Oberhausen. Seit Oktober ist Andreas Ulmer Manager des größten deutschen Einkaufszentrums, dem Westfield Centro Oberhausen. Er erlebt einige Überraschungen.
Seit sieben Monaten ist Andreas Ulmer der neue Chef des Oberhausener Einkaufszentrums Westfield Centro mit dem offiziellen Titel „Senior Shopping Center Manager“. Er hat im Oktober 2022 den langjährigen Centro-Manager Marcus Remark abgelöst. Der 34-jährige gebürtige Hamburger hat in seiner Berufslaufbahn bereits als Stellvertreter das Berliner Einkaufszentrum „Gropius Passagen“ und ein Leipziger Shopping-Center geleitet. Zuletzt war er oberster Manager des „Ruhrparks Bochum“.
Ulmer absolvierte im Hamburger Vier-Jahreszeiten-Hotel eine Hotelfachmann-Ausbildung und studierte danach Hotelmanagement. „Hotels und Einkaufszentren haben viel gemeinsam – sie haben das Wohl ihrer Kundinnen und Kunden im Blick, haben den Servicegedanken verinnerlicht“, sagt Ulmer im Vorgespräch des ersten ausführlichen Interviews mit der Funke-Mediengruppe in seiner neuen Funktion.
Herr Ulmer, das Oberhausener Centro ist das größte Einkaufszentrum in Deutschland – und ein Flaggschiff von Unibail-Rodamco-Westfield. Hatten Sie Muffensausen, die Leitung hier zu übernehmen?
Ulmer: Muffensausen? Sicherlich nicht, weil ich zu den Menschen gehöre, die sich bewusst sind, was sie können, und die sich nicht scheuen, Sachen anzupacken. Allerdings hatte ich gehörigen Respekt und Vorfreude, weil das Westfield Centro eine große Bedeutung auch für die Region hat. Dem möchte natürlich auch ich, gemeinsam mit dem super Team hier, gerecht werden.
Sie sind jetzt seit sieben Monaten im Amt. Was hat Sie bisher am meisten überrascht?
Das Tempo und die Komplexität. Im Vergleich zu anderen Shopping-Centern hat das Westfield Centro im operativen Betrieb eine deutlich höhere Komplexität, da der Standort kein reines Shopping-Center ist, sondern mit Arena, Kino, Lego Discovery Center, Sealife ein buntes Umfeld hat. Die verschiedenen Interessensgruppen, Partner, Mieter und Kundenströme muss man bei Entscheidungen flexibel und zügig berücksichtigen.
Qua Amt sind Sie verpflichtet, alle Kundinnen und Kunden zu schätzen. Doch welches Verhalten der Centro-Besucher nervt Sie besonders?
Ich verstehe, worauf Sie hinaus möchten. Grundsätzlich ist bei uns jeder Besucher herzlich willkommen, solange er sich an gewisse Regeln hält. Jeder aber, der durch sein Verhalten den Aufenthalt für andere beeinträchtigt, belästigt oder gar gefährdet, hat hier im Endeffekt nichts verloren. Zur Weihnachtszeit hatten wir zwei unschöne Vorfälle.
Sie spielen auf zwei Messerstechereien und Schlägereien am Rande des Weihnachtsmarktes an. Zudem beschweren sich Besucher über pöbelnde junge Männergruppen. Hat das Centro ein Sicherheitsproblem?
Wir stellen da nichts in Abrede, sondern handeln. Wir haben den Austausch mit der Polizei, dem Ordnungsamt und dem Jugendamt der Stadt nochmals intensiviert, die Zahl der Sicherheitskräfte erhöht und wir sprechen bei Fehlverhalten strikt Hausverbote aus. Denn gerade die Probleme mit größeren Gruppen männlicher Jugendlicher hatten zugenommen.
Was haben denn die jungen Leute getan?
Sie positionierten sich beispielsweise so vor Eingängen, dass Familien mit Kinderwagen kaum noch durchgekommen sind. Oder sie blockieren in größeren Gruppen Tische der Coca-Cola-Oase, ohne etwas zu verzehren – und andere Kunden finden keinen Sitzplatz mehr. Wir schreiten dann ein, aber erst recht, wenn jemand Kunden belästigt. Unsere Maßnahmen zeigen bereits Wirkung. Nun haben wir auch einen besseren Zugang zu den Jugendgruppen und konnten diesen in Gesprächen den Spiegel vorhalten, welche Wirkung sie mit ihrem Verhalten auf andere haben. Wir haben dabei den einen oder anderen auch überzeugen können, dass solch ein Verhalten nicht in Ordnung ist. Hier ist der Dialog sehr wichtig. Daher sprechen wir auch mit den Akteuren selbst und dem Jugendamt.
