Oberhausen. . Auch zwei Jahrzehnte nach der Eröffnung sind die Meinungen zum Oberhausener Centro gespalten. Es erntet von Kaufleuten gleichermaßen Lob und Kritik.
- Schon vor Baubeginn hat das Centro für Disskussionen in der Kaufmannschaft gesorgt
- Die Marktstraße hat es hart getroffen – Sterkrade zeigte sich relativ unbeeindruckt
- Dem Centro könne aber nicht die Alleinschuld für Fehlentwicklungen zugeschrieben werden
Die Ankündigung, in Oberhausen das größte Einkaufs- und Freizeitzentrum Europas zu errichten, sorgte für reichlich Diskussionsstoff. Während die einen sich eine deutliche Belebung für Stadt und Region versprachen, sahen andere in der großflächigen Konkurrenz eine Gefährdung des bestehenden Einzelhandels. Wir baten Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ruhr – der Interessenvertreter von Händlern in Oberhausen, Mülheim und Essen – um eine Stellungnahme, wie er die Entwicklung beurteilt.
Respekt vor Management-Leistung
„Auch nach 20 Jahren polarisiert das Centro die Kaufmannschaft. Der Grad der persönlichen Betroffenheit ist für die hierbei vertretenen Standpunkte nach wie vor prägend. Einig ist man sich darin, dass es maßgeblich dazu beigetragen hat, die Stadt Oberhausen weit über ihre Stadtgrenzen hinaus bekannt zu machen.
Auch interessant
Großen Respekt genießt auch das Centro-Management, dass nach einhelliger Meinung einen tollen Job macht. Seine Besucherzahlen in Zeiten, in denen Innenstädte über Frequenzeinbrüche im zweistelligen Prozentbereich klagen und gleichzeitig der Internethandel zweistellig wächst, auf konstant hohem Niveau zu halten, wirft die Frage auf, wie so etwas möglich ist.
Erlebniseinkauf
Die Antwort fällt nicht schwer, punktet das Centro unter dem Stichwort „Erlebniseinkauf“ doch vor allem in den Bereichen, wo das Internet dem stationären Handel strukturell unterlegen ist. Hier setzt es seit 20 Jahren Maßstäbe! Doch ist damit die Blaupause gefunden, um dem wachsenden Internethandel wirksam zu begegnen und der mancherorten drohenden Verödung von Innenstädten und Stadtteilzentren zu begegnen? Anhand völlig unterschiedlicher Rahmenbedingungen wohl kaum!
Im öffe ntlichen Raum, für den die Stadt zuständig ist, ist es für Händler eben nicht einfach möglich, ein Hausrecht auszuüben und hierdurch sicherzustellen, dass sich Kunden bei ihrem Einkauf wohlfühlen. Kunden erwarten Sicherheit und Sauberkeit. Standorte, wo es hieran mangelt, werden abgestraft.
Attraktiver Branchenmix
„Erlebniseinkauf“ setzt zudem auch ein interessantes Einzelhandelsangebot und einen attraktiven Branchenmix voraus. Nur ist ein solcher schwer zu schaffen, wenn bei der Vermietung von Ladenlokalen nur auf den Preis geschaut wird und nicht mittel- beziehungsweise langfristig gedacht wird.
Natürlich können Ein-Euro-Shops und Handyläden mehr Miete zahlen als etwa ein Start-Up mit innovativem Ladenkonzept, doch lässt sich durch eine rein preisorientierte Vermietung ein gutes Niveau am Standort auf Dauer nicht halten.
Kein Schwarz-Weiß
Vieles ist eine Frage der Perspektive! Kaufleute, die im Centro ein Geschäft betreiben, haben hierauf natürlich einen völlig anderen Blickwinkel als Kaufleute, die an der Marktstraße angesiedelt sind und durch das Centro Kunden verloren haben.
