Oberhausen. Hohe Erdgaskosten, stark gestiegene Materialpreise – das Chemieunternehmen OQ auf dem Oberhausener Ruhrchemie-Gelände zieht die Notbremse.

Die Basischemieprodukte des Oberhausener Chemiewerkes OQ Chemicals (früher Oxea) auf dem Ruhrchemie-Gelände stecken in vielen Waren: in Lacken, Parfümen, Shampoos, Klebstoffen. Doch für das international agierende mittelständische Unternehmen mit Sitz im rheinischen Monheim wird es nach eigenem Bekunden immer schwieriger, den weltweiten Konkurrenzkampf siegreich zu überstehen: Die extrem gestiegenen Erdgas- und Material-Kosten von Zulieferern machen zu schaffen.

Deshalb legen die Manager ein Kosteneinsparprogramm in zweistelliger Millionenhöhe auf – zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Standen im Sommer 2021 rund 90 Arbeitsplätze auf der Streichliste, so sollen diesmal bundesweit 100 Arbeitsplätze wegfallen.

In der jetzigen Sparrunde bleiben die Jobs nur in der Kern-Produktion im größten OQ-Werk verschont. „Vom Stellenabbau ist die Produktion in Oberhausen zwar nicht betroffen, wir müssen aber Arbeitsplätze in Nicht-Produktionsbereichen streichen“, erläutert Ina Werxhausen, Sprecherin der OQ Chemicals, im Gespräch mit der Redaktion. Insgesamt beschäftigt OQ Chemicals bundesweit rund 1000 Menschen, gut 800 in Oberhausen, die anderen im Produktionsbereich auf dem Marler Gelände von Evonik und in der Monheimer Verwaltungszentrale.

OQ Chemicals will Werkstätten nicht mehr selbst betreiben

Die „organisatorische Neuausrichtung“, wie das offiziell in der aktuellen Pressemitteilung des Unternehmens heißt, trifft das Oberhausener Werk in seiner Personalstruktur. Denn ein Teil der Belegschaft soll künftig nicht mehr zum Traditions-Chemieunternehmen gehören, das aus der Ruhrchemie hervorgegangen ist und sich seit 2013 im Eigentum des Sultanats Oman befindet. Die Servicebereiche, die technischen Werkstätten und die Logistik-Abteilung will das Management an externe Dienstleister abgeben.

Dabei sollen die davon betroffenen 200 bis 250 Arbeitskräfte weiter in Oberhausen werkeln und ihren Job nicht verlieren. „Wir benötigen deren Arbeit, aber diese Tätigkeiten gehören nicht zum Kern unseres Geschäftes, das können externe Partner besser“, erläutert Werxhausen. Andere Chemiewerke hätten dies schon so umgesetzt. Durch den angestrebten Betriebsübergang dieser Teile der Werksmannschaft an andere senkt das Chemieunternehmen seine fixen Personalkosten – und bezahlt nachher nur noch die eingekauften Dienstleistungen. „In den Verhandlungen mit den Partnern wollen wir auf keinen Fall, dass unsere Mitarbeitenden schlechter gestellt werden. Die Zahl der Arbeitsplätze soll auch nicht sinken.“

So sieht es auf dem Gelände des größten Chemiewerkes von OQ Chemicals (früher Oxea) in Oberhausen-Holten aus. Die Unternehmensspitze will Teile der Belegschaft an externe Dienstleister übergeben.
So sieht es auf dem Gelände des größten Chemiewerkes von OQ Chemicals (früher Oxea) in Oberhausen-Holten aus. Die Unternehmensspitze will Teile der Belegschaft an externe Dienstleister übergeben. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Nach eigenem Bekunden strebt OQ Chemicals einen sozialverträglichen Stellenabbau in den Nicht-Produktionsbereichen an. Die Firmenführung schließt allerdings keine betriebsbedingten Kündigungen aus, verhandelt nun über den Sozialplan mit dem Betriebsrat.

Erdgas im Vergleich zur USA bis zu zwölf Mal so teuer

Das neue Kostensenkungsprogramm ist nach Angaben des Unternehmens vor allem wegen der hohen Kostenstruktur in Deutschland notwendig. „Wir benötigen die Erdgas-Moleküle als Rohstoff für unsere Produkte. Doch dieses Erdgas war hier schon früher vier Mal so teuer als das Erdgas in den USA. Jetzt ist es acht bis zwölf Mal so teuer. Und wir gehen nicht davon aus, dass die Erdgas-Preise in den nächsten Jahren deutlich sinken werden“, meint die OQ-Sprecherin. Das Unternehmen betreibt auch zwei Produktionsstätten in den USA und je ein Werk in China und in den Niederlanden.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat bei den Energiepreisen die entscheidende Kostenwende verursacht, auf die OQ Chemicals nun reagieren muss, um weiterhin seine Chemikalien in über 60 Ländern verkaufen zu können. OQ-Geschäftsführer Oliver Borgmeier: „Der Kostendruck ist enorm. Im vergangenen Jahr mussten wir allein für Energiekosten einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich aufwenden. Mit einer schlankeren, effizienteren Struktur sichern wir unsere Standorte in Deutschland.“

Phasenweise war es den deutschen Chemieunternehmen noch gelungen, die höheren Einkaufspreise für ihre Rohstoffe an ihre Kunden weiterzugeben, die angesichts weltweiter Lieferengpässe dringend auf bestimmte Chemikalien angewiesen sind. „Doch diese Sondersituation ist endgültig vorbei. Wir müssen handeln“, sagt Werxhausen.

Essener Chemiekonzern Evonik meldet Gewinneinbruch in diesem Jahr

Allen Chemieunternehmen macht zudem die aktuell schwache Nachfrage auf den Weltmärkten zu schaffen. So hat der Essener Chemiekonzern Evonik zum Jahresauftakt einen Gewinneinbruch von 44 Prozent erlitten – und muss ebenfalls sparen, auch mit weniger Neueinstellungen.

OQ Chemical selbst hofft auch, dass die Bundespolitik die Lage der Industrie stärker in den Blick nimmt. Eine dauerhaft im Vergleich zu anderen Weltregionen zu schlechte Ausgangsposition im Preiswettbewerb würde zu nachhaltigen Schäden der deutschen Wirtschaftsstruktur führen: „Zu teuer und komplizierte bürokratische Verfahren – wer soll dann noch in Deutschland investieren?“