Oberhausen. Einen Abend vor der Oscar-Nacht bringt Komponist Hans Zimmer seine Filmmusik in Oberhausen auf die Bühne - obwohl er für „Dune“ nominiert ist.

Das Schaulaufen über den roten Teppich kennt er. Den knappen Plausch mit Scharen von Hollywood-Kollegen ebenfalls, bevor im Dolby Theatre der Applaus und die Fanfaren einsetzen. Wenn in Los Angeles in der Nacht von Sonntag auf Montag die Oscars vergeben werden, wird der deutsche Filmmusik-Komponist Hans Zimmer nicht dabei sein - obwohl er als Nominierter in der Kategorie „Beste Filmmusik“ für Denis Villeneuves Science-Fiction-Spektakel „Dune“ sogar als Favorit gilt.

Wenn in Hollywood die Sektkorken knallen, befindet sich der gebürtige Frankfurter, der früh nach England und Kalifornien auswanderte, stark beschäftigt in Europa. Einen Abend vor der Oscar-Nacht tritt er in der Rudolf-Weber-Arena in Oberhausen (Samstag, 26. März) auf, am Oscar-Abend selbst spielt er das erste von zwei aufeinander folgenden Konzerten in Amsterdam (27. und 28. März) - mit Klangteppichen aus „Inception“, „Interstellar“ und „Fluch der Karibik“.

Da alle drei Konzerte ohne einen Tag Verschnaufpause angesetzt sind, wären für den 64-Jährigen schon futuristische Flugmaschinen aus dem Kino nötig, um Oberhausen, Amsterdam und Los Angeles rechtzeitig zu verbinden. Hans Zimmer hat sich entschieden: Konzert-Jubel statt Oscar-Prunk.

Hans Zimmer: Klangteppiche aus der Wüste für „Dune“

Dabei kann sich der ehemalige Schüler aus dem hessischen Örtchen Königstein nach elf vorherigen Nominierungen und einem 1995 für „Der König der Löwen“ gewonnenen Goldjungen diesmal ernsthafte Hoffnungen machen.

Für die Literatur-Neuverfilmung zu Frank Herberts Buchreihe „Der Wüstenplanet“ gewann Zimmer zuletzt den britischen Filmpreis BAFTA und den Golden Globe, der vom Verband der Auslandspresse in Hollywood vergeben wird - und zugleich als Probelauf für die Oscars gilt. Sollte Hans Zimmer tatsächlich auch den wichtigsten Filmpreis gewinnen, könnte er sich stilecht per Videoschalte aus dem Konzert-Home-Office melden.

Doch auch die Entwicklung der Kinomusik selbst ist filmreif. Die Melodien haben sich immer weiter vom Image der reinen Hintergrund-Untermalung entkoppelt. Schon die verstorbene Komponisten-Ikone Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) und Altmeister John Williams („Star Wars“) lockten in große Konzertsäle.

Doch Zimmer brachte seine Hymnen vor fünf Jahren als erste Filmmusik-Größe wie ein Popstar fast ausverkauft rund um die Erdkugel - spielte in Südkoreas Hauptstadt Seoul und seiner Heimat Frankfurt sogar in einem Sportstadion vor Zehntausenden Fans. Und das bei einem Kinogewerk, dessen Stars lange gesichtslos blieben.

Hans Zimmer: Zehn geflüchtete Ukraine-Musiker im Orchester

„Mich hat immer mein Lampenfieber davon abgehalten, ein Konzert zu spielen“, sagte Zimmer einmal über die lange Live-Durststrecke. „Aber ich habe mich auf der Bühne einfach mit guten Freunden umgeben. Das hat mir Sicherheit gebracht.“

Wenn Zimmer vor seine Fans tritt, wird meist seine vertraute Solistin Lisa Gerrard dabei sein. Die Australierin wurde mit ethnischen Melodien des Duos "Dead can Dance" bekannt. Ihre überirdische Stimme baute Zimmer in Kinostreifen wie „Gladiator“, „King Arthur“ und „Mission Impossible 2“ ein.

In seinem Orchester befinden sich diesmal auch Musiker aus der Ukraine. Hauptsächlich Frauen gelang kurz vor dem Tourneestart die Flucht aus der Hafenstadt Odessa. „Wir haben letztlich nur zehn Musikerinnen und Musiker rausgekriegt“, sagte Zimmer vor wenigen Tagen bei seinem Konzert in der Kölner Lanxess-Arena.

Schon vor zweieinhalb Jahren hatte der Frankfurter Komponist die ukrainischen Musiker gebucht. Dann bremste die Corona-Pandemie, die Tournee musste verschoben werden - nun setzten die Schrecken des Krieges ein. Vor jedem Konzert zeigt Zimmer die ukrainischen Landesfarben auf einer mehrteiligen Leinwand, auf der in drei Stunden Konzert übrigens kein einziges Filmbild aus dem Kino flimmert.

Hans Zimmer: Seinen ersten Oscar ließ er versehentlich fallen

Mit der sphärischen Dune-Filmmusik, die Kinokenner wie einen zusätzlichen Charakter im Film wahrnehmen, entschlüsselt der Klangtüftler auch, wo er musikalisch herkommt. Vor und nach seinem Gastspiel bei der britischen Synth-Pop-Band Buggles („Video killed the Radio-Star“) experimentierte Zimmer in den frühen 1980er-Jahren mit bulligen Synthesizer-Türmen.

Er gilt als Pionier elektronischer Filmmusik - und als ein Verfechter unkonventioneller Ideen. Auch wenn Traditionalisten manchmal monieren, bei seinen Orchesterwerken seien Anleihen aus klassischen Großwerken herauszuhören.

Für „James Bond: Keine Zeit zu sterben“ griff der Autodidakt Zimmer zuletzt zum Keyboard, arrangierte auch das Orchester beim von Billie Eilish geflüsterten Bond-Titelsong „No time to die“. Ein Konzert der leisen Töne wird die Fans in Oberhausen aber nicht erwarten. Das Konzert ist so gut wie ausverkauft - wenige Restkarten gibt es nur in teuren Kategorien ab 132 Euro.

Seine erste Oscar-Trophäe ließ Hans Zimmer übrigens nach der Gala fallen. Seitdem ziert den Goldjungen an der linken Schulter eine Macke.