Oberhausen. Das wissen viele Arbeitnehmer nicht: Wenn Niedrigverdienern die Heizkosten über den Kopf wachsen, kann man Zuschüsse beim Jobcenter beantragen.

Ist der kommende Winter für Familien und Alleinstehende mit durchschnittlichen Einkommen noch bezahlbar? Die drastisch steigenden Gas- und Heizölpreise, die enormen Preisaufschläge auf die Stromtarife stimmen viele Normalverdiener zu Recht sorgenvoll. So wird die Energieversorgung Oberhausen (EVO), Marktführer in der Stadt, ihre Preise für Strom, Gas und Fernwärme ab 1. Oktober 2022 so stark erhöhen wie noch nie zuvor in ihrer Firmengeschichte – zwischen 24 und 50 Prozent.

Aufgrund dieser Marktlage überlegt die Bundesregierung, zumindest die Gruppe der Beschäftigen mit wenig Einkommen aus ihrer Berufstätigkeit zu entlasten – indem das Wohngeld durch Heizzuschläge aufgestockt wird. Das Wohngeld erhalten all diejenigen Niedrigverdiener, die sonst keine Sozialhilfen wie Hartz IV oder Ähnliches vom Staat erhalten. Allerdings berücksichtigt das Wohngeld bisher in der Regel nur die Kaltmiete mit einigen Nebenkosten, nicht aber die Heiz-, Warmwasser oder Stromkosten. Deshalb hat die Ampelkoalition bereits im Sommer dieses Jahres eine Sonderzahlung gesetzlich beschlossen: ein einmaliger Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger von 270 (eine Person) bis 490 Euro (vier Personen).

Dauerhafter Heizkosten-Zuschlag für Wohngeldempfänger

Nach Willen der SPD-Bundestagsfraktion und des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) soll dies nun mit einer großen Wohngeldreform verstetigt werden: Wer Wohngeld berechtigt ist, soll dauerhaft pauschale Heizzuschläge pro Quadratmeter Wohnfläche erhalten – eine solche Heizkostenkomponente gab es in den Jahren 2009 und 2010 schon einmal. Und seit Anfang 2021 zahlt der Staat einen Ausgleich für die Kohlendioxid-Aufschläge auf Heizöl und Gas von im Schnitt zwölf Euro je Monat (Zwei-Personen-Haushalt).

Doch schon bisher gibt es für Arbeitnehmer, die ihre Heizkosten nicht mehr schultern können, einen sozialen Zuschuss, den viele Beschäftigte allerdings gar nicht kennen. Denn auch wenn man mitten im Beruf steht, also nicht arbeitslos, kann man unter Umständen Hilfen vom Jobcenter erhalten. Hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches II (SGB) kann man aber als Arbeitnehmer nicht durch Stromkosten werden, da diese auch von arbeitslosen Hartz-IV-Empfängern aus ihrem normalen Hartz-IV-Satz getragen werden müssen.

Die Fachleute im Jobcenter Oberhausen in der Innenstadt wissen, dass auch Beschäftigte Hartz-IV erhalten können, wenn sie ein zu geringes Einkommen für ihre Heizkosten haben.
Die Fachleute im Jobcenter Oberhausen in der Innenstadt wissen, dass auch Beschäftigte Hartz-IV erhalten können, wenn sie ein zu geringes Einkommen für ihre Heizkosten haben. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Nach Angaben des Oberhausener Jobcenters können Arbeitnehmer jedoch zu sogenannten „Ergänzern“ werden, wenn ihnen die Heizkosten über den Kopf wachsen. Sie bekommen dann aus der Kasse des Jobcenters einen Zuschuss, wenn ihr Einkommen nicht mehr für die Bezahlung der Wohnungskosten reicht. Jederzeit können Arbeitnehmer einen solchen Antrag auf Überprüfung eines möglichen Leistungsanspruchs im Jobcenter stellen.

Weiterer Bericht zum Thema für Langzeitarbeitslose:

Zahlen Jobcenter hohe Heizkosten für Hartz-IV-Empfänger?

Die einzelne Rechnung ist dabei zwar kompliziert, das Prinzip aber einfach. Ob und wie hoch ein Zuschuss zum Lebensunterhalt gezahlt wird, hängt vom Unterschied zwischen dem Einkommen und dem Bedarf an Ausgaben für den Alltag ab. Diese Größen sind natürlich rechtlich definiert.