Der Bau des Centros in den 90er Jahren war hochumstritten – eine Gefahr für die Innenstädte der Region. Die Verkaufsfläche ist vor zehn Jahren auch noch auf 125.000 Quadratmeter erweitert worden. Wie sehr ist das Centro schuld an dem Niedergang der Citys?
Man darf das Westfield Centro nicht abgekoppelt betrachten, sondern muss die Wirkung auf die Gesamtstadt Oberhausen und auf die Region betrachten. Und hier hat das Westfield Centro mit allen anderen Attraktionen der Neuen Mitte eine hohe Anziehungskraft auch auf Besucher außerhalb des Ruhrgebiets, z.B. bis in die Niederlande, entwickelt. Letztendlich aber entscheidet der Kunde selbst darüber, was gut ankommt oder nicht. Shopping Center haben im Vergleich zu Innenstädten erhebliche Organisationsvorteile.
Welche sind das?
Wir können als Eigentümer und Betreiber aus einer Hand einheitlich und schnell reagieren; die Städte müssen viele Immobilienbesitzer unter einen Hut bringen. Zudem ist der Standard eines solchen Shopping Centers wie des Westfield Centros mit viel Investment verbunden – für Modernisierungen, bauliche Themen, Infrastruktur, Service, auch fürs Reinigungs- und Sicherheitspersonal, für die Grünpflege. Wir investieren kontinuierlich in den Standort, das erhöht dann auch die Attraktivität und trägt unmittelbar zum Erfolg bei – seit Jahren.
Trotzdem sind auch die Einkaufszentren unter Druck – durch den Online-Shopping-Boom, die Konkurrenz der Outlet-Center, die schwindende Kaufkraft der Bevölkerung. In den USA werden Einkaufszentren bereits abgerissen. Überlebt das Centro?
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Ein ganz klares Ja, das Westfield Centro wird nicht nur überleben, es wird seine Erfolgsgeschichte noch ausbauen. Wir bieten den Kunden eben nicht nur ein reines Shopping-Erlebnis, sondern die Chance auf tolle Freizeiterlebnisse: in den Restaurants, Cafés und bei den Freizeitanbietern der Promenade, in den Kinosälen oder in der Arena. Wir sind froh über jeden, der sich in der Neuen Mitte mit einem attraktiven Angebot ansiedelt. Auch das Rebranding mit der internationalen Marke Westfield hilft dem Centro – es ist ein Flaggschiff der Shopping Center in Europa. Gut ist auch, dass wir als Eigentümer stetig in den Standort investiert haben, denn die Erwartungen der Kunden steigen, sie werden immer anspruchsvoller, da darf man nicht stehenbleiben. Wir wollen stets Vorreiter sein, beim Markenmix, im Bereich Nachhaltigkeit, in ökologischer und sozialer Hinsicht, und auch bei den Services. So bieten Geschäfte im Westfield Centro den in der Pandemie-Zeit entwickelten Service „Click & Collect“ weiter an. Da kann man sich online die Ware ins Geschäft bestellen, hier vor Ort anprobieren und eventuell wieder direkt zurückgeben.
Das Centro hat allerdings schon vor der Pandemie Besucher eingebüßt; die Zahlen sanken von einst 22 Millionen auf 15 Millionen im Jahr. Woran liegt das?
Als Hauptursache dafür sehe ich die gesellschaftliche Entwicklung der Freizeitgestaltung: Die Vielfalt an Möglichkeiten hat extrem zugenommen. Wir bieten hier schon sehr gute Erlebnisse, aber heutzutage kann jeder auch vieles in seinem Zuhause erleben, ohne unterwegs zu sein. Aber wir erleben auch, dass die Kunden nach Corona wieder zurückkommen, weil sie das Gesamterlebnis vor Ort zu schätzen wissen und nicht mehr alleine von der Couch aus Ware kaufen müssen. Wir sind jetzt nah an den Vorpandemiezahlen und blicken sehr optimistisch in die Zukunft. Als Einzelhandels- und Freizeitdestination ist das Westfield Centro nach wie vor der Maßstab in Deutschland.
