Oberhausen. Das Ruhrchemie-Werk OQ Chemicals ist unter Druck. Der Mutterkonzern aus dem Oman macht strenge Vorgaben. Jobs fallen weg, doch es gibt Hoffnung.

Jahrzehntelang war das Chemiewerk in Holten Garant für sichere Industrie-Arbeitsplätze. Doch die Zahl der Jobs im Ruhrchemie-Werk sinkt seit Jahren. Bis 2023 soll noch einmal knapp jeder zehnte Arbeitsplatz wegfallen, 90 von noch rund 950 Stellen werden gestrichen. Der Traditions-Standort steht unter Druck.

Um die Hintergründe zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in die junge Firmengeschichte nötig: 2013 wurde das Oberhausener Chemiewerk vom omanischen Staatskonzern Oman Oil Company gekauft. Das „OQ Chemicals Werk Ruhrchemie“, wie die Anlage nun heißt, ist damit Teil eines globalen Netzes. Sechs Produktionsstandorte betreibt der reiche Wüstenstaat mit seinem Unternehmen OQ Chemicals: in Oberhausen, Marl, Amsterdam, zwei Werke im US-Bundesstaat Texas, eines im chinesischen Nanjing.

OQ Chemicals stellt Schmiermittel für Turbinen her

Im Oberhausener Chemiewerk werden Basis-Chemikalien hergestellt, die wiederum benötigt werden, um Lacke, Farben und Kosmetika, aber auch Schmiermittel für Flugzeug-Turbinen oder Klimaanlagen zu produzieren. Diese Stoffe wurden in jüngster Vergangenheit auf dem Markt nicht so sehr nachgefragt wie Produkte anderer OQ-Standorte, etwa Stoffe für Lebensmittelverpackungen und Desinfektionsmittel, die in den USA produziert werden. Die Erlöse des Oberhausener Werks gehen zurück. Und die Omanis geben strenge Wachstumsziele vor.

Horst Hanke, Standortleiter von OQ Chemicals in Oberhausen, aufgenommen im Oktober 2019.
Horst Hanke, Standortleiter von OQ Chemicals in Oberhausen, aufgenommen im Oktober 2019. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Und noch einen Nachteil hat das Holtener Werk im Vergleich zu anderen OQ-Standorten: Für die Herstellung der Oberhausener Chemieprodukte benötigen die Fachleute sehr viel Propylen. Dieses Gas, das man für die Produktion von Kunststoffen benötigt, ist auf dem europäischen Markt sehr teuer.

90 Stellen sollen sozialverträglich abgebaut werden

Rein aus Oberhausener Sicht dürfe man das Ruhrchemie-Werk daher nicht mehr betrachten, sagt Oliver Borgmeier, einer der Geschäftsführer. Das Kürzungsprogramm vor Ort sei unabdingbar, um auf dem Weltmarkt mit der Konkurrenz mithalten zu können. „Wir tun das Nötige, aber nicht mit brachialer Gewalt“, ergänzt der Oberhausener Standort-Leiter Horst Hanke.

Detailblick in den Chemiepark in Holten, aufgenommen bei einem Termin im Mai 2018.
Detailblick in den Chemiepark in Holten, aufgenommen bei einem Termin im Mai 2018. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Die 90 Stellen sollen sozialverträglich abgebaut werden, beispielsweise indem Stellen ausgeschiedener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht neu besetzt werden. Der Prozess läuft bereits seit Jahresanfang und ist auf drei Jahre ausgelegt.

Von der Ruhrchemie über Oxea zu OQ

Die 1927 gegründete Ruhrchemie wurde in den 80er Jahren von der Hoechst AG, die bereits zuvor Anteile erworben hatte, komplett übernommen. 1999 übernahm die Celanese GmbH, das Nachfolge-Unternehmen von Hoechst. Ab 2007 war die Ruhrchemie Teil der Oxea GmbH, 2013 übernahm die Oman Oil Company als Mutterkonzern, Sitz des Tochterunternehmens OQ Chemicals ist Monheim. 2015 war der damalige Oxea-Konzern mit der Zentrale von Oberhausen an den Rhein gezogen, das Werk blieb in Holten. Der Name Ruhrchemie steht auch heute noch am Werkstor an der Otto-Roelen-Straße.

Auf dem dortigen Areal ist über die Jahre ein vielfältiges Chemie-Gewerbegebiet entstanden. Neben OQ haben sechs weitere Unternehmen dort einen eigenständigen Standort, etwa Air Liquide, Celanese, das Spezialchemie-Unternehmen Clariant und der Kunststoffhersteller Versalis. OQ stellt die Infrastruktur auf dem Gelände zur Verfügung, von der Werksfeuerwehr bis zur Abwasser-Entsorgung.

Rund 1400 Menschen arbeiten im Chemiepark. OQ beschäftigte vor dem Umstrukturierungsprozess etwa 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen Produktion und Technik, 100 weitere in der Administration.

Standortleiter Horst Hanke und OQ-Geschäftsführer Oliver Borgmeier blicken dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft. Denn das Umstrukturierungsprogramm, das das Unternehmen „Oxolution“ nennt, beinhalte nicht nur einen Stellenabbau. Sondern auch eine Investition in den Standort. Ein zweistelliger Millionenbetrag fließt bis 2023 ins Werk. Die Anlage soll kontinuierlich weiterentwickelt, Kapazitäten in der Produktion ausgebaut werden, beispielsweise durch eine vierte Carbonsäure-Anlage.

Oman kauft Wissen der Oberhausener Fachleute

Dass die Oman Oil Company den Betrieb übernimmt, sei für ihn 2013 „eine gute Nachricht“ gewesen, sagt Geschäftsführer Oliver Borgmeier. Denn zuvor, seit 2007 unter dem Namen Oxea, habe ein reiner Finanzinvestor das Ruder in der Hand gehabt. Das Geschäftsmodell: Firmen aufkaufen, finanziell auf gute Beine stellen und gewinnbringend wieder verkaufen. Die Oman Oil Company sei dagegen wieder ein strategischer Investor, der zwar einerseits das Wissen der Fachleute vor Ort einkauft, sagt Borgmeier. Der daneben aber auch ein Interesse hat, das Ruhrchemie-Werk langfristig weiter zu betreiben.

Der traditionsreiche Name Ruhrchemie prangt auch weiter am Werkstor an der Otto-Roelen-Straße.
Der traditionsreiche Name Ruhrchemie prangt auch weiter am Werkstor an der Otto-Roelen-Straße. © OQ Chemicals

„Holten bleibt wichtig für den europäischen Markt“, versichert Standort-Leiter Hanke. Die millionenschweren Investitionen seien „ein gutes und sicheres Zeichen“, dass sich niemand um die Zukunft des Werks sorgen müsse. Und auch die Zahlen würden den Aufwind belegen: Lag die Auslastung im vergangenen Jahr – auch Corona-bedingt – bei rund 60 Prozent, spricht Hanke nun von einer Vollauslastung. Die Auftragsbücher seien jetzt wieder voll.