23 Mio Besucher pro Jahr
In einer Zeit, in der sich der Einzelhandel infolge des digitalen Einkaufens im größten Umbruch seit Einführung der Selbstbedienungsläden (vor einem halben Jahrhundert) befindet, verbietet sich allerdings jede Form von Schwarz-Weiß-Malerei, die dem Centro die Alleinschuld für jegliche Fehlentwicklung zuschreiben will. Wenn der Kunde etwa mittags vor verschlossenen Geschäftstüren steht und am späten Nachmittag den Überblick verloren hat, welches Geschäft noch geöffnet hat, ist das ein Standortnachteil, den Shopping-Center nicht kennen.
Ungleiche Wettbewerbsbedingungen
Fakt ist aber auch, dass das Centro die Situation für viele Händler schwieriger gemacht hat. Der Bau hat zunächst einmal die Marktstraße in Alt-Oberhausen hart getroffen. Sterkrade zeigte sich demgegenüber anfangs noch relativ unbeeindruckt. Von dieser Gelassenheit war dann allerdings schon weniger zu spüren, als das Centro später seine Verkaufsfläche erweiterte und seitdem mit neuen Läden auch eine ältere Zielgruppe anspricht.
Letztlich geht es immer um Wettbewerb. Dieser ist grundsätzlich gewollt, setzt aber die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen voraus. Und da besteht noch Handlungsbedarf!
Vier verkaufsoffene Sonntage
Für das Centro ist bei dem weitaus überwiegenden Teil der Oberhausener Politik die vom Landesgesetzgeber vorgegebene Anzahl von maximal vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr gesetzt! Nach wie vor bleibt allerdings unbeantwortet, warum ein solches Privileg nicht auch anderen Standorten in Oberhausen zuerkannt werden soll, wenn es die dortige Kaufmannschaft wünscht.“
Handel auf dem Stahlwerksgelände hat negative Folgen für die Stadtteilzentren
„Die Ansiedlung eines großen Einkaufscenters auf einer verkehrsgünstig gelegenen „grünen Wiese“ ist für gewachsene Standorte im Umfeld meist schwer zu verkraften, da die Rahmenbedingungen dort völlig andere sind.
Sowohl beim Bau des Centro als auch bei der Erweiterung seiner Verkaufsfläche haben sich die Planer deshalb bei Erstellung von Einzelhandelskonzept und Bebauungsplänen vertieft Gedanken gemacht, wie man schädliche Folgen für die gewachsenen Standorte abmildert oder nach Möglichkeit vermeidet. Tenor hiervon ist, dass zentrenrelevanter Einzelhandel in den Bebauungsplanbereich des Centro gehört und nicht auch noch in dessen Peripherie gelangen soll. Um den gewachsenen Standort Alt-Oberhausen zu stärken, gibt das Zentrenkonzept als Direktive aus, planungsrechtlich alles zu versuchen, um Ankerbetriebe zu bewegen, sich an der Marktstraße anzusiedeln, um hierdurch auch für die übrigen Geschäfte wieder für die notwendige Kundenfrequenz zu sorgen.
Vor diesem Hintergrund gibt die derzeitige Diskussion um die zukünftige Nutzung des Stahlwerksgeländes neben dem Centro Anlass zu großer Sorge. Nicht nur, dass eine dortige Ansiedlung von zentrenrelevantem Einzelhandel in nennenswertem Umfang das Bemühen, Ankermieter wieder für gewachsene Standorte zu begeistern, konterkariert. Mindestens ebenso groß und durch aktuelle Überlegungen auch begründet ist die Sorge, dass in Stadtteilzentren vorhandene, wichtige Magnetbetriebe dort ihre Zelte abbrechen, um auf das Stahlwerksgelände zu wechseln, um dabei zu sein, wenn sich die bereits ankündigende Aufbruchstimmung dort manifestiert. Überlegungen, die die Stadtplaner seinerzeit angestellt haben, um gerade das zu verhindern, haben Hand und Fuß und sind aktueller denn je!“