Unibail-Rodamco-Westfield hat Interesse, Freizeiterlebnisse hier auszubauen. Ihr Arbeitgeber überlegt, das frühere Musical-Theater Metronom zu kaufen.
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Natürlich haben wir ein großes Interesse, dass dieser Standort wieder mit Leben gefüllt wird. Das wäre für ganz Oberhausen wichtig. Der Leerstand eines solch eindrucksvollen Gebäudes hier nützt niemandem etwas. Aber unsere Expertise liegt nicht im Live-Musikbereich, sondern wir sind Shopping-Center-Betreiber. Aber als Nachbar freuen wir uns natürlich, wenn die Verhandlungen über diese Immobilie zeitnah von Erfolg gekrönt sein sollten.
Das Centro war ursprünglich als Einkaufszentrum geplant, das wie eine Innenstadt einen bunten Strauß an verschiedenen Waren bietet. Das Centro ist aber zunehmend auch wegen der hohen Mieten zum großen Bekleidungshaus geworden. Ist das eine Fehlentwicklung?
Tatsächlich wollen wir auch heute noch den Kunden ein breitgefächertes Angebot anbieten. Es ist ja auch nach wie vor eine große Vielfalt an Branchen und Konzepten vertreten. Da hilft uns auch die Größe des Centers. Doch letztendlich entscheidet der Kunde, welche Konzepte er annimmt und welche nicht. So ist es bisher beispielsweise nicht dazu gekommen, hier ein Lebensmittelgeschäft zu platzieren. Wir sind aber daran interessiert, verschiedene Konzepte auszuprobieren, z.B. über Pop-up-Flächen, auch wenn sie schon von Anfang an als befristeter Trend geplant sind. Solche Wechsel sind für die Attraktivität eines Shopping-Centers dieser Größe gut, weil wir immer wieder Neues bieten können. Wir schauen uns aber auch aktiv an, welche Konzepte für ein gesamtheitliches Angebote fehlen – und versuchen, dies umzusetzen.
Ein breites Sortiment hat Kaufhof Galeria. Wie sehr würde das Ende von Kaufhof Galeria der Anziehungskraft des Centros schaden?
Galeria ist der größte Mieter hier, ein wichtiger Anker für das Center. Zum Glück funktioniert die Filiale hier sehr gut, ist gut positioniert und eine der erfolgreichsten im Filialnetz von Galeria Karstadt Kaufhof – und Galeria will diesen Standort konsequenterweise ja auch erhalten. Für alle ist das eine tolle Partnerschaft hier am Standort.
Auf der Promenade gab es früher für Nachtschwärmer attraktive Nachtclubs und Discos. Warum haben die am Centro keinen Platz mehr?
Letztendlich entscheiden auch hier die Kunden. Deren Erwartungen haben sich in den vergangenen Jahren geändert. Das derzeitige Angebot auf der Promenade halte ich für das stärkste, das es jemals gab - sowohl mit Blick auf die Vielfalt als auch auf die Qualität. Das spiegeln uns die Betreiber als auch unsere Gäste.
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Wenn ein Nachtclubbetreiber mit einem tollen Konzept kommen würde – würden Sie das direkt ablehnen, weil das nicht mehr in die heutige Idee von der Promenade passt?
Das hängt vom Einzelfall ab, derzeit ist die Promenade voll belegt, wir hätten gar keinen Platz mehr. Wir würden so ein Club-Konzept aber auf jeden Fall individuell prüfen und schauen, ob es in die Gesamtkonstellation passt.
Die Bierspezialisten vom Irish Pub bis zum Brauhaus Zeche Jacobi existieren nicht mehr, das chinesische Restaurant Pagoda steht seit Jahren leer. Hätte das Centro hier nicht eher handeln müssen?
In den Fällen der Pagoda und des Brauhauses hat sich die Corona-Pandemie ausgewirkt, die uns alle massiv überrascht hat. Versäumt haben wir hier aber nichts, denn schon länger planen wir, Karls Erlebnisdorf auf dem Centro-Park-Gelände zu platzieren – das ist ein sehr attraktives und spannendes Konzept.
