Oberhausen. Turbinenhalle, Kulttempel, Altenberg und andere Tanzclubs hat der Corona-Lockdown knüppelhart getroffen. Betreiber fühlen sich alleine gelassen.
Manchmal, wenn es ganz still ist und der Wind richtig steht, können Oberhausener das Knurren und Quietschen des Verschiebebahnhofs in Osterfeld hören. Durch die Corona-Krise dürften sich die Akteure der hiesigen Unterhaltungsindustrie an das Rangieren auf den Gleisen erinnert fühlen: Für muntere Konzerte, ausgelassene Partyabende und geregelte Diskotheken-Touren werden reihenweise neue Termine gesucht.
Es knarzt im Seelenleben von Hallenbetreibern und Party-Organisatoren. Seit dem Lockdown im März sind die Kalender wie leergefegt. „Wir sind die Ersten, die schließen mussten und werden die Letzten sein, die wieder öffnen dürfen“, befürchtet Michael Neumann, der Chef der Turbinenhalle im Lipperfeld.
Fixkosten laufen gnadenlos weiter
Auch interessant
In den vielen umgewidmeten Industriehallen droht nach dem Ende der Montanindustrie die zweite schwere Existenzkrise. Vor ungefähr vier Monaten feierten das letzte Mal Fans in der 1909 für die Gutehoffnungshütte (GHH) erbauten Immobilie. Seitdem ist der sonst so wuselige Ort ein Stillleben.
Mehrere Hundert Veranstaltungen pro Jahr, oft mehrere Tausend Besucher bei Konzerten. Was sich die Turbinenhalle in den vergangenen Jahren mühsam aufgebaut hat, liegt derzeit auf Eis.
Neumann weiß: „Die Termine im Veranstaltungskalender werden immer weiter nach hinten verlegt. Auf 2021 – aber nicht ins Frühjahr, sondern jetzt bereits in den Herbst.“ Die Angst vor einer zweiten Welle plant bei Künstlern und Musik-Managern mit.
Wohin man schaut. Es fehlen die Perspektiven. Die befreienden Corona-Lockerungen laufen an der Veranstaltungsbranche größtenteils vorbei. Alleine die Fixkosten, um teure Gebäude zu unterhalten – sei es Strom, Reparaturen und Versicherungen – laufen gnadenlos weiter.
Turbinenhalle steckte Geld in neuen Club
Auch interessant
Besonders bitter: Erst im vergangenen Jahr hat Neumann in seinen Tanzclub „Steffys“ in der Turbinenhalle investiert. Für einen sechsstelligen Eurobetrag ist für die 830 Quadratmeter großen Räume des ehemaligen T-Clubs moderne Ausrüstung angeschafft worden.
CO2-Kanonen für Nebel-Effekte, Effektregen mit Wunderkerzen-Funken, eine neue Traverse mit passender Lichtstimmung – dazu ein schickes DJ-Pult, blinkende LED-Großleinwände. Doch derzeit funkelt nichts.
Die jüngere Zielgruppe, so der Hallenchef, müsse heutzutage im längst komplizierten Geschäft der Club-Szene durch langen Atem gewonnen werden. Öffnen und aufdrehen reicht nicht mehr. Passende Themenabende sind wichtig und die Suche nach einem Trend.
Was heute angesagt ist, kann morgen schon wieder sterbenslangweilig sein. Bleibt der Club längere Zeit zu, ist die gerade gewonnene Ausgeh-Generation schon wieder zu alt. Nachrücker konnten nicht herangeführt werden. Neumann kennt die Mechanismen, die skeptisch stimmen.
Kulttempel, Resonanzwerk, Altenberg improvisieren
Auch interessant
Wie reagieren andere Hallen? Im kleineren Kulttempel nebenan arbeiten sie gerade an einem Hygienekonzept für überschaubare Events mit festen Sitzplätzen. Geld, sagt Betreiber Peter Jurjahn, verdiene man mit der geringeren Kapazität aber nicht. „Es hilft immerhin die Nebenkosten abzufedern. Außerdem können bereits eingekaufte Getränke verkauft werden.“
Auch im Resonanzwerk neben dem Hostel Veritas soll es nach langer schmerzhafter Pause kleinere Konzerte geben. Auch hier ausschließlich mit festen Sitzplätzen. Mit maximal 160 Fans planen die Macher zum Beispiel am 29. August bei der britischen Psychobilly-Band „Demented are go“.
Kein Jubel, kein Trubel, aber Stühle finden Ausgeh-Freunde im Zentrum Altenberg, das sonst regelmäßig den Tanzclub an Wochenenden öffnet. 50 Sitzplätze draußen, 50 weitere Plätze im Biergarten, wenn das Wetter mitmacht. „Düsterdisco“ und „Adults only“ werden zu Thementreffen mit DJ, aber ohne Tanzfläche umfunktioniert. Die Eventreihe „Jugendsünde“ erhielt zuletzt für ihren stimmungsvollen Abend überwiegend Lob.
Turbinenhallen-Chef bemängelt fehlende Unterstützung
Von Miniatur-Veranstaltungen, mit vielleicht 100 Besuchern, hält Michael Neumann für die weitaus größere Turbinenhalle nichts. In der mehrere Tausend Menschen fassenden Halle seien diese nicht annähernd kostendeckend. „Wir machen erst weiter, wenn wir wieder im normalen Umfang Gäste begrüßen können.“
Das bedeutet, der Atem muss halten. Finanzielle Unterstützung, die wirklich helfe, sieht Neumann nicht auf die Branche zukommen. Neben Bund und Land ist der Hallen-Chef auch von der Stadt enttäuscht. Bislang habe sich keiner über das Befinden bei ihm erkundigt. Dabei sorge die Halle seit Jahren für auswärtige Besucher, Hotelübernachtungen und ein breites kulturelles Angebot. „In guten Zeiten gibt es Applaus, doch nun stehen wir alleine da.“ Das öffentliche Echo sei gleich null.