Oberhausen. Der Besitzer der Turbinenhalle Oberhausen investiert drei Millionen Euro in den Umbau. Strom für Konzerte stammt bald aus eigener Produktion.

Die Herzkammer stand immer unter Strom. Erst als der Corona-Lockdown zwangsweise den Stecker zog, musste Michael Neumann überlegen. Und der Chef der Turbinenhalle in Oberhausen fasste im vergangenen Jahr, kurz nach den ersten abgesagten Konzerten, einen weitreichenden Entschluss: Wir bauen um!

Wenn er von der Herzkammer spricht, dann meint er die Haupthalle, im Diskotheken-Deutsch „Main Hall“, des 1909 erbauten Industriegebäudes. Früher ächzten hier die Maschinen, um Energie für die benachbarte Gutehoffnungshütte (GHH) zu produzieren.

Seit 1993 tanzten Wochenende für Wochenende Teenager in der Großraum-Diskothek. 2007 übernahm Neumann das Ruder vom damaligen Betreiber Edgar Engel. Heute ist die Turbinenhalle fast ausschließlich Konzertstätte sowie Festival- und Messestandort. Knapp 5000 Fans passen in sieben Hallenbereiche hinein.

Turbinenhalle Oberhausen - Industriehalle, Großraum-Diskothek, Konzert-Werkstatt

Statt Stimmung, schallen momentan Stimmen durch den Koloss. Die Schweißgeräte der Schlosser knistern auf den Balkonen. Früher lehnten Nachtschwärmer an den Gitter-Geländern, lünkerten auf die Tanzfläche und tuschelten beim Flirt. Ganz früher unterhielten sich hier Malocher über die nächste Frühstückspause. Die Turbinenhalle war immer schon eine Baustelle - so oder so.

Heute scheppert es, aber so richtig. Ein neuer Aufzug fährt bald links neben der Bühne auf und ab, um Kulissen von den Tour-Lkw der Sänger und Bands einfacher vor die Stehplätze zu hieven. Neumann deutet auf einen tiefen Krater-Schacht, in dem noch viel zu tun ist.

Stolz ist er auf sein Dach, innen wie außen. Innen, weil drei neue Abluftanlagen künftig für deutlich besseres Klima sorgen sollen. Und außen, weil auf dem Hallendach das Klima ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Turbinenhalle Oberhausen: 2500 Solareinheiten auf 10.000 Quadratmetern

2500 Solareinheiten befinden sich seit Anfang des Jahres auf 10.000 Quadratmetern. Nebeneinander drapiert helfen sie mit, Sonnenstrahlen zu erfassen und in Strom umzuwandeln. „Wir kehren sozusagen zu unseren Wurzeln zurück“, sagt der Hallenbesitzer, dem die Analogie zur Industrienutzung von damals hörbar gefällt.

Hoch oben, so um die 25 Meter über dem Parkplatz, ist alles fertig. Der Ausblick reicht bis zum benachbarten Centro Oberhausen. Aber auch zu den Bäumen und Wiesen des nahen Kaisergartens. Eines Tages hatten Neumanns Töchter ihn gelöchert. Ob er nicht auch etwas für den Klimaschutz beitragen möchte. Neumann investierte.

Wenn die Konzerte wieder starten, kann die Turbinenhalle die Lichter und Tonanlagen mit selbst produziertem Strom versorgen. Zu einem Teil - aber immerhin.

Das altehrwürdige Logo mit dem Erbauungsdatum, die Jahreszahl 1909, thront am Haupteingang, als wäre nichts gewesen. Böse Zungen brachten die Jahreszahl auch mit dem Zustand mancher Toilette in Verbindung. Neumann kennt diese Sprüche. Und hat moderne WC-Anlagen in Auftrag gegeben.

Auch das "Cosmo", früher ein miefig-kleiner Diskotheken-Bereich, wird komplett mit Theken und neuem DJ-Pult umgerüstet. Bei Festivals soll er als schicker Backstage-Raum dienen.

Turbinenhalle Oberhausen: Langer Hallenumbau ist nichts für Anzugtypen

Im ehemaligen T-Club-Gebäude, dem heutigen Club Steffy, musste Neumann dagegen nicht nachfassen. Der Club war erst 2019 mit viel Veranstaltungstechnik renoviert und modern aufgehübscht worden.

Wenn der Turbinenhalle-Chef von Halle zu Halle geht, trägt er seine dunkle Arbeitshose. Ein verstaubtes Arbeitshemd. Ein Anzugtyp ist er nie gewesen. Oft kommt er als Erster um sieben Uhr morgens und fährt als Letzter um zehn Uhr abends wieder vom Hof. „Dann spürst du, was du gearbeitet hast!“

Bei vielen Umbaumaßnahmen werkelt die Belegschaft der Turbinenhalle mit. Schutt haben sie auf dem Parkplatz abgetragen und der Entsorgung zugeführt. Neue Böden, frische Geländer, breite Türen und glänzende Zwischenwände. An Arbeit mangelt es nicht.

Die kleine Straße vom Lipperfeld zum Parkplatz, nach starkem Regen gerne ein Pfützen-Paradies, wird nun befestigt. Auch eine asphaltierte Wagenspur zu den Stellplätzen wird ergänzt.

Auf einem Parkplatzstück neben den Zuggleisen und angrenzend zur Bus- und Bahntrasse stehen neue Laternenmasten. 600 Pkw sollen später nebeneinander auf Konzertbesucher warten können.

Turbinenhalle Oberhausen: Baumaterial wurde plötzlich knapp und teuer

Die Corona-Zwangspause für einen großen Umbau zu nutzen, klingt ideal. Doch sie benötigt zugleich pragmatischen Mut und Zuversicht und brachte auch Probleme mit sich. Baumaterialien waren in der Lockdown-Phase zeitweise rar. Der Rohstoffpreis für Eisen? Plötzlich verdoppelt!

Doch Moderne und Vergangenheit, das Verschmelzen von altem Kult und neuen Ideen spürt man in den riesigen Hallen. Hier ist nichts aus Plastik, nichts auf Retro getrimmt. Die Turbinenhalle soll echt bleiben - auch nach dem Umbau. Dann fehlt nur noch eins: Zuschauer - und die Gelegenheit zum fast schon vergessenen Konzert-Leben.

>>> Turbinenhalle bekennt sich zu Konzert - Umbau bis Ende September

Der Umbau der Turbinenhalle kann auch als Bekenntnis zu weiteren Konzerten und Festivals verstanden werden. Im September soll die Halle komplett fertig sein.

Hallen-Chef Neumann hofft, dass bald ein Neustart möglich wird. Wenn die Corona-Lage es zulässt, noch im Herbst 2021. Öffnen möchte die Turbinenhalle aber erst, wenn wieder ein normales Konzertleben vorhanden ist. Sitzplatzkonzerte mit Abstand soll es nicht geben. Von einem Schnellstart, ohne eine verlässliche Perspektive auf dauerhafte Öffnung, möchte Neumann absehen.