Oberhausen. Beim Wirtschaftswachstum steht Oberhausen mit Essen und Mülheim besonders schlecht da. Die Fachleute der Industrie- und Handelskammer warnen.
Es steht nicht gut um den Wirtschaftsstandort Oberhausen. Mit großer Sorge blicken die Fachleute der Industrie- und Handelskammer auf die Stadt. Insgesamt hinke die MEO-Region, also die Städte Mülheim, Essen und Oberhausen, der andernorts guten Entwicklung hinterher. Doch gerade in Oberhausen, vor der Corona-Krise 2019 noch ausdrücklich gelobt für eine wirtschaftliche Aufholjagd, wünschen sich die Experten mehr Engagement, vor allem bei der Vermarktung von Industrie- und Gewerbeflächen.
„Die werden in Oberhausen nicht gerade auf dem Silbertablett präsentiert“, sagt IHK-Präsidentin Jutta Kruft-Lohrengel. Anders als in den Nachbarstädten, wo große Projekte aus ihrer Sicht Hoffnung auf Aufschwung machen: Etwa der Vorschlag, das Areal des Flughafens Essen-Mülheim zum Teil auch gewerblich zu nutzen, die Entwicklung einer neuen Gewerbefläche an der Friedrich-Wilhelmshütte in Mülheim und das Projekt „Freiheit Emscher“ der Städte Essen und Bottrop: Bis 2030 soll dieses Megaprojekt im Süden Bottrops und im Norden von Essen entstehen. Geplant sind unter anderem ein Gewerbe-Boulevard, ein eigener Anschluss an die A 42, neue Brücken und Verkehrsachsen sowie eine Umwelttrasse für den Rad- und ÖPNV-Verkehr. Das Gesamtareal umfasst 1700 Hektar, 800 Hektar sind allein für die Ansiedlung neuer Industrie- und Gewerbebetriebe vorgesehen.
Oberhausen hat noch 30 Hektar Gewerbegebiet frei
30 Hektar freie Fläche gibt es laut Auskunft des neuen Oberhausener Wirtschaftsförderers Michael Rüscher derzeit in Oberhausen. Die meisten Flächen sind vergleichsweise klein, die größte zusammenhängende Fläche gebe es derzeit auf dem ohnehin schon sehr zerstückelten alten Stahlwerksgelände am Centro. Für die nächsten Jahre sei dies dennoch „ausreichend“, meint Rüscher, der seit Anfang Juli im Amt ist und zuvor Geschäftsführer der Niederrheinischen IHK in Duisburg war.
Danach müsse man dann „das Stadtgebiet unter die Lupe nehmen“, um weitere Flächen für Gewerbe und Industrie freigeben zu können. Die Kritik seiner ehemaligen IHK-Kollegin Kruft-Lohrengel kann er nicht nachvollziehen, Oberhausen weise eine „unglaublich gute Entwicklung“ auf, sagt Rüscher und verweist auf die neue Edeka-Ansiedlung und den Segro-Logistikpark.
Eine „unglaublich gute Entwicklung“ für die MEO-Region sieht die Oberhausener IHK-Präsidentin Jutta Kruft-Lohrengel nicht. Ganz im Gegenteil: Nach jahrelangem Rückgang liegen die Städte beim Wirtschaftswachstum mittlerweile auf dem letzten Rang sämtlicher IHK-Bezirke in NRW. Abgeschlagen sind Oberhausen, Mülheim und Essen auch bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes. Und das Plus an sozialversicherungspflichtigen Jobs fällt laut Zahlen der IHK lange nicht so groß aus wie anderswo.
Schwächelnde Wirtschaft hat immense finanzielle Folgen
Das mangelnde Wirtschaftswachstum hat immense finanzielle Folgen für die Städte: Hätte die Region in den vergangenen Jahren zumindest mit dem NRW-Schnitt mithalten können, dürfte sich laut IHK-Schätzung auch Oberhausens Kämmerer Apostolos Tsalastras dank höherer Steuereinnahmen Jahr für Jahr über 90 Millionen Euro mehr im städtischen Haushalt freuen. Einem möglichen Einwand, das Ruhrgebiet habe schließlich mit dem Strukturwandel zu kämpfen, greift die IHK-Präsidentin vorweg: Die wachstumsstärksten Regionen in NRW liegen im Ruhrgebiet, in Dortmund, Hamm und dem Kreis Unna. Hätte Oberhausen mit diesen Städten mitgehalten, hätte sie sogar jährlich 180 Millionen Euro mehr im Stadtsäckel.
Amazon-Ansiedlung und Autobahn-Ausbau
Die MEO-Region hat ein Verkehrsproblem. Auch dies müssen die Städte aus Sicht der IHK angehen, die Fachleute befürworten daher Autobahn-Ausbauten wie die der A 52 und der A 40. In Oberhausen sorgt derzeit der geplante Ausbau des Autobahnkreuzes und die damit zusammenhängende Rodung eines Teils des Sterkrader Waldes für hitzige Diskussionen. IHK-Präsidentin Jutta Kruft-Lohrengel findet auf Nachfrage deutliche Worte: „Oberhausen ist keine Insel, Bäume stehen auch in den Nachbarstädten.“ Der Ausbau sei nötig.Auch zur Diskussion um die mögliche Ansiedlung eines Amazon-Logistikzentrum neben dem Centro äußert sie sich. Das größte Problem sieht sie in den bislang nicht geklärten Fragen zum Verkehrskonzept. Aber auch die Fitness-Halle The Mirage, die ursprünglich dort eröffnen wollte, hätte ein Mehr an Verkehr bedeutet. „Gewerbe-Ansiedlungen sind immer besser als Hallen leer stehen zu lassen.“
Was können Oberhausen und die Nachbarstädte also tun, um den Anschluss nicht komplett zu verlieren? Da sie im Mangel an Industrie- und Gewerbeflächen den Hauptgrund für die schlechte Lage sieht, besteht für Jutta Kruft-Lohrengel hier auch der größte Nachholbedarf. Auch für die in der Region strengen Restriktionen für Flächen, etwa wegen möglicher Belastung der Böden, müssten die Städte möglichen Investoren entgegenkommen. Ein ausreichendes Flächenangebot ist der „Generalschlüssel für die Schaffung von Arbeitsplätzen.“
Apropos Umweltauflagen: Hier dürften die Städte es dem produzierenden Gewerbe nicht schwerer machen als ohnehin schon, sagt IHK-Geschäftsführer Gerald Püchel. Die Wirtschaft bekenne sich zwar zu den Klimazielen, aber gerade für die Produktion fehlen aus seiner Sicht Konzepte, wie Betriebe vor Ort die Beschlüsse der Politik umsetzen sollen. „Wir dürfen diese Unternehmen nicht über Gebühr belasten“ und regionale Klimaziele nicht womöglich noch verschärfen. Einige Städte machten sich da bereits Gedanken zu. „In Oberhausen sehen wir noch nichts.“