Oberhausen. Die Energieversorgung Oberhausen (EVO) erhöht für fast alle Kunden die Preise für Strom, Gas und Fernwärme drastisch – bereits ab 1. Oktober.
Äußerst gedrückte und ernste Stimmung auf der Pressekonferenz der Energieversorgung Oberhausen (EVO): Die Manager des halb der Stadt Oberhausen, halb dem Konzern EON gehörenden Unternehmens sehen sich nach eigenen Angaben gezwungen, die Tarife für 95.500 Strom- und 18.500 Gaskunden so stark wie noch nie zuvor in der 50-jährigen Firmengeschichte anzuheben. „Dabei erhöhen wir die Preise gerade mal so sehr, wie wir unbedingt müssen“, sagt EVO-Vorstand Hartmut Gieske.
Hauptgrund ist die extreme Unsicherheit auf den Gas- und Strommärkten – sowie die drohende Gasmangellage: Weil der russische Präsident Wladimir Putin den Hahn für das Gas nach Deutschland mal abstellt, mal stärker aufdreht, mal ein wenig mehr zudreht, liegen die Preise für Gas und Strom heute acht Mal so hoch wie Anfang 2019.
Gas und Strom noch zu niedrigeren Preisen eingekauft
Wie andere Stadtwerke kaufen die EVO im rollierenden System über mehrere Jahre Mengen an Strom und Gas ein – insofern profitieren EVO-Kunden noch von den niedrigeren Preisen der Vergangenheit. Doch zum einen fehlten der EVO am Jahresanfang 2022 noch für diesen Winter 2022/23 rund 20 Prozent der benötigten Gasmengen, zum anderen laufen Alt-Einkaufsverträge immer wieder aus und müssen nachgekauft werden. „Die jetzige Situation ist ein absoluter Ausnahmezustand. Oberstes Ziel ist es, die Versorgungssicherheit mit Gas zu erhalten – wir mussten deshalb zu diesen hohen Preisen einkaufen“, erläutert EVO-Vorstand Christian Basler. Die Bezugskosten der EVO für das Jahr 2023 haben sich im Vergleich zu 2021 verdreifacht – die EVO muss für Gas und Strom 90 Millionen Euro mehr zahlen.
Und so erleben die Gas- und Stromkunden der EVO ab 1. Oktober 2022 die dritte Preiserhöhung innerhalb von zwölf Monaten. Wer in der Strom- oder Gas-Grundversorgung steckt, zahlt über 33 Prozent mehr. Der Arbeitspreis je Kilowattstunde Elektrizität steigt von heute 26,88 Cent brutto auf 38,19 Cent brutto (plus 11,31 Cent). Wer den Sondervertrag „TOB Strom pur“ abgeschlossen hat, muss künftig je Kilowattstunde 33,04 Cent brutto je Kilowattstunden statt zuvor 25,66 Cent (plus 7,38 Cent) entrichten – das sind 24 Prozent mehr.
Beim Gas sehen die prozentualen Preissteigerungen der EVO ähnlich aus: Die Grundversorgungskunden zahlen künftig einen um 3,63 Cent je Kilowattstunde höheren Arbeitspreis: 14,49 Cent (plus 33 Prozent). Die Sondervertragskunden „TOB Gas pur“ kommen mit einer leicht geringeren Preissteigerung von 26 Prozent weg – die Kilowattstunde Gas kostet 12,69 Cent statt bisher 10,03 (plus 2,67 Cent).
Was macht das in den Beispielrechnungen für die einzelnen Kunden aus? Durchschnittlich verbraucht ein EVO-Kunde 2700 Kilowattstunden Strom im Jahr – diese werden in der Grundversorgung nach Berechnung der EVO um 300 Euro teurer und im Sondervertrag 200 Euro. Gaskunden müssen in der Grundversorgung nochmals tiefer in die Tasche greifen: Sie zahlen 540 Euro im Jahr mehr, im „TOB Gas pur“-Tarif sind es 400 Euro jährlich. Berechnet ist dies beim Gas auf ein Vier-Familien-Haus, in der alle Parteien insgesamt 58.550 Kilowattstunden verbrauchen. Allerdings: Noch nicht eingerechnet sind damit die Folgen der Gasumlage, die der Bund ab 1. Oktober verordnet – sie kann für Singles zwischen 90 und 300 Euro im Jahr ausmachen.
Gas wird auch für Fernwärme-Kunden der EVO benötigt
Bereits zum 1. Juni 2022 hatte die EVO den Gaspreis um 19 Prozent und den Strompreis um sieben Prozent angehoben. Fernwärmekunden werden von dieser Preisspirale nicht ausgenommen: Da hier nur einmal im Jahr Preiserhöhungen vollzogen werden, müssen diese nun zum 1. Oktober einen Preisanstieg von 50 Prozent hinnehmen. Denn auch für die Fernwärme benötigt die EVO Gas: Der Anteil von Gas an der Fernwärme beträgt im Winter 40 Prozent. Genaue Preisberechnungen laufen bei der EVO noch.
EVO-Vorstand Hartmut Gieske versichert, dass Vermutungen einiger Kunden völlig haltlos sind, der Energieversorger nutze die Gunst der Stunde und schlage besonders viel auf die Gas- und Strompreise drauf, um seine Gewinne zu steigern. Das Gegenteil sei bei der EVO der Fall: Nur weil die beiden Anteilseigner, Stadt und EON, auf bisher übliche Gewinne von elf Millionen Euro im Jahr zur Hälfte verzichten, müsse man Energie für die EVO-Kunden nicht noch mehr verteuern.
Beide EVO-Vorstände zeigen sich besorgt darüber, dass viele Menschen in Oberhausen angesichts ihrer Einkommen Probleme bekommen, ihre Energie zu bezahlen. „Energie wird nun zum Luxusgut und das gefährdet den sozialen Frieden“, sagt Gieske. Die Politik habe alle drei Ziele sinnvoller Energiepolitik nicht erreicht: Sichere Versorgung, angemessene bezahlbare Preise und umweltschonende Energieerzeugung.
Die EVO-Spitze empfiehlt allen Bürgern dringend, in allen Bereichen Energie zu sparen. „Diese finanziellen Folgen des Ukraine-Krieges kann der Staat nicht mehr auffangen, da ist jetzt leider jeder gefragt“, sagt Gieske. Marktmanager Arnd Mucke empfiehlt, die Wohnung nur noch mit 18 oder 19 Grad zu wärmen. „Das ist unbequem, aber zumutbar.“ Er selbst werde sich zu Hause genauso verhalten.
Lange Wartezeiten bei den EVO-Kunden-Infostellen erwartet
Kundenservice-Geschäftsleiterin Sabine Benter rechnet mit einem Ansturm von Kunden nach der jetzigen Veröffentlichung der Preise. Trotz Aufstockung des Personals an den Infotelefonen und im Kundenzentrum erwartet sie Verzögerungen: „Wir bitten unsere Kunden um Geduld, es wird zu Wartezeiten kommen.“ Alle von den Preiserhöhungen ab 1. Oktober betroffenen Kunden werden angeschrieben, ihre monatlichen Abschläge automatisch erhöht. Nur 7000 Kunden sind von dieser Verteuerung zum 1. Oktober noch nicht getroffen - sie haben einen Vertrag mit Preisgarantie, der meist noch bis zum Jahresende läuft.
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