Oberhausen. Als Wissenschaftscampus plakatiert die Stadt die Kooperation mit Hochschul-Instituten in Duisburg und Buer. Doch der Titel verspricht zu viel.
Die Grafik-Abteilung hat sich ins Zeug gelegt; das große Wort prangt vielfach auf übermannshohen Bannern im Dachgewächshaus des Oberhausener Jobcenters am Altmarkt: „Wissenschaftscampus“. Man sollte dies allerdings als Marketing-Begriff – und damit nicht allzu wörtlich – nehmen. Lexika definieren Campus nämlich als „zusammenhängenden Komplex von Gebäuden, die zur selben Hochschule oder zum selben Forschungsinstitut gehören“. Davon ist Oberhausen, die größte deutsche Stadt ohne Hochschule, noch weit entfernt.
Es gibt noch nicht mal ein akademisch genutztes Gebäude – ganz zu schweigen von einem Komplex. Und so sagt denn auch Prof. Matthias Degen von der Westfälischen Hochschule zum künftigen Wirken seiner Studenten in Oberhausen: „Zu Beginn ist es eine ständige Exkursion.“ Der Direktor des Journalismus-Instituts in Gelsenkirchen-Buer lüftet damit ein wenig das sich unter dem Glasdach ballende Gewölk aus trendigen Begriffen von „Transformation“ bis „integrativ“, von „Wissenstransfer“ bis „relativ konkret“.
Destillieren lässt sich daraus: Die Stadt Oberhausen kooperiert unter der Marke „Wissenschaftscampus“ mit zwei geisteswissenschaftlichen Institutionen, der NRW School of Governance an der Uni Duisburg-Essen und der PR-Schmiede der Westfälischen Hochschule mit ihren Standorten von Bocholt bis Recklinghausen. Keimzelle ist die bereits in der kommenden Woche mit zwei Lehrenden aus Buer startende Begleitung der Quartiersentwicklung im Marienviertel – zunächst als „ständige Exkursion“. Matthias Degen betont die Praxisnähe für seine Studenten, die sich in diesen „Modulen“ vom üblichen Seminarunterricht befreit sehen.
Stadt umwirbt Studierende mit Arbeitsplätzen
„Wir freuen uns als Stadt über eine gute Begleitung“, sagt Daniel Schranz (CDU): „Es bedeutet Input.“ Der Oberbürgermeister hält diesen kleinen Anbeginn eines akademischen Aufschwungs in Oberhausen für die klügere Strategie, als immer mal wieder eine komplette Hochschule zu fordern. „Wir werden Gelsenkirchen als Standort so wenig aufgeben wie Duisburg-Essen“, hatte schon Prof. Degen gesagt. Der Historiker Schranz formulierte es so: „Wir wollen den akademischen Anspruch dieser Stadt aufwachsen lassen“ – und verwies auf die Blüte von Fraunhofer Umsicht, das „nach ganz kleinen Anfängen“ in der Neuen Mitte nun 450 Arbeitsplätze bietet.
Mit Arbeitsplätzen für die im noch „virtuellen“ Wissenschaftscampus lernenden Studierenden wirbt Martin Florack, der neue städtische Bereichsleiter für integrierte Stadtentwicklung und Statistik: „Sie gewinnen hier Praxisbezug und im besten Fall kommt jemand auf die Idee, sich hier zu bewerben.“ Für die Stadt wäre es „ein Riesengewinn“.
Nach Angaben von Bereichsleiter Florack kennt auch der Hochschulverband noch kein Modell des Zusammengehens einer Stadtverwaltung mit der Hochschulausbildung, wie es der „Wissenschaftscampus“ praktizieren will: „Meine neun Kollegen in der Stadtentwicklung haben eine hohe Erwartung: Wir holen neue Leute in die Stadt.“ So sieht’s wohl auch Prof. Karl-Rudolf Korte: „Diese Kombination ist einmalig“, sagt knapp der Direktor der Duisburger School of Governance: Andernorts dürften „die Neider ab heute zunehmen“.
Ein Campus-Gebäude als Entwicklungsimpuls
Übrigens soll der virtuelle „Campus“ tatsächlich irgendwann auch ein Gebäude erhalten, obwohl das Stadtoberhaupt zum Wo noch nichts sagen will: „Es ist noch kein Vertrag unterschrieben.“ Martin Florack macht’s noch etwas spannender: „Damit geben wir einen Stadtentwicklungsimpuls. Wir sind dann mittendrin – nicht abgeschottet auf der grünen Wiese.“ Klingt fast wie ein Seitenhieb auf die randlagigen Beton-Unis des Reviers.