Warum zieht sich das dann so lange hin?
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Es ist doch nachvollziehbar, dass man die Bespielung einer Fläche von sechs Hektar nicht von heute auf morgen planen kann, um diese dann übermorgen umzusetzen. Zwischen Karls Erlebnisdorf, der Stadt Oberhausen und uns müssen noch ein paar Punkte geklärt werden. Das ist ein ganz üblicher Prozess bei solch einem großen Vorhaben. Wir arbeiten mit Hochdruck daran und gemeinsam mit allen anderen Beteiligten möchten wir, dass das Projekt schnellstmöglich umgesetzt wird. Da müssen wir uns leider noch alle gedulden.
Liegt die Verzögerung daran, dass die Stadtverwaltung zu lahm agiert?
Nein. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Baugenehmigungsverfahren für eine so große Fläche und einem komplexen Konzept eine gewisse Zeit benötigt, da sich alle an die verwaltungstechnischen Regeln halten müssen. Wir werden diese Themen klären und können es dann kaum erwarten, dass der Bau startet und Karls dann eröffnen kann. Das wird ein weiterer Meilenstein in der Erfolgsgeschichte des Westfield Centro.
Wie kann das Rathaus grundsätzlich die Entwicklung des Centros unterstützen?
Es ist sehr gut, dass sich die Stadt mit Hilfe der Frankfurter Stadtplaner von Albert Speer & Partner Gedanken zur Weiterentwicklung der Neuen Mitte macht. Die Verlängerung der Linie 105, die Idee einer Seilbahn vom neuen Parkhaus an der Autobahn-Abfahrt in die Mitte des Centros, die Ansiedlung weiterer Freizeitanbieter, ein neues Wohnquartier – das Konzept „Neue Mitte 4.0“ ist eine hervorragende Basis. Das alles muss nun aber mit Leben gefüllt werden. Denn wir müssen es schaffen, die Alternativen zum Auto attraktiver zu gestalten. Denn verkehrstechnisch spüren wir an vielen Wochenenden eine starke Auslastung der Straßen rund ums Westfield Centro. Wichtig ist, dass wir weiterhin eng zusammenarbeiten und gemeinsam die Herausforderungen anpacken.
Gerade auch durch die kostenlosen Parkplätze zieht das Centro sehr viele Autofahrer an. Ist es nicht nachhaltiger, die Centro-Parkhäuser kostenpflichtig zu machen, so dass die Fahrt mit Bus und Bahn kostenmäßig mit dem Auto konkurrieren kann?
Ich halte nichts davon, das Auto unattraktiver zu machen, sondern wir benötigen attraktivere Alternativen. Es darf nicht sein, dass man mit dem Auto 20 Minuten Fahrtzeit benötigt, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als eine Stunde. Die Fahrt darf höchstens eine Viertelstunde länger dauern als mit dem Auto. Dann sind auch mehr Menschen bereit, auf die klimafreundlichen Verkehrsmittel umzusteigen. Es ist jedenfalls von unserer Seite nicht vorgesehen, für unsere Parkplätze Parkgebühren zu nehmen. Sie bleiben kostenfrei. Wir selbst arbeiten auch sehr intensiv am Thema Mobilität. Wir bauen z.B. kontinuierlich das Netzwerk an E-Ladesäulen am Standort aus.
Wenn Sie ein Riesenbudget hätten, was würden Sie am liebsten sofort anpacken und umsetzen?
Für uns, unsere Geschäftspartner und gerade auch für die Kunden ist das Thema Nachhaltigkeit zentral. Wir haben hier seit Jahren bereits einen ganzen Katalog an Maßnahmen und investieren sehr viel, aber mit dem von Ihnen genannten Riesenbudget würde ich noch mehr Maßnahmen direkt anpacken. Da gibt es unfassbar kreative Lösungen. Wir haben zum Beispiel bei der Beleuchtung schon vieles umgesetzt, müssen aber noch die Klimatisierung des Centros (Wärme, Kälte, Lüftung) verbessern. Darüber machen wir uns derzeit mit Fachleuten sehr viele Gedanken. Bis 2030 wollen wir im Vergleich zu 2015 die Hälfte unserer Kohlenstoffdioxid-Emissionen einsparen – und wir sind hier auf einem sehr guten Weg.
Vielen Dank für das Gespräch.