So wird bei einem Alleinstehenden beispielsweise von seinem monatlichen Nettoeinkommen ein Freibetrag von 300 Euro abgezogen – von 960 Euro netto (etwa 1200 Euro brutto im Monat) verbleiben dann 660 Euro. Das ist deutlich niedriger als sein vom Jobcenter errechneter Bedarf für die Alltagsausgaben von 449 Euro (Hartz-IV-Regelsatz) plus Wohnkosten von 550 Euro (inklusive Heizung), zusammen also rund 1000 Euro. Der betreffende Arbeitnehmer würde also 1000 Euro (Ausgabe-Bedarf) minus 660 Euro (Einnahmen), also 340 Euro im Monat ergänzend vom Jobcenter erhalten.

Bei einer vierköpfigen Familie sieht dies nach einer Beispielrechnung des Jobcenters Oberhausen so aus: Der Bedarf mit den beiden fünf und zwölf Jahre alten Kindern bei Wohnkosten von 870 Euro und Hartz-IV-Regelsätzen von 1404 Euro minus Kindergeld wird insgesamt auf 1836 Euro kalkuliert. Verdient der Familienvater 2700 Euro brutto im Monat, verbleiben ihm in der Regel netto 2080 Euro. Davon wird wieder ein Freibetrag von in diesem Fall 330 Euro abgezogen – 1750 Euro. Damit übersteigt der Bedarf von 1836 Euro das Einkommen um 1750 Euro – der Familie würde das Jobcenter monatlich 86 Euro aufs Konto überweisen.

Einen großen Kostensprung erwarten alle Fachleute für die Heizkosten und Aufwendungen für Warmwasser in diesem Winter.
Einen großen Kostensprung erwarten alle Fachleute für die Heizkosten und Aufwendungen für Warmwasser in diesem Winter. © dpa | Marcus Brandt

Bei den Wohnkosten gibt es zwar grundsätzlich Grenzen von Wohnungsgrößen und Heizkosten, die eine Stadt wie Oberhausen als angemessen einstuft. Doch Stadt wie Jobcenter in Oberhausen versichern, dass die Prüfung der Heizkosten in dieser angespannten Lage wohlwollend ablaufen wird: „Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfänger, die sich wirtschaftlich und verbrauchsorientiert verhalten haben, dürfen davon ausgehen, dass die Heizkosten in tatsächlicher Höhe Berücksichtigung finden.“

Und bei den Freibeträgen, die vom Einkommen abgezogen werden, sind durchaus auch noch Zuschläge möglich, etwa wenn der Beschäftigte weite Entfernungen zu seiner Arbeitsstätte überwinden muss.

Muss der Ergänzer unter den Beschäftigten erst einmal sein Erspartes aufzehren?

Jobcenter und Hartz IV? Da haben viele Beschäftigte aus Erinnerungen an die Diskussionen um die Agenda 2010 vor 20 Jahren die Sorge, dass diese bei Hilfen erst einmal ihr gesamtes Vermögen verbrauchen müssen. Diese Regelungen haben sich aber in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. „Ergänzer“ müssen nach Aussagen der Jobcenter-Fachleute „ihr Erspartes nicht komplett aufzehren, bevor sie ergänzende Leistungen aus dem SGB II beziehen“. Denn die Freibeträge sind mittlerweile hoch – bis mindestens Ende des Jahres beläuft sich der Freibetrag auf Vermögen in einer Bedarfsgemeinschaft für das erste zu berücksichtigende Haushaltsmitglied auf 60.000 Euro. Jedes weitere Haushaltsmitglied hat einen Freibetrag von 30.000 Euro.

Diese Freibeträge sind allerdings bisher nur für sechs Monate zu berücksichtigen, danach gelten wieder die üblichen Freibeträge für Vermögen: 150 Euro je vollendetem Lebensjahr, mindestens 3100 Euro, maximal rund 10.000 Euro je nach Geburtsjahr; außerdem noch 750 Euro zusätzlich für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlägt allerdings eine Hartz-IV-Reform vor, mit der Hartz IV durch das neue Bürgergeld ab Anfang 2023 ersetzt wird – dabei sollen die Freibeträge von 60.000/30.000 Euro mindestens zwei Jahre unangetastet bleiben.

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