Oberhausen. Ruhrgebiets-Städte wie Oberhausen benötigen mehr und mehr Kitas, um die kleinen Kinder betreuen zu lassen. Doch die Kita-Baukosten explodieren.

Der Fachmann staunt und der Laie wundert sich nicht nur, sondern ärgert sich, weil wieder einmal der Steuerzahler viel Geld aus seinen Taschen herauskramen muss.

Ein einstöckiger Zusatzbau an eine bestehende städtische Kita für zwei Gruppen mit 40 Kindern kostet nicht eine Million oder 1,5 Millionen Euro, sondern am Ende satte zwei Millionen Euro. Mit den Honorarkosten für Architekten und Ingenieure wurden die sechs neuen Kita-Betreuungsräume plus fünf Nebenräume sogar 2,3 Millionen Euro teuer. Pro Kind kommen so 57.500 Euro Bauinvestitionen zusammen – ohne dass dieses Kind auch nur eine Minute von einer Fachkraft betreut worden ist.

Bei dem teuren Bauvorhaben handelt es sich um die Kita am Rechenacker – angesichts von vielen neuen Eigenheimen nahe der Ruhr im beliebten Oberhausener Süden ist der Bedarf an neuen Kinder-Betreuungsplätzen recht hoch. Deshalb visierte die Stadt auch in der städtischen Kita Rechenacker mehr Plätze an – und ließ seit 2020 dort einen Anbau errichten, der mittlerweile fertig ist.

Doch Widrigkeiten verzögerten die Übergabe – und verteuerten die Kita-Räume immer wieder. Gleich mehrmals musste der städtische Bauverantwortliche, die Servicebetriebe Oberhausen (SBO), im Stadtrat um einen Nachschlag bei den Finanzen bitten. Schon die Schätzung der Baukosten für das überschaubare Gebäudeteil war mit 1,57 Millionen Euro recht hoch – sie stiegen dann in drei Stufen auf 1,94 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 23,6 Prozent. Gründe dafür fanden die städtischen Fachleute viele.

Erstens: Die Erdarbeiten wurden um 123.000 Euro teurer, weil man zwar vor dem Bau Bodenproben nahm, ob dort Schadstoffe eventuell Kinder gefährden könnten. Allerdings fand man kein nennenswertes Gift. Kaum begannen allerdings die Bagger mit dem Aushub, merkten die Experten, dass die ganze Erde verseucht war – man musste es teuer als Sondermüll entsorgen und auch noch gute Erde herbeifahren.

Die Kita Rechenacker ist um einen langgestreckten Anbau erweitert worden, um zwei neue Gruppen mit 40 Kindern unterzubringen.
Die Kita Rechenacker ist um einen langgestreckten Anbau erweitert worden, um zwei neue Gruppen mit 40 Kindern unterzubringen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Zweitens: Die Bauarbeiter entdeckten einen alten Kanal, der in den Plänen gar nicht eingezeichnet war. Dieser musste vernichtet und ein zusätzlicher Rohrgraben für den benachbarten Offenen Ganztag der Schule gelegt werden.

Drittens: Nun gingen offenbar alle Warnlampen der Bausachverständigen an – und man befürchtete auch noch ein paar Blindgänger, spricht Weltkriegsbomben, im Erdreich. Weil die Bauarbeiten deshalb umso vorsichtiger erledigt werden mussten, erhöhte sich der Kostenaufwand.

Viertens: Die einzelnen Gewerke-Kosten waren nach den Ausschreibungen tatsächlich deutlich höher als vom Architekturbüro geschätzt.

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Fünftens: Dass die Baukosten so schön nach oben schnellen, hat einen von Laien oft übersehenen Nebeneffekt: Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) sieht automatisch höhere Honorare für alle Bauberater vor – inklusive der neuen notwendigen Kampfmittel- und Gift-Gutachten. Plus 50.000 Euro. Dass überhaupt Architekten eingeschaltet worden waren, ist etwas Besonderes: Die Stadt will ihre Kitas so bauen, dass sie gut aussehen und sich Kinder wie Nachbarn wohlfühlen.

Sechstens: Als es im Jahr 2021 durch die Pandemie immer schwieriger wurde, genügend geeignete Baumaterialien zu bekommen, verzögerte und verteuerte sich der Anbau weiter. Einerseits wurden die Baustoffe schlicht teurer, anderseits verlängerten sich die Standgebühren für die Gewerke, die auf die anderen warteten.

Die Kita Rechenacker musste um einen Zusatzbau erweitert werden, weil der Bedarf an Kinderbetreuung im Oberhausener Süden durch neu hinzugezogene Familien so groß geworden it.
Die Kita Rechenacker musste um einen Zusatzbau erweitert werden, weil der Bedarf an Kinderbetreuung im Oberhausener Süden durch neu hinzugezogene Familien so groß geworden it. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Siebtens: Plötzlich entdeckte man bei den Bauarbeiten, dass die alten Elektroleitungen beschädigt waren – alle Leitungen für Strom und Hausalarm mussten im Neu- und Altbau neu verlegt werden. Durch den Einbau einer Wandlermessung musste der Hausanschluss umgebaut werden. Repariert wurden zudem die Blitzschutzanlage und die Erdung der Kita.

Achtens: Starker Regen war so mächtig, dass die bereits ausgehobenen Kabelgräben mit Erde voll gespült wurden – so musste wieder teuer Erde bewegt werden.

Neuntens: Und dann fiel noch jemanden ein, dass es klug wäre, sehr stabile und bewegliche Sonnenschutzsysteme für die Kita-Kinder einzubauen – dies war in dieser Form zuvor nicht eingeplant.

Zehntens: Natürlich stiegen auch die Honorarkosten vor allem für die Ingenieurleistungen wieder – insgesamt für den Kita-Anbau auf 372.000 Euro.

Die Lokalpolitiker staunten und wunderten sich im Rat, richtig verärgert schienen sie nicht zu sein. 1,5 Millionen Euro von den 2,3 Millionen Euro stammen zwar aus dem Landes-Kita-Fördertopf, doch FDP-Ratsherr Marc Hoff kann das nicht so recht milde stimmen: „Es handelt sich hier um eine Kita, die auf einem städtischen Grundstück steht – und trotzdem müssen nur für ein paar Räume zwei Millionen Euro an Baukosten gezahlt werden.“ Da bei diesem Kita-Anbau auch die Baufirmen deutliche Fehler gemacht hätten, frage er sich, warum die Stadt die Mehrkosten alleine tragen soll.

Der Oberhausener Familien- und Schuldezernent Jürgen Schmidt.
Der Oberhausener Familien- und Schuldezernent Jürgen Schmidt. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Tatsächlich versichert Familiendezernent Jürgen Schmidt: „Die Stadt versucht, bei Schlechterleistungen die Baufirmen in Regress zu nehmen. Aber schon in der Vergangenheit ist dies nicht gelungen, weil dann Firmen zuvor in Insolvenz gingen.“ Maßgeblich für die Kostensteigerungen seien aber die momentanen Preisanstiege im Baubereich.

Und so stimmte der Rat der Stadt den überplanmäßigen Kita-Ausgaben zu.