Oberhausen. Zum Start des Wissenschaftscampus NRW bekommt Landesklimaschutzministerin Mona Neubaur den Ärger der Klimaaktivisten über ihre Politik zu spüren.
Der Auftakt zum neuen Wissenschaftscampus NRW in Oberhausen fällt überraschend kontrovers aus: Als die schwere Dienst-Limousine von Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) am Donnerstagabend vor dem Gasometer vorfährt, wird die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, die hier als Gast geladen ist, bereits von einer größeren Gruppe ziemlich wütender Klimaaktivisten erwartet. Die Demonstranten haben viele Transparente entfaltet und rufen Mona Neubaur immer wieder zu: „Lützerath bleibt!“ Protestsongs hallen über den Platz. Die Polizei ist präsent.
Die Grünen-Politikerin stellt sich spontan den Kundgebungsteilnehmern und diskutiert schon nach wenigen Sekunden Auge in Auge mit einzelnen Klimaaktivisten. Dass das Dorf Lützerath am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler doch noch erhalten bleiben soll, ist das derzeit landespolitisch wohl wichtigste Ziel der Klimaschützer. Doch die Ministerin erteilt dieser Forderung eine klare Absage: Die Rechtslage habe sich nicht geändert; letztinstanzlich sei entschieden worden, dass der Stromkonzern RWE den kleinen Ort abreißen darf, um den Braunkohletagebau auszuweiten. Neubaur: „Rechteinhaber für Lützerath ist das RWE.“
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Das wollen die Demonstranten so nicht stehenlassen. Der von Klimaaktivisten besetzte Erkelenzer Stadtteil ist längst zu einem Symbol der Klimaschutzbewegung geworden. Der RWE-Konzern fordert allerdings, dass eine Räumung noch in diesem Winter notwendig sei.
„Es wird immer wärmer!“, ruft ein Aktivist aufgebracht der Ministerin vor dem Gasometer in Oberhausen zu. Weiterer Braunkohletagebau wie in Garzweiler, die weitere Nutzung von fossiler Energie seien eindeutig der falsche Weg: „Zählt das Pariser Klimaschutzabkommen nicht mehr als das RWE?“
Klimaaktivist: „Mit Ihrer Politik vernichten Sie die Zukunft!“
Es folgen scharfe Kurz-Debatten mit einzelnen Klimaaktivisten – mit knallharter Kritik an den Grünen. „Mit Ihrer Politik vernichten Sie die Zukunft!“, ruft ein Demonstrant der Ministerin zu, die die ganze Zeit über äußerlich gelassen bleibt, die den Rechtsstaat, das Gewaltmonopol des Staates und die Polizei verteidigt: „Mir ist es viel wert, dass wir hier zusammen diskutieren können.“
Die Polizei ist mit einer beträchtlichen Anzahl von Einsatzkräften vor Ort, um die Sicherheit der Vize-Regierungschefin zu gewährleisten. Nach etwa 15 Minuten setzt Mona Neubaur dann vom Vorplatz des Gasometer-Ticketschalters ihren Weg ins Innere der riesigen Stahltonne fort, wo sie mit Gasometer-Geschäftsführerin Jeanette Schmitz die große rotierende Weltkugel bestaunt („Kann ich die nachher mitnehmen?“). Der Wissenschaftschaftscampus NRW startet mit leichter Verspätung.
Nach der Begrüßung durch Strategie-Dezernent Ralf Güldenzopf interviewt der Leiter des Wissenschaftscampus, Martin Florack, die Ministerin. Das freundliche Gespräch in Talk-Show-Manier vor gut gefüllter Gasometer-Tribüne streift eine Fülle von Themen, doch provokative Fragen muss Mona Neubaur hier nicht mehr beantworten. Nach den recht turbulenten Minuten zuvor kann sie also ein wenig entspannen.
Hier geht es nicht um Lützerath, sondern um das sensible Zusammenspiel von Politik und Wissenschaft, aber auch um das Selbstverständnis der Ministerin als Politikerin. Mona Neubaur: „Wir befinden uns derzeit in einer Stapel-Krise.“ Mehrere massive Krisen fordern Politik und Wissenschaft heraus: Ukrainekrieg, Klimawandel, Energiekrise, Inflation. „Wir stellen gerade fest, wie teuer es ist, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Und wir stellen fest, wie zerbrechlich unser Wohlstand ist.“
Lob der Ministerin für die Idee des Wissenschaftscampus NRW
Neubaur lobt die lokale Idee, einen Wissenschaftscampus NRW in Oberhausen als Kooperation der Stadt Oberhausen mit der NRW School of Governance an der Universität Duisburg-Essen und dem Institut für Journalismus an der Westfälischen Hochschule zu starten. Sie könne sich durchaus vorstellen, so etwas auf ganz NRW auszuweiten. Der Wissenschaftscampus will konkrete Ideen entwickeln, wie etwa Quartiersentwicklung oder auch der Emscherumbau in Oberhausen gestaltet werden können.
Wissenschaftscampus NRW: Weitere Gäste aus Forschung und Kultur präsent
Der Wissenschaftscampus will ein Debattenforum sein, das ein breites Themenspektrum abdeckt: So zählen zu den Gesprächspartnern des Auftaktabends auch Theaterintendantin Kathrin Mädler und Manfred Fischedick, Präsident am Wuppertal Klima-Institut. Mädler macht deutlich, dass ein Stadttheater gesellschaftliche Umbau-Prozesse durchaus unterstützen könne. Prof. Fischedick macht mit Blick auf den Klimaschutz Hoffnung: „Es gibt in diesem Punkt Fortschritte. Und es stehen die Techniken zur Verfügung, um Klimaschutz praxistauglich zu verwirklichen.“