Oberhausen. Polnische Schauspieler aus Tychy haben am Altmarkt in Oberhausen Hunderte Besucher angelockt. Ihren „Chaplin“ trägt eine ungewohnte Dramaturgie.
Was hat der Altmarkt in Oberhausen nicht schon an übermannenden Bildern gesehen. Wundersame Gestalten auf hohen Stelzen. Oder emporsteigende Feuersäulen, die sich in den nächtlichen Himmel bohren.
Gemessen am bisher Gezeigten, bot das polnische Straßentheater „Teatr HoM“ am Samstagabend auf dem Gipfel des dreitägigen Kulturfestes zur Oberhausener Städtepartnerschaft mit dem südpolnischen Tychy, ein Kontrastprogramm. Wenig Spektakel - dafür aber reichlich Charme.
Die vorzüglich spielende Schauspielgruppe aus Schlesien zeigte mit „Monsieur Chaplin“ eine stimmige Hommage an die Stummfilmzeit - mit typischen Werkzeugen der Epoche. Eine Sprachbarriere gibt es nicht. In knapp einer Stunde fällt nicht ein Wort. Kein Zufall: Die Schau für Pantomimen-Puristen ist speziell für Hörgeschädigte entwickelt worden.
Straßentheater Oberhausen: Aus der Hitze zu kühlen Bildern
Einige Hundert Besucher kommen über den Samstag verteilt vor die Kultur-Gaststätte Gdanska. Um zu hitzigen und später angenehmen Sommer-Temperaturen bei der Aufführung über den in London geborenen Kult-Mimen hinzuschauen. Chaplin, eigentlich Sir Charles Spencer, starb 1977 in Corsier-sur-Vevey, im französisch-sprachigen Teil der Schweiz.
Seine bekannte Faschismus- und Militarismus-Abrechnung „Der große Diktator“, in dem er eine bissige Film-Satire auf Adolf Hitler gibt, stammt aus dem Jahr 1940. Meilensteine wie die sozialpolitische Tragikomödie „The Kid“ filmte er aber schon 1921 - viele Werke sind noch älter. Und genau in dieser Zeitmaschinen-Atmosphäre landen die Besucher am Altmarkt.
Schnell wird klar, warum das gewohnte Spektakel hier nicht zieht: Es ist eine heitere Liebesgeschichte in drei Akten, in der ein Kleingauner, natürlich Chaplin, und ein strenger Gendarm sowie wohlhabende Nebenbuhler um das Herz einer holden Dame werben.
Das Theater startet spät, weil Schwarz-Weiß-Videos in der Dämmerung historische Straßenzüge nachzeichnen. Vorne sind lange vor dem ersten Scherz zwei Schaufensterpuppen drapiert, die mit dem Rücken zum Publikum ausgerichtet kaum von echten Mimen zu unterscheiden sind.
Straßentheater Oberhausen: Schnauzbart-Polizist ermahnt das Publikum
„Nanana!“ Ein bulliger Polizist mit gezwirbeltem Schnauzbart begutachtet grinsende Besucher. Ermahnt humorvoll die Zuschauer, auf den Bierbänken doch bitteschön gerade zu sitzen. Und schlägt dabei bedeutungsschwer mit dem kleinen Knüppel in die eigene Handfläche.
Man spürt so ziemlich alles, was Straßentheater ausmacht: Keinen sterilen Saal, sondern viel Grundrauschen. Bellende Hunde von Passanten und vorbei rasende Autos verschmelzen mit Chaplins Slapstick.
Begleitet wird das Spiel in alter Stummfilm-Tradition von einem Piano, das transportabel allerdings elektronisch daherkommt. Auch eingespielte Musik ist aus der Zeit gefallen. Henry Mancinis „Der rosarote Panther“ (1963) und Lalo Schifrins „Mission Impossible“ (1966) stammen nicht aus der Genre-Epoche.
Und richtig überzeichnet wird es, wenn sich der Altmarkt-Chaplin zur unterstützenden Hilfe eine Liebeshymne wünscht - und der Pianist munter „Cheri, Cheri Lady“ (1985) von Modern Talking anspielt. Zeitsprünge, die aber die Ausnahme bleiben.
„Monsieur Chaplin“ trägt keine sonderlich komplexe Geschichte. Aber es gilt: Der Weg ist das Ziel. Dafür erhalten die weit gereisten Schauspieler in Oberhausen langen Applaus. Am Ende gewinnt Chaplin natürlich die Gunst seiner Angebeteten. Geschick und Herz setzen sich gegen Kraft und Geld durch. Wenn das mal immer so einfach wäre.
>>> Trotz Hitze und Konkurrenz - Initiatoren sind zufrieden
Am Wochenende war in Oberhausen viel los - nicht nur bei der Fronleichnamskirmes in Sterkrade. Daher sind die Macher von städtischer Kultur und Interkultur gemeinsam mit den Gdanska-Kreativen mit dem Zuspruch durchaus zufrieden. Gerade, weil der hitzige Samstag eher für den Schwimm-Pool statt fürs Ausgehen sprach.
Musiker der polnischen Band Communa spielten vor dem Straßentheater auf der Terrasse der Kult-Gaststätte. Die Schauspieler aus Tychy nutzten dagegen eine ebenerdige Bühne auf dem Straßenpflaster sowie eine Videoleinwand, die vor der Siegessäule errichtet wurde.