Oberhausen. Ein Konzert wie gemacht für die Leinwand: Filmmusik-Star Hans Zimmer liefert in Oberhausen einen oscarreifen Auftritt - mit kleinen Schwächen.

Sie tragen Masken vor dem Gesicht und haben den dunklen Ritter vor Augen: 9000 Fans horchen am Samstag in der Arena Oberhausen unter Corona-Regeln dem nervenaufreibenden Cello-Strings aus Christopher Nolans Batman-Adaption „The Dark Knight“. Nur eine von knapp zwei Dutzend Kino-Soundtracks, mit denen der deutsche Filmmusik-Komponist Hans Zimmer in der nahezu ausverkauften Halle seine Anhänger aus dem Pandemie-Blues reißt.

„Es ist schön zu sehen, dass es noch Menschen um einen herum gibt“, sagt der Oscar-Gewinner aus Frankfurt am Main. Vieles ist an diesem Abend magisch - aber nicht frei von Schwächen.

Hans Zimmer: Krachende Trommeln und Geigen-Gewitter

Vorne blinken riesige Leinwände aus denen Heimkino-Träume sind. Sie zeigen kunstvolle Bildcollagen - in drei Stunden Konzert jedoch keine einzige Kinoszene.

Der 64-jährige Zimmer entkoppelt die vermeintliche Hintergrund-Musik von ihren Bildern. Er verpackt seine Melodien in ein Gewand aus Rock’n’Roll, bei dem E-Gitarren aus „Inception“ klirren, Trommeln aus „Last Samurai“ krachen und ein Geigen-Gewitter aus „Fluch der Karibik“ losbricht.

Trotzdem bleibt Platz für leise Zwischentöne. „In unserem Orchester spielen zehn Musikerinnen und Musiker aus Odessa. Wir haben sie in letzter Sekunde aus der Ukraine herausbekommen“, erzählt Zimmer, der ein blaues Jacket und eine gelbe Hose trägt. Es gibt die ersten Ovationen des Abends.

Der Klangtüftler zog schon als Jugendlicher aus dem Taunus nach London - später nach Los Angeles. „Leider spreche ich nur Kinderdeutsch“, sagt der Hollywood-Star und sammelt damit Sympathiepunkte. Und so wird das Instrument des Flötisten schon einmal als Tischbein umschrieben.

Hans Zimmer: Grandiose Konzert-Montage neben Synthesizer-Türmen

Wenige Filmtitel kündigt er auf der Bühne namentlich an. Das nimmt dem Konzert die Schwere einer Abhandlung. Alle Melodien zu entschlüsseln, ist aber nur etwas für Fortgeschrittene.

Hans Zimmer zieht vor 9000 Fans den Stecker vieler Konventionen - und das liegt nicht nur an den mitgebrachten mannshohen Modular-Synthesizer-Türmen, mit denen er schon Ende der 1970er-Jahre experimentierte.

Es sind Monumente der Filmmusik-Evolution. Das schnurrende Intro aus dem Superhelden-Epos „Batman Begins“ und die strudelartige Panik aus dem Weltkriegsdrama „Dunkirk“ zählen zu den Konzerthöhepunkten.

Traditionalisten monieren manchmal, bei Zimmers Orchesterwerken seien Anleihen aus klassischen Großwerken herauszuhören - wie Gustav Holsts „Die Planeten“ bei „Gladiator“. Doch mit Kombination aus Elektronik und Orchester gehört Zimmer selbst zur Avantgarde. Seine krachende Filmmusik zu „Black Rain“ (1989) gilt als stilprägend für den modernen Actionfilm. Motive daraus werden bis heute verwendet.

Hans Zimmer: Bei der Auswahl der Filmmusik fehlt der Mut

Auch sein jüngster Geniestreich zu Denis Villeneuves Science-Fiction-Spektakel „Dune“ zeigt eindrucksvoll wie ein Wüsten-Klangteppich die Gefühlsebene der Kinobesucher packen kann. Die wütende weibliche Solostimme gepaart mit einprasselnden Drums durchdringt den letzten Arena-Winkel. Großes Kino!

Aus 40 Jahren Filmmusik und 200 von Hans Zimmer vertonten Werken eine Konzert-Auswahl zu treffen, ist eine „Mission Impossible“ - keine Frage. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Konzert-Architekten manchmal mutlos agieren und vollständig auf Blockbuster wie „James Bond: Keine Zeit zu sterben“ und „Wonder Woman 1984“ setzen. Die ersten 15 Jahre seiner Karriere mit unbekannten, aber grandiosen Perlen wie John Schlesingers Michael-Keaton-Thriller „Pacific Heights“ vernachlässigt Zimmer völlig.

Beim „König der Löwen“ aber sieht man ihm die Spielfreude an der Gitarre deutlich an. Und wenn er am Piano mit dem Titel „Time“ aus „Inception“ den umjubelten Schlussakkord setzt, haben die Zuschauer ein nahezu oscarreifes Konzert gesehen.

Gute Solisten, passable Akustik - und unzählige Ohrwürmer. Einzig eingestreute Akrobatik-Künstler und Tanzeinlagen wirken deplatziert und sind eher ein Fall für die Goldene Himbeere.

>>> Gemischtes Publikum: Herrenanzug trifft auf Kapuzenpullover

Hans Zimmer (64) stammt aus Frankfurt am Main und arbeitet heute in Los Angeles. Seit vier Jahrzehnten schreibt er millionenfach gehörte Filmmusik. Zuvor experimentierte der Autodidakt im Pop-Genre - spielte bei den Buggles („Video killed the Radio-Star“) und gründete mit Ultravox-Drummer Warren Cann das Synth-Duo „Helden“.

Das Publikum beim Konzert in Oberhausen hätte nicht breiter gemischt sein können. Anzugträger mit Fliege und Frauen in edlen Kleidern trafen auf Studenten in Kapuzenpullovern und Kuttenträger mit tätowierten Armen.