicals fallen.“ So titelte das Manager-Magazin seinen Artikel über das Verhalten der Ölscheichs auf der Arabischen Halbinsel, denen seit 2013 die Oberhausener Chemiefabrik in Holten mit derzeit 800 Angestellten und Arbeitern gehört. Die Hamburger Redakteure haben als Erstes über ein seltsames Ereignis berichtet: Nachdem der Vorstand um Oliver Borgmeier die Refinanzierung von einer Milliarde Euro an Krediten mit Investoren und Darlehensgebern ausverhandelt hatte, erschütterte der Eigentümer von OQ Chemicals, das Sultanat Oman, die Basis dieser Verhandlungen.
Nach Angaben von Branchen-Insidern zogen die Ölscheichs ihre Zusage für eine Aufstockung des Eigenkapitals von 200 Millionen Euro quasi über Nacht zurück, kündigten sogar einen seit Jahren gewährten Kreditrahmen für ein Gesellschafterdarlehen in dreistelliger Millionenhöhe, das OQ bisher gar nicht in Anspruch genommen hatte.
OQ Chemicals von Kehrtwende des Sultanats Oman kalt erwischt
Erfahrungsgemäß dient ein eigenes Engagement von Eigentümern dazu, die Zinsen neuer Kredite nicht in allzu große Höhen schießen zu lassen, denn neue Darlehensgeber achten natürlich bei der Risikobewertung darauf, mit welchem frischem Einsatz die Besitzer die Unternehmenszukunft selbst stützen. Borgmeier und die Finanzmanagerin Silvia Weppler wurden deshalb von der Kehrtwende des Sultanats Oman kalt erwischt, plötzlich war ihre Verhandlungsgrundlage weg. Sie reagierten sofort – und verhandeln seit Anfang dieser Woche nun über die im Herbst auslaufende Nachfolge der Altkredite mit einem stattlichen Volumen von einer Milliarde Euro wieder neu, um die Finanzsituation von OQ Chemicals zu klären. Ihren Beschäftigten gegenüber geben sie sich optimistisch, dass eine tragfähige Lösung gelingt.
Denn beide glauben daran, dass die Kreditgeber so oder so vom Geschäftsmodell überzeugt sind. Schließlich stecken die OQ-Basis-Chemieprodukte, wie Aldehyde, Alkohole, Amine, Carbonsäuren, Polyole und Ester, in vielen von Menschen ständig benutzten Waren - ob in Lacken, Shampoos, Klebstoffen, Farben, Weichmachern, Beschichtungen oder Klebstoffen. Weltweit beschäftigt OQ Chemicals, früher Oxea, 1400 Menschen, 800 davon allerdings allein im Oberhausener Werk, die anderen 200 in Deutschland in der Produktionsstätte Marl und in der Firmenzentrale Monheim.
IGBCE Niederrhein: Viele Beschäftigte zittern um ihre Jobs
Doch solch beruhigenden Worte der Vorstandspitze reichen nicht aus, um die Aufregungen in den NRW-Produktionsstätten zu dämpfen. „Wir haben ganz viele Anrufer, sie wollen mehr erfahren, benötigen unsere Unterstützung, denn alle haben natürlich nun große Ängste, sie zittern um ihre Jobs“, erzählt Marvin Kuenen, Gewerkschaftssekretär der Chemie-Gewerkschaft IGBCE Niederrhein. „Viele von ihnen haben Familien. Bis zum Wochenende haben alle noch geglaubt, sie hätten bei OQ Chemicals einen sicheren Job, doch nun fürchten viele um ihren Arbeitsplatz.“
Natürlich wissen auch die Gewerkschafter nicht, was die Geschäftsleute des fernen Sultanats Oman so umtreibt und warum sie sich so verhalten. Bisher ist es nur Spekulation, dass die Eigentümer angesichts eines solchen Vorgehens überlegen oder schon entschieden haben, ihre vor über zehn Jahren eingekaufte Chemieproduktion wieder zu verkaufen. „Dennoch versuchen wir natürlich, die Beschäftigten zu beruhigen, denn wir haben schon viele solcher Situationen bewältigt. Das wird schon irgendwie gehen. Wir stehen an der Seite der Beschäftigten, wir werden uns mit den Betriebsräten darum kümmern, dass bei einem möglichen Eigentümerwechsel die geltenden Regeln und Bedingungen für die Arbeitnehmer weitergeführt werden.“
Ohnehin befindet sich das Unternehmen in einer Umstrukturierungsphase, die bereits zur Unruhe unter den Oberhausener Beschäftigten geführt hat: Derzeit laufen die bereits im Frühjahr 2023 angekündigten Verkaufsverhandlungen über Werksarbeiten, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft einer Chemieproduktion gehören, wie beispielsweise Servicebereiche, die technischen Werkstätten und die Logistik-Abteilung. Sie sollen an externe Dienstleister abgegeben werden - eine Umstrukturierung, die andere Chemieunternehmen schon vollzogen haben. Betroffen sind aber bis zu 250 der 800 Arbeitnehmer.
„Die Belegschaften in der Chemieindustrie sind durchaus bereit, wenn nachvollziehbare Argumente vorliegen, notwendige Sparanstrengungen mitzugehen, denn sie kennen die Lage vor Ort genau. Doch Einschnitte, die nicht mehr rückholbar sind, stoßen verständlicherweise auf scharfe Kritik und erhebliche Bedenken“, ist die Erfahrung der IGBCE. Solch eine extreme Kehrtwende eines Eigentümers aber sorge automatisch für riesige Unruhe in den Betrieben. „Dass hier noch nicht einmal der Vorstand rechtzeitig informiert worden ist, ist ein starkes Stück. Das sind wir nicht gewohnt. Das gefährdet den Betriebsfrieden massiv.“
IGBCE: Wo bleibt die Solidarität der Politiker mit den Beschäftigten?
Mit der zunehmenden Zahl an Eigentümern aus dem fernen Ausland ist es für die Gewerkschaften ohnehin schwieriger geworden, solche Krisen kommen zu sehen und sie zu bewältigen. „Früher konnten Vorstände in vielen Betrieben viel mehr selbst entscheiden; doch heute senkt der Eigentümer irgendwo auf der Welt plötzlich den Daumen, ohne wirklich über die Folgen für die Beschäftigten vor Ort intensiv nachzudenken“, meint Marvin Kuenen. „Man hat zu ihnen kaum direkten Kontakt, sondern oft sind nur Berater dazwischengeschaltet.“
Die Gewerkschaft IGBCE beobachtet zudem, dass Politiker im Unterschied zu früher in solchen Krisenlagen nicht mehr öffentlich für den Industriestandort NRW einstehen. „Die Politik ist leider in solchen Situationen auffallend schweigsam, sie mischt sich zusehends nicht ein. Dabei würde es allen helfen, wenn sich Politiker, wenn sich die Landesregierung solidarisch mit den Beschäftigten erklären würden - auch wenn diese natürlich nicht die Zahl der Arbeitsplätze versprechen kann.“
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